Persian Flatweaves – A Survey of Flatwoven Floor Covers and Hangings and Royal Masnads

Autor/en: Parviz Tanavoli
Verlag: Antique Collectors Club
Erschienen: Antique Collectors Club 2002
Seiten: 350
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: £ 45
ISBN: 1-85149-335-2
Kommentar: Michael Buddeberg, März 2002

Besprechung:
Vor einem Vierteljahrhundert erschien das erste Buch über Kelims. „The Undiscovered Kilim“ war der Beginn einer bis heute ungebrochenen Wertschätzung, fast schon könnte man sagen eines „Booms“ dieser Flachgewebe, deren ästhetische Anmutung, bedingt durch die webtechnischen Gegebenheiten, so ganz anders ist wie beim traditionellen Knüpfteppich. Von Anfang an aber lag der Schwerpunkt des Interesses von Sammlern, Händlern und Forschern dieser Flachgewebe beim anatolischen Kelim. Läßt man das Ergebnis dieser 25 Jahre währenden Beschäftigung mit dem anatolischen Kelim, dokumentiert in Dutzenden von Publikationen, in Büchern und Aufsätzen, Revue passieren, so ist es erstaunlich, was wir heute alles über diese textile Volkskunst wissen. Das reicht von der Zuschreibung be­stimmter Typen zu kleinsten ethnischen Gruppierungen, über Mustervarianten von Dorf zu Dorf und – seit Anwendung der C-14-Methode – bis zu sich verdichtenden Spekulationen über das hohe Alter einzelner Exemplare dieser Webkunst. Schier unübersehbar ist das zutage gekommene Material und es ist kein Geheimnis, daß ein großer Teil des oft nur fragmentarisch erhaltenen Schatzes anatoli-scher Kelimkunst aus den unteren Schichten der mehrlagigen textilen Bodenbedeckungen türkischer Moscheen stammt. Warum nur Anatolien und nicht auch Persien, könnte man sich fragen, sind doch die geographischen und ethnischen Voraussetzungen in beiden Regionen so unterschiedlich nicht. Hier wie dort ist die nomadische Hirtenkultur der wichtigste Träger der Flachgewebskultur und in beiden Ländern existieren uralte textile Traditionen. Parviz Tanavoli, einer der besten Kenner iranischer Textilkunst, sucht in seinem Buch über persische Flachgewebe eine Antwort auf die Frage nach dem Verbleib des persischen Pendants zum anatolischen Kelim. Hat es ihn gegeben und wo ist er geblieben? Es hat ihn gegeben und zwar in durchaus vergleichbarer Vielfalt und Menge, ist Tanavolis Antwort und er begründet sie überzeugend mit einer Fülle von Querverweisen zu anderen Kunstgattungen, zur Malerei etwa, vor allem aber zur Literatur und Poesie. Glaubt man diesen historischen Quellen, so hatte jede Stadt, jede Region ihre eigene textile Tradition, ihre eigene Vielfalt und Formensprache der geknüpften und gewebten Erzeugnisse. Es ist hier nicht der Ort, auf diese Spurensuche näher einzugehen und es sei daher nur angemerkt, daß die Darstellung des kulturellen Hintergrundes persischer Flachgewebe, die Fülle des verarbeiteten Materials aus Feldforschung und aus dem Studium historischer Quellen beeindruckend und spannend ist. Bleibt die Frage nach dem Verbleib der Stücke, denn im Vergleich mit dem frühen anatolischen Kelim ist der frühe persische Kelim so gut wie nicht existent. Die Antwort ist vielschichtig, überraschend und nicht zuletzt auch in den unterschiedlichen Ausprägungen des Islam zu sehen. Natürlich lagen und liegen auch in persischen Moscheen Teppiche und Flachgewebe auf dem Boden, und auch im Iran war und ist es Brauch, textile Bodenbeläge an die örtliche Moschee zu schenken oder zu verma­chen. Doch anders als im sunnitisch geprägten osmanischen Reich, wo sich in den Moscheen Sch­icht auf Schicht textiler Donationen ansammelte, entspricht es der schiitischen Interpretation des Koran, schadhaften, unmodern gewordenen oder nicht mehr benötigten Bodenbelag wegzugeben, an den Handel, an Arme und Bedürftige vor allem, Verbrauch also anstelle von Bewahrung. Dies und andere Gründe machen bodendeckende persische Flachgewebe rar und so ist es kein Wunder, daß dieses Thema bisher ein Stiefkind der Textilliteratur war. Tanavolis Buch füllt eine Lücke und es füllt sie großartig. 244 farbig wiedergegebene Flachgewebe offenbaren ein Kaleidoskop an Farben und Formen, das der Vielfalt seiner anatolischen Nachbarn nicht nachsteht. Gleiches gilt für die geographische und ethnische Herkunft persischer Flachgewebe, und in deren Bestimmung liegt vor allem der Wert von Tanavolis Arbeit und die Bedeutung dieses Buches. Zwar wird sich kaum jemand die vielen, bisher oftmals unbekannten Zuschreibungen merken können und schließlich mag es ohne große Bedeutung sein, ob ein Kelim nun in Aqkand oder in Ishliq, beide in Aserbeidschan, gewebt worden ist. Ein Beispiel aber mag verdeutlichen, daß dies nicht so ist: So hat der Handel seit jeher Teppiche und Flachgewebe aus Takab dem nahe gelegenen und ungleich bekannteren Handelsort Bijar zugeordnet. Das, was zunächst als eine zu vernachlässigende Ungenauigkeit erscheint, erweist sich indessen als bedeutender Unterschied. Die Bewohner von Takab sind turkstämmig während die Einwohner Bijars Kurden sind. Beide haben gänzlich verschiedene kulturelle Wurzeln und damit trotz der lokalen Nähe abweichende textile Traditionen. Mit diesem Wissen offenbaren sich Unterschiede ihrer Flachgewebe, die man sonst zu übersehen geneigt ist. Weitere Themen von Tanavoli sind die kaum bekannten Palas-Gewebe aus dem Osten Persiens, die Dar­stellung vom Nutzen und Gebrauchszweck der Flachgewebe im nomadischen und städtischen Bereich, ein Appell für eine Vereinheitlichung der unübersichtlichen Terminologie der Flachgewebstechniken und viele andere mehr. Das meist nicht hohe Alter persischer Flachgewebe – weit überwiegend sind die abgebildeten und beschriebenen Stücke in der Zeit kurz vor oder nach 1900 entstanden – ändert nichts am Reiz dieser Textilkunst. Tanavolis Buch ist gewiß ein Standardwerk für den Textil- und Kelimfreund.

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