Flachgewebe aus Westanatolien – 5. Nienburger Teppich- und Kelimsymposium

Autor/en: Karl-Michael Plötze, Stefan Schulz (Hrsg)
Verlag: Textil Symposium Karl-Michael Plötze
Erschienen: Nienburg 2011
Seiten: 193
Ausgabe: Gebunden mit beschrifteten Karton
Preis: € 35.–
ISBN: ohne
Kommentar: Michael Buddeberg, Februar 2012

Besprechung:
Es ist in diesen Jahren ein wenig still geworden um den anatolischen Kelim. Auf der ICOC (International Conference on Oriental Carpets) in Istanbul 2007 war zwar eine Sammlung anatolischer Kelims ausgestellt, doch kein wissenschaftlicher Vortrag hatte sich diesem Thema gewidmet. Auch die XII ICOC in Stockholm im Sommer 2011 hatte zum anatolischen Kelim kaum Neues beizutragen. Die vor allem in den letzten zwei Dekaden des 20. Jahrhunderts aktiven Sammler haben ihre Sammlungen weitgehend abgeschlossen und publiziert; neue, junge Sammler sind kaum in Sicht. Sehr zu Unrecht, denn der anatolische Kelim hat nichts von seinem Reiz verloren und nichts von der geheimnisvollen Aura, die die Entstehung, Vielfalt, Ästhetik und Bedeutung seiner Muster umgibt. Ausnahmen bestätigen daher die Regel und eine dieser Ausnahmen ist Karl-Michael Plötze und der Kreis von Liebhabern anatolischer Kelims, den er wieder und wieder anlässlich seiner Nienburger Teppich- und Kelimsymposien um sich schart. Im September 2009 rief er zum fünften, diesmal den Flachgeweben Westanatoliens gewidmeten Symposium und pünktlich nach zwei Jahren wurde der stattliche und reich illustrierte Symposiumsband vorgelegt. Er ist, wie der Mitorganisator des Symposiums und Mitherausgeber Stefan Schulz in seinem Vorwort anmerkt, weder ein repräsentativer Bildband noch eine Monographie, sondern eine Dokumentation von Verlauf, Diskussionsstand und Ergebnis des Symposiums dessen zentrales Thema der Versuch einer Begriffsbestimmung der so vielfach benutzten Herkunftsbezeichnung Aydin bzw. Aydinli gewesen ist. Die drei wiedergegebenen Referate von Doris Pinkwart und Elisabeth Steiner, von Werner Brändl und von Karl-Michael Plötze geben Zeugnis vom Stand der Feldforschung, die erst spät, zu spät muss man feststellen, einsetzte, die also lückenhaft ist und dies wohl auch für immer bleiben wird. Dies und das fast vollständige Fehlen zuverlässiger Primärquellen steht in einem eklatanten Missverhältnis zu den immer exakteren Herkunfts- und Altersangaben, wie man sie in der Literatur und im Handel antreffen kann. Tatsächlich – so lautet eines der Ergebnisse des Symposiums – läßt sich ein Zusammenhang zwischen den heute weitgehend als Konvention akzeptierten Provenienzangaben und der wirklichen Herkunft eines Stückes kaum noch überprüfen. In Bezug auf die Aydin-Kelims kommt Stefan Schulz daher zu dem etwas provozierenden Ergebnis, dass ein „Aydin“ das ist, was ein durchschnittlich informierter Kelimfreund dafür hält. 86 ganzseitig wiedergegebene Kelims, fast alle mit sorgfältigen Strukturanalysen und mit Literatur- und sonstigen Angaben und 56 weitere, in kleinerem Format abgebildete Vergleichsstücke bilden ein überaus reiches Anschauungsmaterial sowohl zu großgemusterten „Kult-“ wie auch zu einfachen Streifenkelims, die alle in ihrer Gesamtheit nicht exakter als eben „aus Westanatlien“ betitelt werden können. Ein sehr ernsthaftes und verdienstvolles Werk, das jeder Kelimfreund mit Gewinn lesen wird und das für den Versuch einer Herkunftsbestimmung neu aufgefundener Stück eine wertvolle Hilfe leisten kann. (Das Buch nebst einer CD kann zum Selbstkostenpreis von € 35.– zzgl. Porto und Verpackung von Karl-Michael Plötze, Uhlandstr.6, 30890 Barsinghausen, kamiploetze@t-online.de, bezogen werden).

Print Friendly, PDF & Email