Persian Rugs and Carpets – The Fabric of Life

Autor/en: Essie Sakhai
Verlag: Antique Collectors Club
Erschienen: Woodbridge Suffolk 2008
Seiten: 448
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 55.– englische Pfund
ISBN: 978-1-85149-507-8
Kommentar: Michael Buddeberg, August 2008

Besprechung:
Im Jahre 1949 gelang dem russischen Archäologen Rudenko ein sensationeller Fund, der dazu führte, dass alle Literatur über die Geschichte des Orientteppichs zur Makulatur wurde. Im Hügelgrab eines skythischen Fürsten, einem der so genannten Kurgane, der durch einen frühen Wassereinbruch innen völlig vereist war, konnte Rudenko neben vielen wertvollen Artefakten auch einen fast vollständig erhaltenen wollenen Knüpfteppich bergen. Dieser nach seinem Fundort im Altai-Gebirge „Pazyryk“ genannte Teppich aus dem 5. oder 4. Jahrhundert v.Chr. ist von erstaunlicher handwerklicher Qualität und Feinheit, in Aufbau und Muster eine ästhetisch-künstlerische Meisterleistung und gewiss das Ergebnis einer noch sehr viel älteren Knüpftradition. Seither rätselt die Wissenschaft über die wahre Herkunft dieses Teppichs. Waren es skythische Handwerker, die den Tierstil der Steppe auf einen Teppich übertrugen, war es ein armenischer Meisterknüpfer, der dieses Kunstwerk schuf oder waren es unterworfene Turkvölker, die schon damals eine solche textile Tradition hatten? Ohne weitere Funde, die wie bei einem Mosaik allmählich ein Bild früher Knüpfkunst formen, wird die Herkunft des Pazyryk Teppichs wohl ein Rätsel bleiben. Nicht so allerdings für den in London lebenden persischen Teppichhändler Essie Sakhai, für den es aufgrund Struktur und Stil keinen Zweifel gibt, dass der Pazyryk in Persien entstanden ist. Auch das Argument, dass die auf der inneren Bordüre dargestellten Tiere – offenbar eine nordische, dem heutigen Ren nahe stehende Hirschart – in Persien unbekannt sind, vermag den Autor nicht zu erschüttern, finden sich doch auf persischen Bildteppichen des 19. und 20 Jahrhunderts auch Tiger, Elefanten, Giraffen und andere exotische, in Persien nicht heimische Tiere. Man mag von diesem Argument halten, was man will, jedenfalls schlägt der Autor damit elegant einen Bogen zu dem Thema, dem er sein Buch widmet, dem hochwertigen persischen Teppich von der Mitte des 19. bis zum dritten Quartal des 20. Jahrhunderts. Damit liegt das Buch nicht gerade im Trend, denn das Interesse von Sammlern und Experten hat sich mehr und mehr dem ursprünglichen nomadischen oder dörflichen Teppich zugewandt. Auch Innenarchitekten und Ausstatter haben nach einer „Teppichphase“ in der letzten Dekade des 20. Jahrhunderts den Teppich als Objekt repräsentativen Wohnens wieder vergessen und überhaupt liegt die Blütezeit des persischen Teppichs unbestritten im 16. und 17. Jahrhundert. Dennoch, das prachtvoll gestaltete, sorgfältig gedruckte Buch im fast-Folio-Format mit 366 Teppich-Tafeln ist jede Aufmerksamkeit wert. Noch nie sah man eine solche Anzahl qualitätvoller, hochwertiger, feiner und feinster persischer Teppiche aus den großen städtischen Knüpfzentren Isphahan, Teheran, Keshan, Kirman und Täbris in solch opulenter und reicher Zusammenstellung. Gewiss, für das am klassischen Teppich geschulte Auge ist bei aller Bewunderung für die handwerkliche Perfektion vieles ästhetisch nicht befriedigend und doch ist manche überraschende Schönheit zu entdecken, Teppiche, die das klassische Vorbild erahnen lassen, ästhetisch fortentwickeln oder gänzlich neue Wege beschreiten. Als Beispiel sei hier ein Bildteppich aus Isphahan genannt, der einen reizvollen architektonischen Ausschnitt der Großen Schah Moschee wirklichkeitsnah wiedergibt und damit zeigt, dass sich der aus der modernen Malerei bekannte Fotorealismus durchaus auch auf die Knüpfkunst übertragen lässt. Neben klassischen Jagdmotiven, Fliesen- und Herati-Mustern, rapportartigen Blüten- und Rankendarstellungen sind sehr viele Bildteppiche zu sehen, die, so lesen wir, vor allem im nahen Osten, auf der arabischen Halbinsel, aber auch vom neuen chinesischen Geldadel geliebt und gekauft werden. Paradiesische Landschaften, auch solche mit Reh und Hirsch, Szenen aus der persischen Geschichte und Literatur, Herrscherportraits und Illustrationen zur Bibel trotzen dem islamischen Bilderverbot und belegen immer wieder die handwerkliche Meisterschaft der meist namentlich bekannten und durch Signaturen verewigten Meister. Neben diesen überwiegend sehr großen Teppichen (bis 8 Meter Länge) aus den bekannten städtischen Manufakturen, die eindeutig den Schwerpunkt des Buchers ausmachen, werden die ländlichen und dörflichen Erzeugnisse nicht gänzlich vernachlässigt. Saruk, Feraghan, Malayer, Hamadan oder Joshaghan sind kleinere Orte, in denen ebenfalls qualitativ gute Manufakturen schöne Teppiche hergestellt haben. Doch südlich dieser kleineren Knüpfzentren, in den Tälern und Hochweiden des Zagros-Gebirges lebten nomadische Stämme, deren Knüpfteppiche zum Schönsten gehören, was Persien vorzuweisen hat. Die Rede ist von den Afscharen, den Quashqa´i und den Bachtiaren, denen der Autor jeweils kleinere Kapitel widmet. Besonders die Fürsten der Bachtiaren im Tal des Chahar Mahal brachten es zu Macht und Reichtum und statteten ihre Paläste mit farbprächtigen, so genannten „Khanteppichen“ aus. Diese und ein Dutzend typischer und besonders schöner Teppiche und Kelims der Quashqa´i lassen jedenfalls erahnen, dass es neben der städtischen Produktion, die bei aller handwerklichen Qualität im 19. Jahrhundert ihre Ursprünglichkeit längst dem Kommerz geopfert hatte, auch noch den echten und aus einer eigenen Tradition erwachsenen Teppich gab. Der einleitende Text von Essie Sakhai unterrichtet den Leser nicht nur über diese Unterschiede städtischer und dörflicher Produktion, sondern auch über die Geschichte des persischen Teppichs, die Web-, Knüpf- und Färbetechniken und gibt wertvolle Hinweise über das Sammeln, Konservieren, Reinigen und Restaurieren. Kenntnisreich und in lockerem Plauderton, gewürzt mit vielen Anekdoten und eigenen Erfahrungen, berichtet Essie Sakhai von Abenteueren bei der Datierung von Teppichen und von zunehmendem Fälscherunwesen. Kurzum, eine Fülle an Anschauungsmaterial und Information, verpackt in einem opulenten Prachtband von acht Pfund Gewicht.

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