Kölner Bortenweberei im Mittelalter – Corpus Kölner Borten

Autor/en: Marita Bombek, Gudrun Sporbeck
Verlag: Verlag Schnell und Steiner
Erschienen: Regensburg 2012
Seiten: 300
Ausgabe: Hardcover
Preis: € 89
ISBN: 978-3-7954-2533-3
Kommentar: Michael Buddeberg, Mai 2012

Besprechung:
Köln, Kirche und Kommerz stehen seit jeher in inniger Verbindung. Die Rede ist hier nicht von der symptomatischen Nachbarschaft von Kölner Dom und Hauptbahnhof, sondern von der mehr als ein Jahrtausend währenden Prägung Kölns als Erzbistum und Handelsmetropole. Machtvolle Bischöfe und reiche Handelsherren bestimmten seit dem Mittelalter das Bild der Stadt. Ein sichtbares Zeichen dieser Symbiose waren Luxustextilien, für die in Köln mindestens seit dem 11. Jahrhundert Bedarf und Angebot vorhanden war. Luxusstoffe für prachtvolle Gewänder im liturgischen Gebrauch und für kostbare Raumausstattung der zahlreichen Kölner Kirchen sowie der wohlhabenden Privathäuser gehörten zu den wichtigsten Waren des florierenden Kölner Fernhandels. Seidenstoffe und Damaste der Seidenstrasse, orientalische Goldbrokate und byzantinische Schmuckborten aus Venedigs Levantehandel, Seiden aus Lucca, englische oder spanische Wolle, Tuche und Leinen aus Flandern und Felle aus Nowgorod oder Skandinavien war begehrtes Kölner Kaufmannsgut für kirchliche und weltliche Verwendung. Und spätestens seit dem 13. Jahrhundert ist in Köln eine eigene Produktion von Luxustextilien für den kirchlichen Bedarf nachweisbar, die Herstellung von kostbaren, aus Goldfäden und Seide gewebten und gestickten Schmuckborten. Diesen Kölner Borten – den Begriff prägte der Aachener Kanonikus Franz Bock, Sammler und Händler früher textiler Kunst im 19. Jahrhundert – ist ein Buch gewidmet, das aufgrund der Fülle des untersuchten Materials und der eingehend und in wissenschaftlicher Tiefe dargestellten Geschichte, Genese und Technologie dieser Borten als das große Standardwerk zu diesem Thema gelten kann. Gegenstand der Untersuchung ist der „Corpus Kölner Borten“, das ist der mit insgesamt 180 Objekten von kleinen und größeren Fragmenten bis zu vollständigen Paramenten wie Kasel oder Dalmatik mit Bortenbesatz weltweit bedeutendste Bestand dieser Spezies aus Kölner Museen, Kirchen und einigen privaten Sammlungen. Als charakteristisch und einzigartig für diese regelmäßig als Samitgewebe ausgeführten Borten gilt der Wechsel von Ornamenten und Inschriften, die in leuchtend farbiger Seide vor goldenem Hintergrund stehen. Die Inschriften verweisen, meist in gotischen Minuskeln, auf Jesus und Maria, während die Ornamente aus verschiedenartigen Rosetten und aus Blütenbäumen, Marienkranz und Lebensbaum bestehen; häufig sind auch Wappenschilder und Namen des Stifters eingewebt. Auch Borten mit farbigen Streifen und Ornamentbändern, diese häufig mit Schachbrettmustern, sind anzutreffen. In späteren Borten aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts finden sich dann auch figürliche Darstellungen von Heiligen sowie Kreuzigungsszenen und andere Bilder aus der Bibel. Dem Katalogteil mit allen textiltechnischen Angaben, genauer Beschreibung und farbiger Abbildung jedes der zum Teil bisher unveröffentlichten Objekte sind drei Essays vorangestellt. In dem Beitrag von Marita Bombek, Professorin für Kunst und Kultur von Textilien und viele Jahre Leiterin der Abteilung Textilwissenschaft am Institut für Kunst und Kunsttheorie der Universität zu Köln stehen wirtschafts- und stadtgeschichtliche Aspekte der Bortenweberei im Vordergrund. Die schon frühzeitig als schmückende Zutat von Paramenten weit über die Grenzen Köln hinaus hochbegehrten und berühmten Borten wurden im Umfeld strenger Zunftorganisationen von Seidenwebern, Goldspinnern, Wappenstickern aber auch in Klöstern und Konventen hergestellt. Die typischen Motive und der Goldgrund ermöglichen die sichere Zuweisung solcher Borten nach Köln. Gudrun Sporbeck, Leiterin des Kölner Instituts für historische Textilien, berichtet ausführlich über den Beginn und heutigen Stand der kunsthistorischen Erforschung der Kölner Borten, über die erste Ausstellung dieser Textilspezialität im Jahre 1928 im damaligen Kölner Kunstgewerbemuseum und die nur spärliche, in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts hierzu erschienene Literatur. Aufgrund eines hochrangigen, erst vor kurzer Zeit entdeckten Reliqienfundes, der das ganze Spektrum kölnischer Textilproduktion des 13. und 14. Jahrhunderts abdeckt, vermag sie darzulegen, dass die Bortenweberei eingebettet ist in die vielgestaltigen Zweige und Techniken eines florierenden mittelalterlichen Kölner Textilgewerbes. Für den an textilen Techniken Interessierten ist schließlich die genaue textiltechnische Untersuchung der Kölner Borten durch die Diplomrestauratorin Monika Nürnberg bestimmt, die in ihrem Beitrag zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kölner Borten auch in textiltechnischer Hinsicht eine große homogene Objektgruppe sind. Das Ergebnis aller drei Essays – neben anderen – dass Kölner Borten wirklich aus Köln stammen, mag trivial erscheinen. Berücksichtigt man jedoch, dass so gut wie keine der erhaltenen Borten in einem überlieferten Zusammenhang erhalten ist, dass es sich zum großen Teil um Fragmente handelt oder um Paramente, die im 19. bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus jüngeren Gewandstoffen und historischen Borten zusammengestellt wurden, gewinnt das Ergebnis wissenschaftlich an Gewicht. Es wird durch die Kasel des großen Kirchengelehrten und heilig gesprochenen Albertus Magnus (1200-1280), die sich aufgrund ihres Reliqiencharakters in der ehemaligen Stiftskirche St. Andreas in Köln in der originalen mittelalterlichen Gewandkonzeption erhalten hat, bestätigt. Die vielen Fragmente schließlich scheinen zu bestätigen, dass der schon genannte Franz Bock, der ganz am Beginn der Sammlungsgeschichte der Kölner Borten stand, seinem Ruf als „Scherenbock“ folgend, auch bei diesen Objekten zum Zwecke ihrer Vervielfältigung zur Schere gegriffen hat.

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