Drei Teppichbücher zur ICOC-Tour Wien-Budapest 2014

Autor/en: siehe unten
Verlag: siehe unten
Erschienen: siehe unten
Seiten: siehe unten
Ausgabe: siehe unten
Preis: siehe unten
ISBN: ohne
Kommentar: Michael Buddeberg, Oktober 2014

Besprechung:

Helmut Eberhart, Von Anatolien bis Indien – Klassische Orientteppiche vom 15. bis zum 18. Jahrhundert aus privaten Sammlungen, TKF – Gesellschaft zur Förderung der Textil-Kunst-Forschung, Wien 2014, 80 Seiten, Broschur, € 29,00,

Georg Butterweck, Csenge Rozsa-Jäger, Die Studiensammlung Ferenc Batári, TKF – Gesellschaft zur Förderung der Textil-Kunst-Forschung, Wien 2014, 104 Seiten, Broschur, € 25,00

Armenian Rugs Society, Armenian Rugs and Textiles – an Overview of Examples from four Centuries, Wien 2014, 128 Seiten, Broschur, € 35,00

Fragmente – die Rede ist hier von Teppichfragmenten, von antiken Teppichen, von denen sich nur mehr oder weniger große Teile erhalten haben. Das Fragment zwingt den Betrachter dazu, sich mit einem Ausschnitt oder einem Detail eines Objekts zu beschäftigen und es fordert die Fantasie, von diesem Fragment auf das große Ganze zu schließen und den einest kompletten Gegenstand, Skulptur, Keramik oder auch Teppich zu imaginieren. Fantasie alleine ist aber nicht genug. Die virtuelle Rekonstruktion von Teppichmustern verlangt Erfahrung und ein breites präsentes Wissen zur Geschichte und Vielfalt von Orientteppichen. Es ist daher kein Zufall, dass sich Fragmente erst seit etwa zwei Jahrzehnten als ernsthaftes Sammelgebiet etabliert haben, nicht etwa wegen der Verengung des Marktes, sondern vor allem wegen der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vertieften Erforschung des Teppichs und der geradezu lawinenhaft anwachsenden Literatur zum Thema. Fragment ist freilich nicht gleich Fragment. Nach dem von Werner Brüggemann geprägten Bild ist es der textile Torso, der sich aus der Zahl der unbedeutenden Fragmente als ein Objekt heraushebt, das die ästhetische Kraft einer künstlerischen Gestaltung potenziert zum Ausdruck bringt.

Die nur für wenige Tage für die aus vier Kontinenten angereisten Teilnehmer der „ICOC-Tour Wien-Budapest“ aufgebaute Ausstellung klassischer Orientteppiche vom 15. bis zum 18. Jahrhundert aus Anatolien, Ägypten, Persien, Indien und dem Kaukasus war nicht nur eine Leistungsschau der in der TKF (Gesellschaft zur Förderung der Textil-Kunst-Forschung) zusammengeschlossenen Sammler, sondern auch ein Fest für den Fragmentliebhaber: Es waren wirkliche Torsi zu sehen. Dabei war es gerade das Nebeneinander von komplett erhaltenen Teppichen und von Fragmenten – beide hielten sich zahlenmäßig etwa die Waage – das für Spannung und ästhetische Überraschungen sorgte. Der schmale Katalog, der insgesamt 30 seltene und frühe Teppiche und Fragmente von Kairo bis Siebenbürgen, von Ushak bis Karapinar und von Lotto bis Ghirlandaio abbildet und kompetent beschreibt, sollte in keiner Teppich-Bibliothek fehlen.

