Altarpracht in Regensburg – Die Paramente und das wiederentdeckte Schatzbuch von St. Emmeram, 17. bis 20. Jahrhundert

Altarpracht in Regensburg – Die Paramente und das wiederentdeckte Schatzbuch von St. Emmeram, 17. bis 20. Jahrhundert

Autor/en:         Matthias Mayerhofer

Verlag:            Hirmer Verlag

Erschienen:     München 2022

Seiten:             360

Buchart:          Hardcover im Schmuckschuber

Preis:               € 128,00

ISBN:             978-3-7774-3913-6

Kommentar:    Michael Buddeberg

 

Nimmt man den berühmten mittelalterlichen, mit Juwelen geschmückten Altar der Stiftskirche von St. Emmeram in Regensburg, auf dem ein aus dem Gold der Kronen Karls des Großen (747/8-814), Karlmanns (von 876 bis 880 König von Bayern) und des Kaisers Arnulf von Kärnten (um 850-899) gefertigtes Altarkreuz zu sehen war, zum Maßstab, so muss die Ausstattung dieser Klosterkirche denkwürdig gewesen sein. Doch der Dreißigjährige Krieg forderte seinen Tribut und 1633 mussten die wertvollsten Teile dieses Altars zur Vermeidung einer drohenden Brandschatzung hingegeben werden. Nur neun Jahre später verschuldete ein Maurer eine Feuerkatastrophe und St. Emmeram brannte mit allem verbliebenen Inventar bis auf die Grundmauern nieder. Beim Wiederaufbau in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde gemäß dem Rang und der Bedeutung des kaiserlichen Stifts und Benediktinerklosters an Nichts gespart; die Gebrüder Asam schufen im Auftrag des Fürstabts Anselm Godin de Tampezo im Inneren des Kirchenraumes ein Meisterwerk in den verschwenderischen Formen und Farben des Rokoko. Entsprechender Aufwand wurde für die textile Ausstattung von Kirche und Klerus betrieben. Allerdings gingen die gewiss prachtvollen Baldachine und Antependien in den Wirren der Säkularisation verloren, während die seit damals von den Äbten erworbenen oder in Auftrag gegebenen Paramente weitgehend erhalten blieben und das Beste repräsentieren, was europäische Webereien herzustellen vermochten.

Das schon 2022 bei Hirmer in kleiner Auflage (300 Exemplare) erschienene Buch über den Paramentenschatz von St. Emmeram erfasst diesen bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts und ermöglichst so einen Überblick über die Stilentwicklung kostbarer Webstoffe und gestickten Besatz über einen Zeitraum von mehr als drei Jahrhunderten. Die Säkularisation am Anfang des 19. Jahrhunderts schafft hier eine natürliche Zweiteilung des Bestandes, gleichsam ein „vorher“ und ein „nachher“, dem auch der Katalogteil Rechnung trägt, indem er zwischen den Paramenten des 17. und 18. Jahrhunderts und denen des 19.und 20. unterscheidet. Das Vorher ist geprägt durch reiche Ornat-Ensembles mit jeweils mehreren Kaseln, Dalmatiken, Pluvialen, Stolen, Manipeln und weiteren Paramentbestandteilen aus dekorativen, großgemusterten und bunten Seidengeweben mit bestickten Besatzteilen, ganz dem Zeitgeist des Barock und Rokoko verhaftet, während im Nachher neben einigen weniger reich ausgestatteten Ornaten Einzelteile mit eher zurückhaltender Erscheinungsform, dunkleren Farben und bescheidenerer Ausstattung dominieren, wenn auch Ausnahmen diesen pauschalen Eindruck bestätigen. Auch die Herkunft der Paramente unterliegt dieser zeitlichen Zäsur: Die frühen Paramente sind, soweit bekannt, Stiftungen der Fürstäbte, während im 19. und 20. Jahrhundert Erwerbungen der Pfarrer und Zuwendungen von außen – hier ist vor allem das Fürstenhaus Thurn und Taxis zu erwähnen – den Bestand mehren.

Die textiltechnischen Beschreibungen sind vollständig, entsprechen aber in einem durchaus wichtigen Punkt nicht immer dem aktuellen wissenschaftlichen Standard der Publikation von textilen Kirchenschätzen. So ist die Herkunft der Seidenstoffe, sei es nun Italien, Frankreich oder Deutschland, fast durchweg mit einem „vermutlich“ relativiert. Umso sorgfältiger sind die verbalen Beschreibungen der Muster und Dekore, das Schicksal der Paramente vom Eingang in den Bestand bis heute und vor allem deren liturgischer Gebrauch nicht nur im Kirchenjahr sondern über die Jahrhunderte hinweg. Diesem Schwerpunkt in der Darstellung der einzelnen Objekte entsprechen die einleitenden Kapitel über die Geschichte des Reichsstifts St. Emmeram bis zu seinem Untergang in der Säkularisation und vor allem über die liturgischen   Zeremonien und die Bedeutung und den konkreten Gebrauch der dort verwendeten Paramente.

Zu diesem Kontext gehört das hier ebenfalls publizierte Schatzbuch von St. Emmeram, das jedenfalls seit 1877 gemäß einem datierten Katalog der Bayerischen Staatsbibliothek dort verwahrt wird und wohl um die Mitte des 18. Jahrhunderts von dem damaligen Fürstabt Johannes Babtist Kraus (1742-1762) in Auftrag gegeben wurde. Seine Bedeutung ergibt sich daraus, dass der dort in sorgfältigen farbigen Zeichnungen dokumentierte Schatz von Reliquiaren, Altarkreuzen, Leuchtern, Weihrauchfässern, Lavabo- und Messkännchengarnituren und zahlreichen Kelchen mit Patenen, meist aus vergoldetem Silber und oft mit Juwelen besetzt, die Zeitläufte nicht überdauert hat, sondern eingeschmolzen wurde oder spätestens im Zuge der Säkularisation ein unkirchliches Schicksal erfuhr. Zusammen mit den Textilien, dem reichen Paramentenschatz, ergibt sich damit ein eindrucksvolles, außergewöhnliches und lebendiges Bild einer kirchlichen katholischen Prachtentfaltung, die kaum ihresgleichen hat.

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