Il Tapetto di Caccia del Museo Poldi Pezzoli

Autor/en: Annalisa Zanni
Verlag: Mondadori Electa
Erschienen: Mailand 2005
Seiten: 112
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag im illustrierten Schuber
Preis: € 40.–
ISBN: 88-370-3855-0
Kommentar: Michael Buddeberg, Mai 2006

Besprechung:
Klein aber fein ist die Teppichsammlung des Museo Poldi Pezzoli in Mailand. 12 Stück sind es gerade und bis auf einen Schirwan Gebets- und einen Saryk Hauptteppich, beide aus dem 19. Jahrhundert, wurden sie alle im 16. und 17. Jahrhundert geknüpft. Gian Giacomo Poldi Pezzoli, der Gründer des Museums erwarb im Jahre 1855 auf einer Auktion das erste Stück der Kollektion, einen frühen Keschan, den so genannten „Tiger-Teppich“, in dessen rotem Fond sich neben Tigern auch Drachen, Löwen und andere wilde Tiere tummeln. Wesentliche Erweiterungen erfuhr die Sammlung unter ihrem ersten Direktor Giuseppe Bertini mit zwei floral gemusterten Isphahan-Teppichen aus dem frühen 17. Jahrhundert sowie einem wunderschönen Stern-Uschak und zwei eher fragmentarischen Stücken aus Kairo und aus Herat, beide aber noch 16. Jahrhundert. Der mit Abstand bedeutendste und auch schönste Teppich der Sammlung aber ist der berühmte Jagdteppich, ein Täbris aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit hervorragender Provenienz. Unter Pius IX schmückte der Teppich den päpstlichen Palast auf dem Quirinal, gelangte dann in königlichen Besitz und lag zuletzt in der Residenz von König Victor Emmanuele in Monza. Als der König diese Besitzung aufgab, wohl wegen der unseligen Erinnerung an das Attentat auf seinen Vater König Umberto III wurde der Teppich 1919 dem italienischen Staat übergeben und seither im Palazzo di Brera verwahrt. 1923 kam er im Tausch gegen ein bedeutendes Polyptychon des Girolamo di Giovanni de Camerino in das Poldi Pezzoli, wo er fast immer ausgestellt war und auch heute zu sehen ist. Der erforderliche Sicherheitsabstand, ein konservatorischer Staubschutz und vor allem die textilgerecht schummrige Beleuchtung sorgen allerdings dafür, dass sich die Schönheit dieses einzigartigen Knüpfkunstwerkes zwar erahnen aber nicht wirklich sehen und erleben lässt. Abhilfe schafft hier nun ein Buch, das einzig und allein diesem Teppich gewidmet ist. Außer einem einführenden Essay über die Geschichte und materielle Kultur der Safawidenzeit und einem Anhang, der sich mit strukturellen und technischen Details sowie mit der Restaurierung und Konservierung des Teppichs befasst, kommt nur der Teppich selbst zu Wort, mit einigen Dutzend Bildern und sonst mit nichts. In ständig wechselndem Maßstab werden, blatt- oder doppelblattgroß kleinere und größere Ausschnitte gezeigt. Wir sehen ganze Abschnitte des Teppichs mit seinen lebendigen Jagdszenen im Wechsel mit einzelnen Tierdarstellungen, mit Bordürengestaltungen und stark vergrößernden Detailaufnahmen, die einen Blick auf einzelne Knoten bis in die Struktur hinein gestatten. Ein Bilderbuch, gewiss, aber das ganze ist ungemein überlegt, gekonnt und abwechslungsreich zusammengestellt; es ist die perfekte bibliophile Inszenierung eines großen klassischen Teppichs. Die Fotos sind exzellent. Faszinierend ist nicht nur die Vielfalt und liebevolle Darstellung der jagdbaren Tiere und Vögel und das darunter liegende, alle Freiräume harmonisch ausfüllende Geflecht aus Ranken, Blättern und Blüten, sondern vor allem auch die Qualität, Leuchtkraft und exzellente Wiedergabe der insgesamt 16 für den Teppich verwendeten Farben. Keinem anderen Buch ist es je gelungen, die nie wieder erreichte Qualität und Schönheit persischer Teppich aus der klassischen Zeit des 16. Jahrhunderts, die Meisterschaft ihrer Entwerfer und Knüpfer und die Leistung der Färber aus jener Zeit in Bildern derart lebendig und überzeugend darzustellen. Es wäre schön, wenn dieses Beispiel Schule macht. Der Ardebil-Teppich aus dem V&A oder der Seiden-Mamluk aus dem MAK in Wien wären, in dieser Form aufbereitet, ein nicht minder großer Genuß für den Teppichfreund wie der Jagdteppich aus dem Poldi Pezzoli ist. Ein Kompliment an den Verlag, der es in einer Zeit, in der qualitätvolle Teppichbücher fast nur noch im Eigenverlag erscheinen, gewagt hat, das ganz andere Teppichbuch zu verlegen. Ein Erfolg ist ihm zu wünschen.

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