2000 und 1e Nacht – Teppiche und Textilien aus Privatsammlungen

Autor/en: Gerhard M. Dienes, Helmut Reinisch
Verlag: Stadtmuseum Graz
Erschienen: Graz 2001
Seiten: 344
Ausgabe: Hardbound
Preis: EURO 65.–
ISBN: 3-900764-26-3
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Es kommt nicht von ungefähr, daß die erste große Teppichausstellung des 21. Jahrhunderts in Graz veranstaltet wird (Stadtmuseum Graz, bis 30. Dezember 2001). Und es ist naheliegend, daß sich der einleitende Essay des schön gedruckten, sorgfältig und großzügig gestalteten Kataloges mit der Bedeutung von Graz als einer Drehscheibe orientalischer Teppichkultur im 20. Jahrhundert befaßt. Graz, die Stadt zwischen „Gamsbart und Kopftuch“ (Zitat nach Hans Weigel) war dem Orient immer schon ein bißchen näher, was im Gang der Geschichte seine dunklen und hellen Seiten hatte. War die Nähe zum Orient zunächst durch die Türkengefahr geprägt, wovon heute noch der Waffenbestand im berühmten Zeughaus oder die Erinnerung an das soganannte „österreichische Heldenzeitalter“ erzählen, so wandelte sich die Bedrohung von einst zum Geschäft von heute. Graz wurde zur Station für Reisen in den Orient und ein Zentrum für den Handel zwischen Ost und West. Teppiche, jenes Symbol für orientalische Kunst und Kultur, haben dabei immer eine große Rolle gespielt und so erstaunt es wenig, daß Grazer Teppichhändler – bis heute – stets eine dominierendes Instrument im europäischen Teppichkonzert gespielt haben. Daß sich dies auch in Grazer Haushalten niedergeschlagen hat liegt nahe und führt zu der Feststellung von Helmut Reinisch: „Eine Grazer Familie ohne einen Orientteppich kennen wir nicht.“ So konnte die Ausstellung aus einem Fundus von 4000 Stüken ausgewählt werden und von den 270 Exponaten stammen immerhin 80% aus Grazer Sammlungen. Der Reigen interessanter Stücke spannt sich vom Maghreb bis nach Tibet, und die bekannten Provenienzen sind in schönen, oft ausgefallenen und vielfach bis heute unveröffentlichten Stücken vertreten. Auf einige Schwerpunkte ist hinzuweisen: Taschen meist persischer Provenienz bilden mit ca. 100 Exemplaren den Auftakt und hier sind 48 Salztaschen, „Namakdans“, gewebt und geknüpft, eine Sammlung für sich. Nomadische Lasten-, Zier- und Schmuckbänder leiten über zu dem Schwerpunkt 28 anatolischer Kelims, der viele frühe und ästhetisch aufregende Meisterwerke versammelt. 24 Belutsch-Teppiche offenbaren die Mustervielfalt einer einst wenig beachteten Teppichgattung im Gegensatz zur Musterreduktion minimalistischer Teppiche, die unter dem Titel „Askese“ zusammengefaßt werden. Gabbehs von den Nomaden Südpersiens, Tülüs aus Anatolien, Dschulchirs aus Usbekistan und Berber aus Marokko stehen für eine ästhetische Revolution, die den Blick auf den Teppich in den vergangenen Dekaden verändert hat wie nie zuvor. Auch wenn von den Autoren nicht unter dem Titel „Askese“ gezeigt gehören das einzigartige geknüpfte Yüncü-Fragment (Nr. 169) oder der an die Bilder von Yves Klein erinnernde ungewöhnliche Kelim (Nr. 159) zweifellos auch zu dieser faszinierenden minimalistischen Textilkunst. Ein empfehlenswertes und aktuelle Sammlerinteressen wiederspiegelndes Buch. (- mb -)

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