Trésors du Bouddhisme au pays de Gengis khan

Autor/en: Jean-Paul Desroches (Hrsg)
Verlag: Silvana Editoriale
Erschienen: Mailand 2009
Seiten: 216
Ausgabe: Klappenbroschur
Preis: € 32.–
ISBN: 978-8836-6139-84
Kommentar: Michael Buddeberg, März 2010

Besprechung:
Mehr als 30 Jahre vor der chinesischen Kulturrevolution, die nicht nur das chinesische Kernland heimsuchte, sondern auch in Tibet wütete, hatte schon ein ähnliches Schicksal die Mongolei getroffen. Auch die ideologischen Gründe waren ähnlich. Wie später Mao Zedong ging es der sowjetisch geprägten Revolutionären Mongolischen Volkspartei darum, traditionelle Lebensformen und Gedanken auszulöschen, um eine geistige und kulturelle Entwicklung des Landes auf marxistisch leninistischer Grundlage voranzubringen. Die Brutalität der Säuberungsaktionen mag die Gräuel der Kulturrevolution noch übertroffen haben. 700 Klöster und Gebetsstätten wurden von 1932 bis 1938 in Schutt und Asche gelegt, kaum ein Lama überlebte die Massaker und unersetzbare Zeugnisse der geistigen und materiellen Kultur der Mongolei gingen unwiederbringlich verloren. Als 1990 das sozialistische Staatsgebilde wie ein Kartenhaus zusammenfiel stand nicht nur die Wirtschaft des Landes vor einem Neuanfang, sondern auch Kultur und Religion hatten sich vollständig neu zu orientieren. Getragen von der nie gänzlich unterdrückten, dem Schamanismus nahe stehenden Volksreligion, erlebte der Buddhismus tibetischer Prägung eine Renaissance. Nach Kublai Khan (13. Jh.) und Altan Khan (1507-1582), die beide den Buddhismus in die Mongolei gebracht hatten, kann von einer „dritten buddhistischen Bekehrung“ gesprochen werden, an der der Dalai Lama durch wiederholte Aufenthalte in der Mongolei wesentlichen Anteil hat. Klosterruinen wurden und werden restauriert, neue Klöster sind in großer Zahl entstanden und die Reste der materiellen buddhistischen Kultur der Mongolei kommen in mehreren Museen in Ulan Bator zu Ehren. Einer der sich in besonderem Maße um die Pflege und Erhaltung dieses materiellen Erbes der mongolischen Vergangenheit verdient gemacht hat, ist der Sammler und Liebhaber mongolischer Kunst, der Antiquitätenhändler Ayurzana Altangerel, der zusammen mit seiner Frau Dulamsuren Sukhee im Jahre 2004 in Ulan Bator ein privates Kunstmuseum gegründet hat. Dies und das schöne, 2005 in Ulan Bator erschienene Buch seiner Sammlung sind hierzulande kaum bekannt, und auch die von Juli bis November 2009 im Musée des Arts Asiatiques in Nizza gezeigte Ausstellung eines großen Teils der Sammlung Altangerel und der dazu erschienene Katalog fanden kaum mehr als lokale Beachtung. Angesichts der mageren Literatur zur buddhistischen Kunst der Mongolei – auch die große Dschingis Khan Ausstellung in Bonn und München 2005/06 konnte diesem Thema nur einen knappen Abschnitt widmen – ist dieser Katalog der Sammlung Altangerel, ergänzt um einige bedeutende Objekte vorbuddhistischer mongolischer Kulturen aus dem Musée Guimet und weitere Leihgaben aus mongolischen Museen und Privatsammlungen ein äußerst wichtiges Dokument. Acht Essays befassen sich mit der Geschichte der Mongolei, dem für dieses Land so wichtigen Nomadentum, mit den frühen Zivilisationen in diesem Teil Zentralasiens, mit Religion und Schamanismus, der mongolisch-buddhistischen Tempelarchitektur, einzelnen wichtigen Klöstern wie dem hoch in die Felsen des Berges Khangai geschmiegten Tövkhön und dem großen, im weiten mongolischen Grasland gelegenen Amarbayasgalant und erklären schließlich die Ikonographie des tibetischen Buddhismus, wie sie sich in der Sammlung Altangerel präsentiert. Thangkas und Skulpturen aber auch das Kunsthandwerk machen deutlich, dass die Kunst der Mongolei trotz des engen Zusammenhangs mit den tibetischen Ursprüngen durchaus eigenständig und in ihren Besonderheiten unübertroffen und von hoher Qualität und Lebendigkeit ist. Als Beispiel mögen hier die Masken für den Tsam-Tanz genannt werden, die in keinem buddhistischen Land phantasievoller sind als in der Mongolei. Die zornigen und grimmigen Gottheiten, bekehrte Dämonen und Wächter des neuen Glaubens, sind hier stets eine Spur grimmiger und noch zornvoller als ihre tibetischen Brüder. Vollendete Meisterschaft schließlich zeigen die mongolischen Handwerker in der Metallbearbeitung. Mongolische Skulpturen sind einzigartig in der gesamten buddhistischen Welt. Dies ist vor allem dem großen Zanabazar (1635-1723) zu verdanken, einer der faszinierendsten Personen der Kunst- und Kulturgeschichte dieser Welt. 1635 als direkter Nachkomme von Dschingis Khan geboren, wurde er gewählter Führer der Mongolen und Förderer der zweiten buddhistischen Renaissance. In Tibet als Reinkarnation erkannt, war er Vertrauter des berühmten 5. Dalai Lama, erlebte in Lhasa den Bau des Potala Palastes, war Schüler tibetischer und nepalischer Künstler und wurde zu einem der größten Meister des Bronzegusses. Figuren von Zanabazar – nicht weniger als fünf aus seiner Hand und eine ganze Anzahl weiterer von seinen Schülern aus der Sammlung Altangerel zeigt der Katalog – sind exemplarische Beispiele eleganter, harmonischer und friedvoller buddhistischer Plastik, Höhepunkte mongolisch-buddhistischer Kunst.

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