Collecting Textiles – Patrons, Collections, Museums

Autor/en: Margherita Rosina (Hrsg)
Verlag: Fondazione Antonio Ratti, Umberto Allemandi
Erschienen: Como Turin London New York 2013
Seiten: 200
Ausgabe: Klappenbroschur
Preis: € 26,00
ISBN: 978-88-422-2234-7
Kommentar: Michael Buddeberg, Februar 2014

Besprechung:
Zum Gedenken an ihren Mäzen und Gründer hat die Fondazione Antonio Ratti in Como zehn Jahre nach dem Tode des Cavaliere Antonio Ratti (1915-2002) zwölf Referenten aus italienischen, europäischen und amerikanischen Museen und Institutionen gebeten, über das Thema „Sammeln von Textilien“ zu sprechen. Der reich illustrierte Band mit der Publikation der Vorträge liegt nun vor und ist ein Buch, das jedem Liebhaber und Sammler antiker Textilien wegen der Fülle an Informationen, vor allem aber der Anregung zum Besuch weniger bekannter Museen unbedingt zu empfehlen ist. Natürlich beginnt die Reihe der Beiträge mit einer Hommage zur Person von Antonio Ratti und einer Würdigung seines Lebenswerkes aus der Feder von Francina Chiara. Schon immer dem Textildesign verbunden hat Antonio Ratti nach dem zweiten Weltkrieg in Como eine außerordentlich erfolgreiche und innovative Seidenproduktion begonnen, die bis heute vor allem beim Design eine führende Rolle spielt. Vorbild war alles, was der Kunst liebende Unternehmer in Museen entdeckte und so war der Weg zum Aufbau einer Sammlung als Anregung für die eigene industrielle Produktion nicht weit. Der Erwerb der bedeutenden Privatsammlung Marco Polacco, bestehend aus etwa 900 historischen Textilien im Jahre 1968 war ein Anfang, dem ein rascher Ausbau der Sammlung folgte. Schwerpunkte sind europäische Samte, koptische Textilien, figürliche Seiden des 18. Jahrhunderts, Kaschmir-Schals aus indischer und europäischer Produktion und eine bedeutende Kollektion historischer Musterbücher aus Lyoner Seidenwebereien. 1985 gründete er die Fondazione Antonio Ratti, die auch Träger des 1998 eröffneten Museo Studio del Tessuto in Como ist. Das größte Denkmal aber setzte sich Antonio Ratti nicht in seiner Geburtsstadt Como, sondern in einer fernen Metropole, an deren kulturellem Leben er immer regen Anteil nahm. Das Antonio Ratti Textile Center am Metropolitan Museum of Art in New York konnte aufgrund seiner Initiative und seines Mäzenatentums 1996 eröffnet werden und es hat Probleme, die jedes Museum kennt, mit einem enormen logistischen und finanziellen Aufwand glänzend gelöst: Raum und Einrichtungen für die Lagerung, Reinigung, Konservierung und das Studium von 33.000 Textilien und 35.000 Teilen der Kostümsammlung. Thomas P. Campbell, seit 2008 Direktor des größten Museums der Welt, berichtet mit erstaunlichen Zahlen über die eindrucksvolle Textil- und Teppichsammlung des Metropolitan Museum und die Leistungsfähigkeit des Antonio Ratti Textile Center. Was dann folgt ist ein buntes Kaleidoskop zu den Themen Sammeln und Bewahren von Textilien, Portraits bekannter und weniger bekannter Sammler und Sammlerinnen, Berichte über die Geburt, das Wachsen und die Ziele von Museen bis zu den Problemen der musealen Präsentation dieses empfindlichen Kulturgutes. Es beginnt mit dem Sammler Jakob Krauth (1833-1890), einem Zeitgenossen des als „Scherenbock“ bekannt gewordenen Kanonikus Franz Bock (1823-1899), der wie jener gerne zur Schere griff, um seine Textilien zu vervielfältigen. Annette Schieck, die neue Leiterin des Deutschen