Kizil on the Silk Road – Crossroads of Commerce and Meeting of Minds

Autor/en: Rajeshwari Ghose (Hrsg)
Verlag: Marg Publications
Erschienen: Mumbai 2008
Seiten: 140
Ausgabe: Hardbound mit Schutzumschlag
Preis: US-$ 65.–
ISBN: 978-81-85026-85-5
Kommentar: Michael Buddeberg, Mai 2008

Besprechung:
Albert von Le Coq, Direktor des Berliner Völkerkundemuseums und Chronograph der vier deutschen Turfan-Expeditionen, von denen er selbst zwei geleitet hatte, maß den Erfolg dieser Unternehmen an der Anzahl der Kisten mit Artefakten, die er von dort zurückbrachte. 46 Kisten waren das Ergebnis der ersten Expedition in den Jahren 1902/03, mehr als das Doppelte, nämlich 103 zählte man 1904/5 und die Expedition von 1905/07 konnte schon 128 Kisten nach Berlin expedieren. Die letzte dieser Expeditionen nach Mittelasien vermeldete dann den Rekord von 156 großen Holzkisten. Freilich, Le Coq war nicht der einzige, der Anfang des 20. Jahrhunderts in den Wüsten Zentralasiens nach den Resten untergegangener Kulturen suchte und er erwähnt selbst seine ebenfalls erfolgreichen Kollegen, etwa den britischen Forscher Sir Aurel Stein, dem ein Teil der riesigen Bibliothek von Dunhuang „in die Hände fiel“, oder den Franzosen Paul Pelliot, der so glücklich war, ebenfalls einen großen Teil der Manuskripte und Bilder aus Dunhuang „erwerben“ zu können. Keiner aber, auch nicht Sven Hedin, Langdon Warner oder der geheimnisvolle japanische Graf Otami, war so erfolgreich wie Le Coq, wenn es um das Ablösen von Wandmalereien aus den buddhistischen Höhlentempeln längs der Seidenstrasse ging, hatte er doch mit Theodor Bartus einen Techniker in seinem Team, dessen Geschicklichkeit im Absägen dieser empfindlichen Bilder sich offenbar von Expedition zu Expedition steigerte. So befanden sich in den Kisten, die nach Berlin kamen, sorgfältig in Stroh verpackte, große Fragmente der herrlichsten Wandmalereien aus Khocho, aus Bezeklik und vor allem aus dem Höhlentempelkomplex von Kizil, der in einem schwer zugänglichen Tal oberhalb der alten Königsstadt Kucha an der nördlichen Seidenstrasse gelegen war. Von den 14 in Xinjiang bekannten buddhistischen Höhlenanlagen mit über 800 zum Teil ausgemalten Höhlen und Grotten ist Kizil neben Dunhuang die bedeutendste. Wissenschaftler schätzen, dass die Malereien in Kizil einst eine Fläche von zehntausend Quadratmetern bedeckten. Knapp fünfhundert davon gelangten Anfang des 20. Jahrhunderts in zahlreiche Museen, allen voran in das Museum für Indische Kunst in Berlin (heute Museum für Asiatische Kunst), das knapp 400 Fragmente mit insgesamt 328 Quadratmetern besitzt. Dass diese heute an Ort und Stelle fehlen, wird einem beim Studium des Buches über Kizil, das soeben in der Schriftenreihe von Marg Publications erschienen ist, schmerzlich bewusst. Überall gähnen freie Flächen und was sich noch an Ort und Stelle befindet, ist meist in einem beklagenswerten Zustand, doch das ist ein anderes Thema. Die in alle Welt verstreuten Funde von Kizil, das sind neben den Wandmalereien vor allem wertvolle Manuskripte in mehr als zwanzig Sprachen, waren im Laufe der vergangenen Jahre in zahlreichen Museen und Instituten Grundlage der Forschung und neu gewonnener Erkenntnisse. Diese zu bündeln und zu verwerten ist das Ziel dieser zehn wissenschaftliche Beiträge umfassenden Publikation. Dabei steht im Vordergrund die seit jeher umstrittene zeitliche Einordnung von Kizil in die buddhistische Kunst Zentralasiens, die Entstehung und Abfolge der dort vorgefundenen Malstile und deren Inhalte. Es versteht sich, dass dabei C14-Datierungen, die etwa an zahlreichen der Berliner Fragmente vorgenommen wurden, ganz im Vordergrund und – wegen der für den gesuchten historischen Zusammenhang oft viel zu großen zeitlichen Spannen – auch in der Kritik stehen. So ist sich die Wissenschaft auch heute noch nicht darüber einig, ob die Malereien und Manuskripte zwischen dem 6. und 8. Jahrhundert, oder, wozu die moderne chinesische Forschung tendiert, einem sehr viel größeren Zeitfenster, vom 3. bis zum 10. Jahrhundert, zuzuordnen sind. Ähnlich unklar ist, welche Richtungen des Buddhismus in Kucha und Kizil eigentlich praktiziert wurden und in den Malereien zum Ausdruck kamen: Hinayana, Mahayana, Theravada, alles zusammen oder nacheinander oder auch Mischformen? Rätselhaft aber unverkennbar sind schließlich westliche, hellenistische Einflüsse und die Rolle der Manichäer und Nestorianer bei der Entstehung und Ausmalung von Kizil. Bestimmte, immer wieder dargestellte Göttergestalten und deren Funktion und Bedeutung, etwa Maitreya oder Vairochana werden ebenso untersucht wie die an den Decken der Höhlentempel häufig vorkommende Kombination von Sonnen-, Mond-, Wind- und Regengottheiten mit dem Menschenvogel Garuda und Wildgänsen im Formationsflug,? Abbilder himmlischer Figuren und Symbol des buddhistischen Kosmos.? Weitere Beiträge befassen sich mit den literarischen Quellen der narrativen Malereien, bei denen die Jatakas, die Legenden aus Buddhas Leben und darin die Sutra vom Weisen und vom Narren, ganz im Vordergrund stehen. Was sich allerdings wie ein roter Faden durch alle Beiträge und ihre Illustrationen hindurchzieht, ist der beklagenswerte Zustand der Wandmalereien. Der Herausgeber mahnt dringlich, dass ohne rasche fachmännische Aktionen nicht nur frühe asiatische Maltraditionen, sondern auch ein faszinierendes Kapitel kulturellen Austausches im ersten Jahrtausend für immer verloren sein werden. Die Höhlentempel von Kizil haben jahrhundertelanger Zweckentfremdung, dem Vandalismus religiöser Eiferer und den zerstörerischen Roten Garden ebenso widerstanden wie der archäologischen Plünderung durch europäische Entdecker am Anfang des 20. Jahrhunderts. Heute besteht die große Gefahr für die sensiblen Reste der Malereien vor allem in dem lawinenhaft zunehmenden Tourismus, gefördert durch den Flughafen in Kucha, die unproblematische Zufahrt in das Tal von Kizil und den erst am Anfang stehenden innerchinesischen Massentourismus. Die immer wieder gestellte Streitfrage nach der Berechtigung der Entfernung dieser Kunst- und Kulturgüter von ihrem angestammten Platz durch Le Coq und Co tritt angesichts dieser Bedrohung fast in den Hintergrund.

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