Handbuch der Farbenchemie – Grundlagen – Technik – Anwendungen

Autor/en: W. Müller
Verlag: Ecomed Verlagsgesellschaft
Erschienen: Landsberg 2000
Seiten: ca. 326
Ausgabe: Grundwerk in Loseblattordner
Preis: DM 198.–
ISBN: 3-609-72700-4
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Im seinem Kern wendet sich dieses Buch an Farbstoffchemiker und Textilingenieure. Mit dem Handbuch der Farbenchemie steht dem Technikern hier ein Nachschlagewerk zur Verfügung, mit dem er sich stets über den neuesten Stand der Erkenntnisse informieren kann. Der Rezensent vermag nur mit Hochachtung zu berichten von der eingehenden Darstellung des Aufbauprinzips synthetischer Farbstoffe, der Klassifizierung organischer Farben und von den hunderten komplexer Strukturformeln, von einer Welt für sich. Es ist eine Welt mit einer ganz eigenen, der exakten Wissenschaft zugeordneten aber doch geheimnisvollen Ästhetik, und hier sei die Frage erlaubt nach Zusammenhängen der Ästhetik der Strukturen und der Schönheit und Vielfalt der Farben, die sie verkörpern oder symbolisieren? Ergebnis dieser Farbenchemie aber sind zunächst Lösungen, Pulver und Tinkturen, Zwischenprodukte also, die noch eines Mediums bedürfen, der Textilien nämlich, und eines Verfahrens, der Färberei, um ihr wahres Wesen zu entfalten. Und hier wird das Handbuch der Farbenchemie auch für den Laien zu einer Fundgrube von Informationen, zur spannenden Lektüre über die Geschichte der Färberei, über die Entdeckung von Wolle und Flachs, ein Stück Menschheitsgeschichte von der Steinzeit bis heute. Es beginnt mit dem unentschiedenen Expertenstreit, was am Anfang war: Die Keramik, die Gerberei oder das Färben. Nun, es wird wohl immer im Dunkel der Frühgeschichte verborgen bleiben, wann der Mensch zum ersten Male Textilien gefärbt hat. Dennoch, die bisher kaum untersuchte historische Entwicklung der Färberei ist reich an neuen Erkenntnissen und Entdeckungen. Moderne Analysemethoden wie die Infrarot-Spektroskopie oder die Dünnschicht-Chromatographie, um nur zwei zu nennen, das Studium antiker Quellen, Plinius in erster Linie, und vor allem spektakuläre archäologische Funde der letzten Jahrzehnte sind wichtige Teile eines Mosaiks, das sich zum Bilde formt. So waren wohl anorganische mineralische Pigmente die ersten Färbemittel, wie die Funde Melaarts aus der steinzeitlichen Stadtsiedlung Catal Hüyük vermuten lassen. Das Kapitel der organischen tierischen oder pflanzlichen Färbemittel leitete dann wohl die Purpurschnecke ein und es ist allein ungewiß, wem hier der Lorbeer gebührt, den Minoern auf Kreta oder den Phöniziern? Indigo, Waid und Krapp, Kermes und Cochenille folgten in kurzen Abständen. Sicher ist, daß gefärbte Textilien in der Antike eine bedeutende Rolle spielten, auch wenn diejenigen, die das Färben auszuführen hatten, nicht gerade zu den geschätzten Handwerkern gehörten. Die Färberei war kein sauberes Handwerk, vor allem kein wohlriechendes, denn Urin war das Universalhilfsmittel in den antiken Färbereien und daran hat sich bis zum Beginn der Neuzeit auch wenig geändert. Ein breites Kapitel ist Byzanz gewidmet, dieser Drehscheibe zwischen Ost und West, Zentrum von Handel, Macht und Handwerk während nahezu eines Jahrtausends und Endpunkt der Seidenstraße. So gelangte nicht nur dieser kostbare Stoff schon im 6. Jahrhundert aus China in den Westen sondern auch neue Farbstoffe, Färbepflanzen und Färbemethoden. Das Resultat, der Kleiderluxus byzantinischer Handelsherren stellte denn auch alles in den Schatten, was bisher von weströmischer Prunksucht bekannt war. Beutestücke der Kreuzritter, heute in vielen Domen und Diözesanmuseen zu bewundern, geben davon Zeugnis. Die Ablösung der Vormachtstellung von Byzanz durch Venedig verlagerte auch das Zentrum der Färbekunst nach Westen, nach Italien, Frankreich, Mitteleuropa. Lange Zeit waren dann die Klöster Pflegestätten handwerklicher Erfahrung zu denen natürlich auch die Färberei gehörte. Karl der Große, die Normannen, die Wikinger schließlich, die als mutige Fernreisende erstmals den amerikanischen Kontinent betraten, sind Stationen der Färbegeschichte, bevor sich in den aufblühenden Städten des Mittelalters das Zunftwesen auch dieses Handwerkszweiges annahm. Entscheidende Zäsuren brachten Gutenberg und die Erfindung des Buchdrucks ebenso wie die Entdeckung Amerikas durch Columbus. Jahrhundertelang streng gehütete Geheimnisse fanden sich plötzlich in erschwinglichen Rezeptsammlungen, preiswerte Farbstoffhölzer aus der Neuen Welt verdrängten teure einheimische Färbestoffe, und mit dieser Wissensvermehrung begann das Zeitalter der wissenschaftlichen Durchdringung der Färberei. Bedeutende Lehrer der Färbereikunst, Franzosen vor allem, auch einige Deutsche, erarbeiteten im 18. Jahrhundert erstmals die wissenschaftlichen Grundlagen der Färberei und begaben sich am Ende des Jahrhunderts vorsichtig tastend in völliges Neuland, in die Farbenchemie. Die Geburtsstunde des ersten synthetischen Textilfarbstoffes schlug dann im Jahre 1856, als William Perkin (1838 – 1907) auf der Suche nach einem Herstellungsweg für Chinin aus toluidinhaltigem Anilin das violette Mauvein gewann. Schon ein Jahr später begann dessen industrielle Herstellung und es folgten weitere synthetische Farbstoffe in kurzem Abstand. Namen wie Hoechst, Bayer, BASF, CIBA oder Sandoz standen am Anfang einer industriellen Revolution der Farben. Der Liebhaber antiker Textilkunst mag diese Entwicklung, den Rückgang der Naturfärberei bis zur Bedeutungslosigkeit, bedauern, doch ist dies ein Teil der Geschichte, ist Teil der modernen technologieorientierten Welt, in der wir leben und leben müssen. Das Handbuch der Farbenchemie ist ein umfassendes Kompendium, das auf alle Fragen auf dem weiten Gebiet der Farbstoffe und der Färbetechnologie bis hin zu Normen und Kennzeichnungsvorschriften kompetent Auskunft gibt. (- mb -)

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