Vom Wissen der Dinge – Aus den Sammlungen des Völkerkundemuseums der von Portheim-Stiftung

Autor/en: Stefan Dietrich, Margareta Pavaloi (Hrsg)
Verlag: Edition Braus
Erschienen: Heidelberg 2008
Seiten: 288
Ausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
Preis: € 39.90
ISBN: 978-3-89904294-8
Kommentar: Michael Buddeberg, März 2009

Besprechung:
Ein gütiges Schicksal hat Victor Goldschmidt (1853-1933) nicht mehr erleben lassen, wie das nationalsozialistische Regime die von ihm und seiner Frau Leontine 1919 ins Leben gerufene von Portheim Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kunst für abwegige ideologische Ideen zweckentfremdet hat. Victor und Leonie Goldschmidt stammten beide aus wohlhabenden jüdischen Frankfurter Familien und das Sammeln und Stiften, ein großzügiges bürgerliches Mäzenatentum, war selbstverständliche Familientradition. Man sammelte – das lag im Trend der Zeit – Asiatica, und der Schwerpunkt des Interesses lag bei Kunst und Kunsthandwerk aber auch einfachen, alltäglichen Dingen aus Japan, China und Korea. Victor Goldschmidt war aber auch ein international renommierter Wissenschaftler und Gelehrter mit der Kerndisziplin Kristallographie. So war ihm an einem Brückenschlag zwischen den Geistes- und den Naturwissenschaften gelegen und entsprechend multidisziplinär war das Stiftungsprojekt angelegt: Ethnographie und Volkskunde mit den Sammlungen des Ehepaars waren nur einer von insgesamt sieben Bereichen, die, alle mit entsprechenden Instituten ausgestattet, Kultur und Wissenschaft aufs engste vernetzen sollten. Instituten für Sinologie und Slawistik, für Biomechanik und Biochemie standen Abteilungen für Vogelschutz, Bienenkunde, Obst- und Gartenbau gegenüber und neben einem mineralogisch-krystallographischen Institut gab es Abteilungen für Akustik, Instrumentenkunde, Graphik, Buchbinderei und Buchkunst. Nach den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der 20er Jahre waren es dann der Nationalsozialismus und seine Schergen, die dem Stiftungszweck den Garaus machten. Es blieben in jener dunklen Zeit lediglich zwei Institute, eines für „Auslandskunde“ und das für Volkskunde. Die Volkskunde indessen war „völkisch“ geworden und die Auslandskunde diente der „dringend notwendig erscheinenden Wehrhaftmachung unseres deutschen Volkes auf außenpolitischem Gebiet“. Wertvolle Teile der Sammlungen wurden als „überflüssig“ verschenkt und verkauft. Leontine Goldschmidt, geborene von Portheim, wählte nach Jahren der Erniedrigung, Schikanen und Rechtlosigkeit vor ihrer Deportation in ein Konzentrationslager 1942 den Freitod. Geblieben ist von allem nur das Völkerkundemuseum der Josefine und Eduard von Portheim Stiftung für Wissenschaft und Kunst in Heidelberg. Immerhin: Stiftung und Museum haben noch heute ihren Sitz in einer der ältesten Stadtresidenzen Heidelbergs, dem noch von Victor Goldschmidt von dem Prinzen Wilhelm von Sachsen-Weimar erworbenen, Anfang des 18. Jahrhunderts erbauten Palais Weimar. Ist schon das Museum über die Stadtgrenzen Heidelbergs hinaus wenig bekannt, so ist die Geschichte der Stiftung fast ganz in Vergessenheit geraten. Den Herausgebern ist zu danken, dass in dem nun vorliegenden, ersten Querschnittkatalog dieser ethnographischen Sammlung deren Geschichte, vor allem aber das symptomatische Schicksal einer deutsch-jüdischen Stiftung und ihrer Stifter in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts offen gelegt wird. Der Katalog selbst, aufgeteilt nach Japan, China und Korea, indischer Malerei, Südostasien, Musikinstrumente (asiatischer Herkunft), Ozeanien und Afrika, macht kenntlich, was noch aus den Sammlungen von Victor und Leontine Goldschmidt stammt und belegt deren breit gestreutes Interesse. Aus Japan ist es vor allem Druckgraphik hoher Qualität, unter anderem von Hiroshige, Hokusai und Utamaro, aber auch bedeutende Skulpturen und Rollbilder. China glänzt durch Blätter aus den berühmten Holzschnittsammlungen „Senfkorngarten“ und „Zehnbambushalle“, und das Juwel unter den Miniaturen aus Indien ist ein grosses Blatt mit der Darstellung der Handwerke bei der Fertigung von Kaschmirschals. Aus Südostasien sind illustrierte Manuskripte aus Thailand und Birma zu erwähnen, während klassische Musikinstrumente aus Japan die hohe Bedeutung belegen, die Victor Goldschmidt der Musikwissenschaft im Rahmen seines Stiftungsprojekts beimaß. Afrika schließlich ist mit zwei wichtigen Benin-Bronzen aus der Sammlung Goldschmidt vertreten. Ergänzt wird dieser Grundbestand mit teilweise hochrangigen Kunstwerken und Ethnographica aus Zukäufen, Stiftungen und Schenkungen bis in die heutigen Tage. Die begleitenden Texte und Beschreibungen sind instruktiv, kenntnisreich und nehmen vor allem immer wieder Bezug auf die Ideen der Stifter. Deren Sammlungen waren nicht Selbstzweck, sondern sollten der Wissenschaft und der Erkenntnis dienen. Die Sammlungsgegenstände mit den in ihnen verborgenen Biographien sind Speicher des kulturellen Gedächtnisses und tragen damit ein schier unerschöpfliches Reservoir an Wissen in sich. Der Titel des Buches, „Vom Wissen der Dinge“, bringt das zum Ausdruck, und die Geschichte der Sammlung und Stiftung von Victor und Leontine Goldschmidt gehört zu diesem Wissen, das untrennbar mit der Sammlung verbunden ist. Das Buch lässt uns daran teilhaben.

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