Textilmuseums in Krefeld erzählt im Rahmen der Vorstellung der wechselhaften Geschichte dieses Museums von einer fast kriminalistischen Spurensuche nach den Wurzeln der Sammlung, zu denen auch die Kollektion von Jakob Krauth gehört. Ein Jahrhundert nach Krauth hat die Nichte des indischen Nobelpreisträgers Rabindranath Tagore, die in Paris lebende und mit einem französischen Finanz-Tycoon verheiratete Krishna Riboud (1926-2000) eine einzigartige Sammlung asiatischer Textilien zusammengetragen und dem Pariser Musée Guimet vermacht. Die Geschichte der Sammlerin Krishna Riboud, die mit der Liebe zu indischen Textilien begann, sich mit einem immer tieferen wissenschaftlichen Interesse an der Konstruktion ihrer Textilien fortsetzte und schließlich in einer Sammlung kulminierte, die alle Web- und Färbetechniken Asiens beinhaltet, erzählt Aurélie Samuel vom Musée Guimet. Nahezu unbekannt ist der Turiner Unternehmer Riccardo Gualino, dessen reiche Kunstsammlungen auch historische Textilien umfassten. 1929 kollabierte sein wirtschaftliches Imperium, seine Sammlungen wurden zerschlagen und die Textilien finden sich heute in vielen bekannten privaten und öffentlichen Kollektionen, unter anderem in der Abegg-Stiftung. Maria Paola Ruffino vom Turiner Museo Civico d´Arte, das einige osmanische Samt-Kissen des 16. und des 17. Jahrhunderts aus der Sammlung Gualino besitzt, unternimmt den Versuch einer Rekonstruktion dieser bedeutenden Sammlung. Seth Siegelaub (1960-2013), ein Multitalent des internationalen Kunstbetriebes, Gründer der Stichting Egress Foundation in Amsterdam, war mehr als an den Original-Textilien an ihrer gedruckten Reproduktion interessiert oder, mit anderen Worten, er sammelte Textilliteratur und war Herausgeber der Bibliographica Textilia Historiae. Der Beitrag des 2013 verstorbenen Seth Siegelaub ist eine mit ungewöhnlichen Textilobjekten illustrierte Geschichte der Textilliteratur. Schließlich begleiten wir mit Angela Völker die Geburt und das Wachsen der Textilsammlung des Wiener Museums für Kunst und Industrie, heute das Museum für Angewandte Kunst (MAK) und erfahren, wie auch dieses Museum ohne private Sammler und deren Schenkungen kaum seine heutige Bedeutung hätte erlangen können. Mit Filippo Guarini kommt das Museo del Tessuto in Prato zu Wort, das heute in einer historischen Textil-Mühle im Herzen von Prato residiert, und Eulàlia Morrali Romeu erzählt von katalonischen Sammlern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts und den daraus entstandenen Museen in Barcelona und vor allem in Terassa (Centre de Documentació i Museu Tèxtil). Von Jacqueline Jacqué erfahren wir über den erstaunlichen Bestand des Musée de l´Impression im französischen Mühlhausen, dessen Sammlung von ca. 70.000 bedruckten Textilien auch eine große Anzahl indischer Stoffe für den europäischen Markt umfasst, und dass sich Designer von Hermès bis IKEA noch heute aktuelle Anregungen aus Mühlhausen holen. Über die Schwierigkeiten und Herausforderungen in der Präsentation von Textilien berichten Magdalena Droste von der Brandenburgischen Universität in Cottbus (Historische Ausstellung von Bauhaus-Textilien) und Sonnet Stanfill von Victoria & Albert Museum (gemeinsame Präsentation von Textilien und Mode). Collecting Textiles ist eine Fundgrube an Information, ein Muss für jeden Textilfreund und ein Lesevergnügen par excellence.

Print Friendly, PDF & Email