Pilgerschaft und Wallfahrt – Zwei Bücher

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Kommentar: Michael Buddeberg, Januar 2011

Besprechung:
Virginia C. Raguin, Dina Bangdel, F.E.Peters (Hrsg), Pilgrimage and Faith – Buddhism, Christianity and Islam, Serindia Publications, Chicago 2010, 356 Seiten, Leinen mit Schutzumschlag, USD 85.–, ISBN 978-1-932476-47-7

Adriane Proser (Hrsg), Pilgrimage and Buddhist Art, , Yale University Press and Asia Society Museum, New Haven und London 2010, 212 Seiten, Hardcover, USD 65.–, ISBN 978-0-300-15566-2

Der Glaube, dass an bestimmten Orten das Göttliche besonders nahe ist, dass Ritual und Gebet hier besonders wirksam seien, ist so alt wie die Menschheit. Pilgerschaft und Wallfahrt sind daher Ausdruck eines tiefen und elementaren menschlichen Bedürfnisses und finden sich in unterschiedlicher Ausprägung in allen Religionen. Wallfahrten zu Heiligen Stätten kennt man aus der griechischen und römischen Antike ebenso wie bei den alten Ägyptern und im frühen Persien oder Indien. Und selbstverständlich sind Pilgerschaft und Wallfahrt ein ursprünglicher und unverzichtbarer Bestandteil religiöser Praxis in den drei großen Weltreligionen Christentum, Buddhismus und Islam.

Nahezu zeitgleich haben sich in den USA zwei Ausstellungen dem Thema Wallfahrt gewidmet, insbesondere der damit verbundenen materiellen Kultur. Auch wenn innere Werte, religiöse Verehrung, die Suche nach neuen spirituellen Erfahrungen, nach Läuterung, Vergebung und Erkenntnis im Vordergrund stehen, so sind doch fast immer materielle Begleiterscheinungen, ist gar Kunst mit im Spiel. Schon immer haben Pilger von ihren Reisen Souvenirs mit nach Hause gebracht, und die Produktion und der Handel mit diesen Devotionalien war immer schon ein blühender Geschäftszweig. Vor allem aber hat die Wertschätzung und Verehrung der von Pilgern besuchten Heiligen Stätten Kunst hervorgebracht. Es sind Bilder und Statuen Heiliger, Reliquienbehälter, Schreine, Amulette und natürlich Baudenkmäler, Kapellen, Stupas, Kirchen und Moscheen. Beide Ausstellungen befassen sich mit der Wechselwirkung zwischen Wallfahrt und Kunst, mit der Frage also, welche Kunst durch Wallfahrt entsteht und wie Kunst ihrerseits Pilgerschaft und Wallfahrt beeinflusst. Dabei richtet die noch immer durch die USA tourende Ausstellung „Pilgrimage and Faith“ (bis Mai 2011 im Harnett Museum of Art in Richmond/Virginia) einen vergleichenden Blick auf Christentum, Buddhismus und Islam, während sich die in der Asia Society in New York 2010 gezeigte Ausstellung „Pilgrimage and Buddhist Art“ auf buddhistische Kunst beschränkte. Die beiden zu diesen Ausstellungen erschienen Bücher sollen hier gegenüberstellend gewürdigt werden.

