Silks for Thrones and Altars – Chinese Costumes and Textiles from the Liao through the Qing Dynastie

Autor/en: John E. Vollmer
Verlag: Myrna Myers
Erschienen: Paris 2003
Seiten: 152
Ausgabe: softbound
Preis: EUR 60.-
ISBN: 2-9518836-1-7
Kommentar: Michael Buddeberg, Mai 2004

Besprechung:
Es sind zwei Händler-Kataloge, die die Literatur über chinesische Textilien im letzten halben Jahr wesentlich bereichert haben – und die sich geradezu ideal ergänzen. Beide präsentieren Sammlungen, die in vielen Jahren zusammengetragen und in aufsehenerregenden Ausstellungen in Paris, New York und London präsentiert wurden und beide wurden herausgegeben und geschrieben von den bedeutendsten Kennern der Materie. Schwerpunkt in beiden Bänden sind Roben, prächtige Gewänder aus dem Dunstkreis kaiserlicher Macht, Drachenroben zumeist, mit der faszinierenden Symbol- und Bildwelt chinesischer Kosmologie. In dem Myers-Band dominieren höfische Gewänder aus der Qing-Dynastie. Wir sehen hier aber nicht die Anfang des 20. Jahrhunderts nach dem Fall des letzten chinesischen Kaisers quasi als Massenware verschleuderten Inventare chinesischer Hofbeamter, sondern Roben aus der Blütezeit der Manchu-Dynastie, als die glorreichen Kaiser Kangxi und Qianlong in Kunst und Luxus schwelgten und in ihrer Kleidung einen schier unglaublichen Aufwand trieben. Kein Stoff war zu kostbar, keine Technik zu aufwendig, um nicht in den kaiserlichen Werkstätten zu immer neuen luxuriösen Kreationen verarbeitet zu werden. Ein Spitzenobjekt neben vielen anderen ist eine Drachen-Robe in kaiserlichem Gelb, bestickt mit den 12 Symbolen kaiserlicher Autorität, wie sie von dem Sohn des Himmels, hier von Kaiser Qianlong, nur persönlich getragen werden durfte. Gewiß hatte dieser extreme Aufwand und die Aneignung der Symbolkraft prächtiger Seidengewänder etwas damit zu tun, daß die Manchu als fremde Eroberer bessere Chinesen sein wollten als ihre Vorgänger aus der Ming-Dynastie. Bei diesen beschränkten sich die Insignien der Macht in der Regel auf textile Rangabzeichen, von denen bei Myers ebenfalls einige herausragende Exemplare zu sehen sind. Im übrigen waren die Roben der Ming-Zeit geprägt durch einen verschwenderischen Umgang mit kostbaren Stoffen. Nicht weniger als 13 Meter Seidendamast wurden für eine changpao, ein höfisches Gewand der Ming-Dynastie verarbeitet, dessen Materialfülle mit extrem weit geschnittenen Ärmeln das Ideal des konfuzianischen, ganz der geistigen Kontemplation verschriebenen Gelehrten symbolisierte. Auch hier hatten sich die Ming mit dieser höfischen Tracht bewußt und deutlich von ihren Vorgängern abgesetzt. Für diese frühe Zeit vor den Ming, die bei Myers nur durch einige Fragmente vertreten ist, ist der Rossi-Katalog ein einzigartiges Dokument. Die hier vorgestellten Gewänder und Textilien aus der Liao- und Yuan-Dynastie, aus dem 10. bis zum 13. Jahrhundert sind textile Raritäten und Unikate von Weltrang. Sie stehen für eine Zeit, in der China über vier Jahrhunderte von Menschen aus den nördlichen Steppen beherrscht wurde, von Reitervölkern die sich damals einen großen Teil der bekannten Welt unterworfen hatten. Es war das Volk der Kitan, die die Dynastie der Liao (907-1125) und Kubilai Khan, der Enkel des Dschingis Khan, der die mongolische Yuan-Dynastie (1279-1368) errichtete. Auch als chinesische Kaiser hatten die mongolischen Herrscher ihre nomadische Identität nie abgelegt und verleugnet. Das Leben im Zelt und auf dem Rücken ihrer Pferde blieb ihnen vertraut. Es prägt ihre Kleidung, die für ein Festmahl im Zelt gleichermaßen geeignet war wie für die Teilnahme am Reiterfest und für den Gebrauch von Pfeil und Bogen im vollen Galopp. Die Funktionalität dieser mongolischen Roben mit schmalen Ärmeln, praktischen Verschlüssen und kurzen weiten Röcken trägt dem aktuellen Design-Grundsatz „form follows function“ Rechnung und mutet uns geradezu modern an. Gehen wir noch weiter zurück, zu den Liao, so war von deren textiler Kultur und ihrer Kleidung bisher nur wenig bekannt. So sind die beiden prachtvollen und vorzüglich erhaltenen Roben, die der Rossi-Katalog vorstellt, eine echte Sensation. Die offenbar für einen Mann gemachte Robe aus gelber kaiserlicher Seide ist die früheste bekannte Drachenrobe überhaupt und die großen gestickten Rondells, in denen sich zwei Drachen dekorativ um die flammende Perle winden, verbinden die zentralasiatische mit der chinesischen Formenwelt. Das weibliche Pendant, eine Robe mit Phönix-Rondells, gestickt in Gold und Silber auf purpurfarbene Seide, ist von unvergleichlicher Anmut und Schönheit und von unschätzbarer historischer und kostümgeschichtlicher Bedeutung. Essays von Anne Wardwell, Ex-Kuratorin für Textilien im Cleveland Museum und von Feng Zhao, Professor am National Silk Museum in Hangzhou, begleiten den Rossi-Band mit den 13 extrem seltenen Textilien aus der Liao- und Yuan-Dynastie, während der Text des Myers-Kataloges aus der Feder von John Vollmer stammt, einem der weltweit ersten Experten für chinesische Textilien. Von den 77 Stücken des Myers-Kataloges sind neben den Roben vor allem noch die tibetischen Chubas hervorzuheben, prächtige Gewänder, für die tibetische Schneider großformatige chinesische Drachentextilien ohne Rücksicht auf Muster und Bedeutung zerschnitten und zu ungemein dekorativen Mänteln wieder zusammensetzten, auf denen sich riesige Drachen über die ganze Chuba winden. Geometrische Patchwork-Mandalas aus Tibet, buddhistische Mönchumhänge aus Japan, Thangkas in kombinierter Applikations- und Sticktechnik und hochwertige Einrichtungstextilien aus der Ming- und Qing-Dynastie runden das Bild. In ihrer Kombination decken die beiden Bände 1000 Jahre chinesischer Textil- und Kostümgeschichte mit hochrangigen Beispielen und kompetenten Texten ab.

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