Afrika – Die Kunst eines Kontinents

Autor/en: Phillips (Hrsg)
Verlag: Prestel Verlag
Erschienen: München 1996
Preis: DM 148.–
Kommentar: Michael Buddeberg, Juli 1996

Besprechung:
Ein Vorhaben, das eigentlich nicht gelingen kann. Die Kunst eines ganzen Kontinents! Noch dazu des afrikanischen mit seinen hunderten von Ethnien, den zahlreichen Klimazonen und der wohl ältesten Menschheitsgeschichte aller Kontinente. Das Vorhaben ist gelungen! Das Ergebnis, Ausstellung (1995 in London und bis Mai 96 in Berlin) und Katalogbuch sind sensationell und einzigartig. Das Buch wohl noch mehr als die Ausstellung, denn wer hätte schon die Zeit und Muße, die über 800 Objekte im Rahmen einer Ausstellung wahrzunehmen und zu erfassen? Das Buch aber zieht immer wieder in seinen Bann und sooft man es zur Hand nimmt, nur schauend oder blätternd oder auch lesend, entdeckt man Neues, Faszinierendes, noch nie Gesehenes, Kunstwerke ungeahnter Vielfalt und doch immer Afrika. Daß eine solche Ausstellung und ihr Buch überhaupt zustande kam, ist das Verdienst des Duos Tom Phillips und Norman Rosenthal, beide von der Royal Academy of Arts in London, Kenner, Sammler und offenbar auch Organisationsgenies. Die Liste der sich beteiligenden Leihgeber umfaßt alle bedeutenden ethnographischen Museen der Welt, zahlreiche afrikanische Museen, vor allem aber private Sammlungen in großer Zahl. Da afrikanische Kunst verstärkt erst in den letzten Jahrzehnten auf den Kunstmarkt gelangte, ließen die knappen Etats, vor allem der europäischen Museen viele Kunstwerke in private Sammlungen wandern. Hier sind sie nun in einem Werk vereint. Der Kontinent wird in sieben geograpische Regionen eingeteilt. Den Anfang der Reise durch die Welt der afrikanischen Kunst machen das alte Ägypten, Sudan und frühe nubische Königreiche. Die beiden nächsten geographischen Abschnitte befassen sieh mit Ost-und Südafrika, Regionen, die in der Kunstgeschichte Afrikas bisher gegenüber Zentral- und Westafrika stets vernachlässigt wurden. Die Qualität der hier gezeigten Kunstwerke von Äthiopien bis Simbabwe aber zeigt, daß auch in diesem Bereich Afrikas Kulturen von hohem Rang existierten. Nach den neuesten Erkenntnissen begann dort sogar, im Grenzbereich von Kenia und Tansania das ganze Abenteuer der Menschheit. Der 1.6 Millionen alte Faustkeil aus der Olduvai-Schlucht ist das begann. Wen wundert es dann noch, wenn in dieser Region die frühesten transportablen Gemälde der Welt zu finden sind, Kohlezeichnungen auf Schieferplatten. Die nächsten Abteilungen befassen sich mit Zentral- und Westafrika. Statuen und Masken aus Zaire/Kongo, die Skulpturen der Luba oder der Yoruba, die Messing-Arbeiten aus Benin und Kunst aus dem Königreich der Asante stehen für Höhepunkte afrikanischer Kunst. Verblüffend die Vielfalt verwendeter Materialien. Vom Tierdung bis zum Gold, Stein und Elfenbein, Leder, Ton und Raphia, Glasperlen aus Böhmen und natürlich immer wieder Holz. Jedes dieser Materialien wird von afrikanischen Künstlern mit einer expressiven, skulpturalen Formensprache gestaltet, die, wie man weiß, bereits die großen Künstler der klassischen Moderne in ihren Bann gezogen und angeregt hat. Auch Gebrauchsgegenstände, Hocker, Nackenstützen, Trinkgefäße, Türen, Dosen oder Musikinstrumente besitzen diese für die afrikanische Kunst auszeichnende, skulpturale Prägung. Die vorletzte Station der Rundreise führt vom Sahel- und Savannengebiet bis in die südliche Sahara. Einzigartige Terrakotten aus Djenne, Holzskulpturen aus Mali und Schmuck von der Elfenbeinküste fallen hier besonders auf. Mit dem letzten Objekten, Kunstwerke aus den koptischen und islamitischen Blütezeiten Ägyptens, darunter der Mamlukenteppich des MAK Wien, schließt sich der Kreis. Diese letzte Abteilung – Nordafrika -befaßt sich mit der Region, die am seltensten unter der Rubrik „Afrikanische Kunst“ zu finden ist. Zwar ist die Sahara-Kunst der Tuareg noch rein afrikanische Kunst und in der westlichen Sahara finden sich auch frühe Steinritzungen, jedoch wurde das Afrikanische dort schon früh von mediterranen Einflüssen, von Phöniziern und Römern überlagert um dann, seit dem 7 Jahrhundert einer starken Islamisierung zu weichen, die heute noch Kunst und Kultur Nordafrikas prägt. Kein Wunder, daß in dieser Abteilung marokkanische Teppiche und islamisches Kunstgewerbe aus Metall, Glas und Holz in eine gänzlich andere, vertrautere Kunstwelt zurückführen. Dieses letzte Kapitel aber zeigt, ebenso wie manche Objekte aus Ostafrika, daß auch die afrikanische Kunst durch Einflüsse von außen befruchtet wurde. Die mediterranen Kulturen, der Islam und die Araber konnten zwar Afrika nie ganz für sich einnehmen; an den Küsten und von dort ausstrahlend sind mannigfaltige Wechselwirkungen festzustellen. Das Buch „Afrika, die Kunst eines Kontinents“ ist damit nicht nur eine einzigartige Huldigung an den Kontinent Afrika sondern auch ein Anlaß, sich mit den künstlerischen Beziehungen zwischen den Kontinenten zu befassen.

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