Flowers Underfoot – Indian Carpets of the Mughal Era

Autor/en: Daniel Walker
Verlag: Harry N. Abrams and the Metropolitan Museum of Art
Erschienen: New York 1997
Seiten: 200
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
ISBN: 0-8109-6510-0 (Buchhandelsausgabe)
Kommentar: Michael Buddeberg, Januar 1998

Besprechung:
Flowers Underfoot ist weniger ein Katalog der einzigartigen Ausstellung, die in New York noch bis zum 1. März 1998 zu sehen ist, sondern es ist die erste umfassende, wissenschaftliche und reich illustrierte Monographie zum klassischen indischen Teppich überhaupt. Indische Teppiche sind damit die letzte Gruppe klassischer Teppiche, die Gegenstand einer gründlichen wissenschaftlichen Untersuchung wurden. Die Studie ist das Ergebnis jahrzehntelanger Arbeit von Daniel Walker, Kurator der Islamischen Abteilung des MMA, und sie hat schon jetzt einen sicheren Platz in der Teppichliteratur. Klassische indische Teppiche waren bisher in der Literatur vernachlässigt. Sie galten oft als bloße Variante des persischen, höfischen Teppichs, manchmal auch als zu illustrativ oder zu naturalistisch, um als Knüpfkunstwerk zu gelten oder sie sind schlicht zu selten und blieben daher weitgehend unbekannt und unbeachtet. Etwa 500 Exemplare, komplett oder in Fragmenten, sind insgesamt bekannt. Knapp die Hälfte davon ist noch in Indien erhalten, hier vor allem in der Sammlung des Maharadscha von Jaipur, nicht wenige finden sich überraschenderweise in Japan und viele in privaten Sammlungen. Da wundert es nicht, wenn in den wichtigen öffentlichen Sammlungen gerade mal ein oder zwei Exemplare ein Mauerblümchendasein fristeten. Mit dieser Nichtbeachtung ist es jetzt vorbei. Etwa 10 % des Weltbestandes klassischer indischer Teppiche und zwar – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – die besten und typischsten Vertreter werden hier vorgestellt, untersucht und klassifiziert. Nach der Lektüre von Flowers Underfoot muß man 3 Thesen von Danny Walker uneingeschränkt bestätigen: Erstens: Zu dieser Gruppe gehören die technisch vollendetsten Teppiche, die je gemacht wurden; Zweitens: Indische Knüpfer vermochten es besser als alle anderen, mit dem Knüpfmaterial gleichsam zu malen; Drittens: Der naturalistisch und zugleich formalisierte Blumenstil unter Schah Jahan, der Moghul-Stil schlechthin, ist ein genuiner stilistischer Beitrag zur Teppichkunst. Der Gang der Darstellung in diesem Buch ist streng chronologisch und beginnt mit den geheimnisvollen Fragmenten mit Tier-Grotesken, die wohl um 1580 unter Akbar in seiner Residenzstadt Fatehpur Sikri entstanden. Alle bekannten Fragmente stammen von ein oder zwei übergroßen Teppichen aus der ersten in Indien errichteten Manufaktur. Die Darstellungen von einander verschlingenden grotesken Tierköpfen erinnern an Makara, das eiefantenköpfige Krokodil-Fabelwesen und an das symphatische Monster kirtimukha, das auf das uralte chinesische tao-tieh zurückgeht. Beide kommen häufig nebeneinander vor, etwa in tibetischen Möbeln aus dem 16. Jahrhundert. Die ursprünglich religiöse Bedeutung dieser grotesken Tierdarstellungen dürfte aber in den Teppichen nur noch dekorativen Charakter haben. Bevor sich unter Schah Jahan der Moghul-Stil auch im Teppich durchsetzte, gab es die relativ große Gruppe der Spiralranken-Teppiche mit Tier- und Blumenmotiven, deren persischer Einfluß unübersehbar ist und die überwiegend der Regierungszeit Jahangirs zuzuordnen sind. Seit dieser Zeit bis ins späte 18. Jahrhundert wurden die feinsten und schönsten Teppiche nicht mit Seide geknüpft sondern mit „pashmina“, mit Kaschmir-Wolle. Dabei bezeichnet „Kaschmir“ nur den Handelsort. Tatsächlich ist Paschmina die feine Unterwolle einer Himalaya Ziege aus Westtibet. Diese Wolle stammt entweder von domestizierten Tieren oder – noch feiner und seltener – von Wildziegen, die im Frühjahr die Unterwolle an Büschen und Felsen abstreifen, wo sie von den Nomaden gesammelt wird. Diese extrem feine Wolle ermöglicht Knüpfdichten von kaum vorstellbaren 3 Millionen Knoten pro qm auf Seidenstruktur. Teppiche aus Paschmina, nur etwa 40 sind bekannt, sind das Optimum an Feinheit, samtigem Griff und malerischer Zeichnung, von keinen anderen Knüpferzeugnissen übertroffen. Man mag die naturalistischen Blumendarstellungen schätzen oder nicht, der malerischen Schönheit dieser geknüpften Meisterwerke kann man sich nicht entziehen, sie gehören zu den Höhepunkten der Teppichkunst. Andere wichtige Gruppen können hier nur erwähnt werden, etwa die übergroßen Audienz-Teppiche mit Längen von 20 und mehr Metern oder die wunderschönen „Millefleur“-Teppiche, Blumenwiesen, wie sie im Blumenparadies Kaschmir die Natur nicht schöner, dichter und bunter wachsen lassen kann. Schließlich die in Europa kaum bekannte „Kyoto-Group“, Teppiche aus dem südlichen Indien, aus dem Hochland von Deccan, die im 17./18. Jahrhundert von holländischen Ostindienfahrern vor allem nach Japan gebracht wurden und deren Alter wegen der genauen Aufzeichnungen japanischer Gilden genau feststeht. In Europa gibt es nur einen einzigen indischen Teppich, dessen Geschichte und Daten genau bekannt sind. Es ist der Teppich der Gürtelmacher-Zunft, einer in London seit 1449 bis heute existierenden Handwerks-Gilde. Robert Bell, Meister dieser Gilde und Direktor der Ostindischen Kompagnie gab diesen Teppich als Tischteppich 1630 in Lahore in Auftrag. Er wurde dort geknüpft, 1634 nach London geliefert und hat seither die „Girdlers Hall“, erst zweimal verlassen, 1947 für die Londoner Ausstellung der Kunst Indiens und Pakistans und 1997 für Flowers Underfoot. Dieses Buch ist eine Pflichtlektüre für jeden Teppichliebhaber.

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