Entdeckungen in Innerasien – Zeitreisen zu verborgenen Kulturen

Autor/en: Christoph Baumer
Verlag: Akademische Druck- und Verlagsanstalt
Erschienen: Graz 2008
Seiten: 200
Ausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
Preis: € 29.90
ISBN: 978-3-201-01903-3
Kommentar: Michael Buddeberg, November 2008

Besprechung:
Abgesehen von dem Archäologen und Ethnologen Albert von Le Qoc hatten eigentlich nur wenige aus der ersten Generation von Entdeckern Innerasiens die beruflichen Voraussetzungen für ihr Tun. Während Aurel Stein als Archäologe oder Sven Hedin als gelernter Geograph noch ganz gut für ihre Entdeckungen gerüstet waren, konnten sich andere wie etwa Wilhelm Filchner, der Brite A.E.Pratt oder der Franzose Pierre Bonvalot nur mit der selbst gewählten Berufsbezeichnung des Forschungs- oder Entdeckungsreisenden schmücken. Russlands bedeutender Beitrag für die Erforschung Innerasiens wurde schließlich fast ausschließlich von Militärs geleistet, von Pjotr Koslow etwa und von Nikolai Prschewalski, der gar einen Generalsrang inne hatte. Nicht vergessen darf man auch den Beitrag der christlichen Missionare, die vielfach überhaupt die ersten waren, die diese unbekannten Landstriche betraten und darüber berichteten, wie beispielsweise der Franzose Régis Évariste Huc, und von denen nicht wenige ihre Neugier mit dem Leben bezahlen mussten. Diese Neugier und der unbändige Drang, allen Gefahren und Unwägbarkeiten einer terra incognita zu trotzen, und unbekannte Länder und Menschen zu entdecken waren ihnen allen gemein und waren die Triebkraft, die sie zu immer neuen Expeditionen aufbrechen ließen. Es ist dieselbe Neugier und Triebkraft, die den etablierten Marketingexperten Christoph Baumer im Alter von 44 Jahren seinen Beruf an den Nagel hängen ließ, um fortan auf den Spuren der ersten Generation von Reisenden Zentralasien neu zu entdecken. Zu spät, werden viele denken, was gibt es dort noch zu finden, die letzten weißen Flecken auf diesem Globus sind längst ausgefüllt und jeder Quadratmeter dieser Erde ist mit Mobiltelefon erreichbar und mit GPS definierbar. Die bisher erschienenen Bücher von Christoph Baumer über Entdeckungsreisen in Tibet, auf der alten Seidenstraße und in den Wüstengebieten Westchinas belegen das Gegenteil. Neugier, genaues Hinsehen und die Bereitschaft zum Ungewöhnlichen führen auch heute noch zu Entdeckungen und bescheren kleine und große Abenteuer. Das neue Buch von Baumer ist ein Rückblick auf ein gutes Jahrzehnt moderner Expeditionen, ein Kompendium all dieser erlebten Abenteuer und ein erstaunlicher Bericht über heute noch mögliche Entdeckungen. Es beginnt mit der Suche nach den Spuren früher Christen in Zentralasien, und Baumers Weg von der Türkei über Persien bis in die Mongolei führt zu einer kaum für möglich gehaltenen Anzahl von Enklaven der Nestorianer, ist voller Informationen über ihre Geschichte und ihre Gegenwart und unterhält mit den oft überraschenden Abenteuern und Anekdoten des Reisens in unserer modernen Welt. Der zweite Teil des Buches führt uns in das Land der Nomaden, wo noch heute Krankheiten mit schamanistischen Ritualen vertrieben und abgerichtete Adler auf die Jagd nach Hasen, Füchsen und Wölfen geschickt werden. Der Autor begleitet moderne Archäologen auf ihrer Suche nach dem Grab des Dschingis Khan, versucht das Rätsel der Hirschsteine zu lösen und berichtet über die alte und die neue Haupstadt der Mongolei, über Karakorum und Ulaan Baatar. In Tibet schließlich dürfen wir mit Baumer in unzugänglichen militärischen Sperrgebieten alte buddhistische Wandmalereien entdecken, die die chinesische Kulturrevolution als Kornspeicher überdauerten, erleben die Kora um den heiligen Berg Kailash im Winter, reisen zu den Klöstern der alten, vorbuddhistischen Bön-Religion und zu den räuberischen Golok-Nomaden. Dass diese ihr Handwerk seit Jahrzehnten aufgegeben haben und dass an ihrer Stelle die moderne Polizei Reisende drangsaliert und Wegelagerei betreibt, sei hier nur als ein Beispiel für die vielen Abenteuer genannt, die der Autor zu bestehen hatte. Die eigentliche Liebe Christoph Baumers aber gilt der Wüste Taklamakan. Und hier, in dieser wohl gefährlichsten aller Wüsten dieser Erde, gelingen dem Autor mit modernster Expeditionstechnik echte Entdeckungen, indem er die vor Jahrhunderten verlassenen, längst der Sandwüste überlassenen Oasenstädte Mazar Tagh und Dandan Oilik entdeckt. Es sind genau genommen Wiederentdeckungen, denn zuletzt waren dort Aurel Stein und Sven Hedin. Aber im Gegensatz zu den damaligen Entdeckern begleitet die Expedition heute ein chinesischer Archäologe aus dem Museum in Urumqi, der dafür sorgt, dass alle von Baumer gefundenen Schätze, Rest alter Wandmalereien, Architekturfragmente und vieles andere mehr wieder sorgfältig mit Sand bedeckt werden. Und um modernen Grabräubern das Handwerk zu erschweren, werden die Koordinaten dieser tief in der Wüste verborgenen Städte geheim gehalten. Und so schnell und leicht wird auch kaum jemand wieder dorthin kommen, denn die lebensgefährlichen Bedingen der Taklamakan, der Wüste, „die niemand wieder verlässt, der sie betritt“, haben sich seit den Zeiten Steins und Hedins nicht geändert. Schwarze Sandstürme, die verzweifelte Suche nach Wasser, lebensgefährliche Überquerungen von Salzsümpfen und Irrfahrten im Sandmeer haben auch Baumer heimgesucht. Doch – so sein Schlusswort – er wird seine Forschungen fortsetzen und so kann der Leser auf weitere moderne Expeditionsberichte gespannt sein.

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