Um das Ergebnis gleich vorwegzunehmen: „Pilgrimage and Faith“ ist kein Katalog, sondern eine Sammlung von drei Dutzend Essays, die in ihrer Gesamtheit das Phänomen von Wallfahrt und Pilgerschaft in den großen Weltreligionen, deren unterschiedliche Ausprägungen, vor allem aber die verblüffenden Gemeinsamkeiten recht umfassend beleuchten, während „Pigrimage and Buddhist Art“ ein echter Ausstellungskatalog ist, der die 92 ausgesuchten Exponate aus nordamerikanischen Museen und Sammlungen vom Tsa Tsa aus getrocknetem Lehm bis zum Abbild des Buddha in der Kunst von Gandhara vorzüglich beschreibt und abbildet und in dem die einführenden Texte lediglich einen das Thema zusammenfassenden Rahmen bilden. In allen drei Religionen sind die Wirkstätten der Stifter Jesus, Buddha und Mohammed die wichtigsten Ziele der Pilger. Wallfahrten zu diesen Heiligen Plätzen haben schon früh begonnen und besitzen eine bis heute ungebrochene Tradition. Lumbini, der Geburtsort von Buddha, Bodhgaya, der Platz seiner Erleuchtung, Sarnath, wo Buddha seine erste Rede hielt und sein Sterbeort Kushinagara wurden vermutlich schon unter König Ashoka im 3. Jahrhundert v.Chr. Ziel buddhistischer Pilger. Erste Wallfahrten nach Jerusalem und Bethlehem dürften in das 3. Jahrhundert zu datieren sein während die Tradition von Mecca und Medina als Wallfahrtsorte sogar bereits in vorislamischer Zeit begründet wurde. Wallfahrt ist stets eine Reise zu einem entfernten Ort, ist physischer und zeitlicher Aufwand, ist Trennung von Heim und Familie, und der mit Wallfahrt angestrebte innere Prozess ist zwingend mit Strapazen, Entbehrung oder gar Askese, mit Verinnerlichung und Gebet verbunden. Rituelle Kleidung, das weiße Gewand der Mecca-Pilger, Pilgerstab und Gurde, Gebetshilfen wie Rosenkranz und Gebetskette und mitgeführte Amulette und deren Behälter, etwa der tibetische gau, sind Beispiele einer durch Wallfahrt entstandenen materiellen Kultur. Prachtvolle tibetische Gebetsmühlen aus Silber und Jade, verziert mit Türkisen und Rubinen oder fein gearbeitete gaus, die von tibetischen Pilgern bei der Prostration, der durch Niederwerfungen vollzogenen, monatelangen Pilgerreise auf dem Rücken getragen werden, zeigen, dass Entbehrung und Askese, getragen von verehrender Andacht auch mit der Zurschaustellung kunstvoller Artefakte kombiniert werden kann. Neben den primären Heiligen Stätten der Religionsstifter entstanden durch die Präsenz oder das Wirken von Heiligen und Wundertätigen, durch die Bewahrung und Präsentation von Reliquien, von der Asche oder Knochenresten heiliger Personen bis hin zu Gegenständen aus ihrem Besitz, oder an von der Natur mit besonderer Schönheit bedachten Plätzen, in erster Linie markanten Bergen, ungezählte sekundäre Pilgerstätten. Kalvarienberge und Kreuzwege, der bekannteste wohl die Camino nach Santiago de Compostela, die Grotten und Höhlen von Lourdes, Ajanta oder Dunhuang, Schreine islamischer Heiliger, Stupas in der buddhistischen Welt von Indien bis nach Südostasien, die Berge des Wutai Shan in China und natürlich der Kailash, jenes Schneejuwel im entlegenen Westen Tibets, das für Buddhisten, Hindus und Jainas das Zentrum der Welt bedeutet, sind nur einige Beispiele für solche sekundäre und hoch verehrte Pilgerziele. Eine Malerei auf Seide, 9. Jahrhundert, aus einer der Höhlen von Dunhuang, eines der schönsten Thangkas, die berühmte Grüne Tara, 11. Jahrhundert, aus der Ford Collection und zeitgenössische Fotos des japanischen Fotografen Kenro Izu, der es wie kein anderer versteht, die mystische Atmosphäre Heiliger Stätten fotografisch zu bannen, sind Belege buddhistischer Wallfahrt und Höhepunkte des Kataloges der Asia Society. Von den vielen Essays des bei Serindia erschienenen Bandes sei zum Schluss einer herausgegriffen: Die Thailändische Tibetologin Krisadawan Hongladarum hat im Jahre 2007 im Gedenken an die indischen Heiligen Atisha und Padmasambhava den 80 km langen Weg von Nyethang nach Samye durch Niederwerfungen zurückgelegt. Ihr Tagebuch über diese Prostration von 18 Tagen und den Gewinn an innerer Erfahrung ist ein einzigartiges Dokument für die Bedeutung und ungebrochene Aktualität von Pilgerschaft und Wallfahrt und eine aktuelle Fortsetzung der Berichte aus berühmten Tagebüchern früher chinesischer Pilger des 6 Jahrhunderts oder dem des Ibn Battuta (1304-1369). Wir begegnen zwei ganz unterschiedlichen Sichtweisen auf das gleiche Thema, zwei Büchern also, die sich in der Vermittlung von Wissen und Information und der Darstellung einer ganz besonderen materiellen Kultur der Wallfahrt wunderbar ergänzen.

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