Nomadenkunst – Ordosbronzen der Ostasiatischen Kunstsammlung Berlin

Autor/en: Svend Hansen (Hrsg)
Verlag: Verlag Philipp von Zabern
Erschienen: Mainz 2007
Seiten: XXVIII, 102
Ausgabe: broschiert
Preis: € 29.90 (im Museum: € 19.90)
ISBN: 978-3-8053-3812-7
Kommentar: Michael Buddeberg, November 2007

Besprechung:
Wer kennt sie nicht, die großen Klassiker der Reiseliteratur, Sven Hedins Durch Asiens Wüsten, Erich von Salzmanns Im Sattel durch Zentralasien, Piotr Kozlovs Die Tote Stadt, Wilhelm Filchners Bismillah! und schließlich auch Peter Flemings Tataren-Nachrichten. Sie alle sind aus höchst unterschiedlichen Gründen zu ihren Abenteuern aufgebrochen und so suchten und fanden sie nicht dasselbe. Und dennoch, ihre Berichte ähneln sich in der Beschreibung dieses grandiosen Kaleidoskops an Landformen und der Mittel und Wege, darin zu reisen. Tiere spielten dabei stets eine ganz wesentliche Rolle: Als Wild, das gejagt werden konnte, als Transportmittel oder als mitgeführter Lebendproviant. Auf Pferden, Eseln und Kamelen wurde geritten, Ziegen und Schafe wurden mitgeführt und die Beherrschung des Jagdhandwerks war lebensnotwendig. So nimmt es nicht wunder, dass Kunstgegenstände mit Jagdmotiven, also Darstellungen von Beute- und Raubtieren gerade in der Zeit der großen Entdeckungsreisen nach Ost-Zentralasien so populär waren. Die Zeit des erwachenden geographischen und historischen Forschungsinteresses an diesem Raum war auch die Zeit der Suche nach diesen kleinformatigen Kunstobjekten, die man den alten Nomadenvölkern zuschrieb. Für diese kunstvollen und liebenswerten kleinen Zeugnisse des Tierstils der eurasischen Steppe steht seither nach dem oft nur vermeintlichen Fundort in der inneren Mongolei der Name „Ordosbronzen“. Heute weiß man, dass das Herkunftsgebiet dieser Kleinkunstwerke vom Gelben Meer bis zum Altaigebirge und darüber hinaus noch weiter nach Westen reicht. Stilistische Vergleiche und metallurgische Untersuchungen der chemischen Zusammensetzung der Bronzen erschließen mehr und mehr die zeitliche und räumliche Eingrenzung und die funktionale und soziale Verwendung der Objekte. Der kleine Katalog der anlässlich der Skythen-Ausstellung in Berlin gezeigten Sammlung des deutschen Diplomaten Hans Bidder gibt in der Beschreibung, Datierung und Lokalisierung der 105 Objekte den aktuellen Stand der Forschung wieder und ist daher ein wichtiges Buch über dieses in der Literatur meist nur beiläufig behandelte Sammelgebiet – sieht man von dem Katalogbuch von Emma Bunker zu einer Ausstellung in New Yorker Metropolitan Museum (2002/3, sh. im Archiv) einmal ab. Hans Bidder war mit kurzen Unterbrechungen von 1924 bis 1950 als Diplomat in China und wurde vornehmlich bekannt durch seine Sammlung ostturkestanischer Teppiche. Das Buch das er über diese schönen Teppiche aus Khotan, Samarkand und Kansu schrieb ist bis heute das Standardwerk zum Thema geblieben. Seine Sammlung von „Ordosbronzen“, die Roger Goepper schon 1965 von Hans Bidders Witwe Irmgard für das Berliner Ostasiatische Museum erwerben konnte, blieb weitgehend unbekannt. Hans Bidder hatte sie nach und nach im Kunsthandel – wohl überwiegend in China -, also ohne Kenntnis des kaum je dokumentierten Fundzusammenhangs erworben. Die Sammlung zeigt eine erstaunliche Breite in der Art der Objekte, in Tierdarstellungen und Stilformen und lässt so erkennen, dass es dem Sammler darum ging, die ganze Faszination dieser nomadischen Kleinkunst aufzuzeigen. Vergoldete Pferdeplaketten, wohl als Schmuck für die Bekleidung verwendet, ein so genanntes „Rolltier“, eine zu einem Ring zusammengerollte Raubkatze und ein mit Türkisen eingelegter Wolf gehören zu den schönsten Stücken. Von erlesener künstlerischer Qualität ist auch eine Gürtelgarnitur mit katzenartigen Raubtieren, die einen Wildesel oder ein Wildpferd gerissen haben. Eine Plakette mit dem beliebten Motiv kämpfender Pferde steht ihr an Eleganz der Darstellung nicht nach, ebenso wie mehrere Hirschplaketten. Esel, Steinbock, Wolf und Tiger, Bären und manche bis zur Unkenntlichkeit stilisierte Raub- oder Beutetiere vervollständigen das Bestiarium der Tierkunst. So genannte Compartimentsiegel, zeitlich wesentlich früher als die Ordosbronzen, wurden wegen ihrer Kreuzform zunächst für christliche Symbole eines nestorianischen Mongolenstammes angesehen. Heute datiert man sie spätestens in die Mitte des zweiten Jahrtausends vor Chr. Sie gehören zu den frühesten Swastika-Darstellungen. Das Geheimnis ihrer wahren Herkunft ist aber noch nicht gelöst und ihr Auftauchen in Nordchina und damit die Zugehörigkeit zur Sammlung Hans Bidder mag der Mitwirkung geschäftstüchtiger Antiquitätenhändler der 1920er und 1930er Jahre zu verdanken sein. Mit dieser offenen Frage klingt der Katalog aus.

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