Auch die von der TKF seit längerer Zeit vorbereitete und zur „ICOC-Tour Wien-Budapest“ fertig gestellte Hommage an den 2005 verstorbenen ungarischen Teppich-Wissenschaftler Ferenc Batári glänzt mit einer Anzahl von Teppich- und Textilfragmenten aus Anatolien, Indien, dem koptischen Ägypten und dem Kaukasus. Ferenc Batári hat neben der Sammlung und Betreuung der bedeutenden und wohlbekannten Sammlung des Museums für Angewandte Künste in Budapest auch eine private Studiensammlung angelegt, die bis heute weitgehend unbekannt ist und deren größter Teil im Budapester Museum für Studienzwecke zur Verfügung steht. Von den 107 Stücken dieser Sammlung werden 35 textilhistorisch interessante Stücke, die meisten aus Anatolien, aber auch einige aus dem Kaukasus, aus Turkmenistan und aus Beludschistan ganzseitig abgebildet, beschrieben und analysiert, während die weiteren Stücke lediglich mit kleinen Bildchen und Kurzbeschreibungen vorgestellt werden. Die Publikation macht deutlich, dass Batári für seine Studiensammlung weniger auf konventionelle Muster, sondern mehr auf ausgefallene ästhetische Effekte achtete, die nicht dem Musterverfall, sondern der Suche nach neuen Gestaltungsideen geschuldet waren. Der zweisprachig in deutsch und englisch publizierte Katalog ist ein wichtiges Handbuch für Sammler und Wissenschaftler.

Aus Anlaß der „ICOC-Tour Wien-Budapest“ hat die 1980 in den USA gegründete „Armenian Rugs Society“ im Wiener Palais „Sans Souci“ eine Ausstellung armenischer Teppiche und Stickereien veranstaltet und dazu einen Katalog herausgegeben. Das in der kompetenten aber auch pseudowissenschaftlichen Literatur vielfach und kontrovers behandelte Thema, welche kaukasischen Teppiche in Wahrheit armenische Teppiche sind, findet hier eine durchaus lesenswerte Fortsetzung. Am einfachsten ist die Frage natürlich dort zu beantworten, wo sich im Teppich eine armenische Inschrift befindet, obwohl auch hier die Meinung vertreten wird, dass solche Inschriften lediglich den armenischen Aufraggeber bezeichnen und nichts über Nation und Glauben des Knüpfers besagen. Der Völkermix im Kaukasus, Migration und die Beweglichkeit des Objekts Teppich erschweren das Thema erheblich. Die durch Ulrich Schürmann angestoßene und von manchem echten oder vermeintlichen Kenner genährte Inflation kaukasischer Teppichbezeichnungen nach Orten, Regionen, Stämmen oder Motiven, die häufig und anerkanntermaßen Produkte der Fantasie sind, macht die Sache nicht einfacher. Und schließlich gibt es in dieser Diskussion noch die politische Komponente, denn die Staatsgrenzen im Kaukasus und den angrenzenden Gebieten waren je nach den politischen und Machtverhältnissen vielfachen Änderungen unterworfen. Die Türkei, der Iran, Armenien oder Azerbaijan, um hier nur die wichtigsten derzeitigen Staaten des Kaukasus und Ostanatoliens zu benennen, beanspruchen aber als türkisch, iranisch, armenisch oder azerbeijanisch alle Erzeugnisse, die je innerhalb der heutigen oder ehemaligen Grenzen dieser Staatswesen hergestellt wurden. Fürwahr ein unlösbares Problem! Gleichwohl enthält der zentrale Essay, mit dem der Armenier Dickran Kouymjian den möglichen armenischen Ursprung des Berliner Drachen-Phönix-Teppich diskutiert, beachtenswerte Argumente, darunter die Adaption des aus dem chinesisch-mongolischen Kulturraum stammenden Drachen-Phönix-Motivs in frühen armenischen Handschriften. Der weitere Beitrag der amerikanischen Kunsthistorikerin Lauren Arnold, die die in italienischen Renaissancegemälden wiedergegebenen Teppiche als Fluchtgut der von Muslimen aus Anatolien vertriebenen und nach Italien emigrierten Christen wertet – Volker Gantzhorn und sein „Christlich orientalischer Teppich“, Köln 1990, (eine äußerst umstrittene aber dennoch wichtige Monographie zum klassischen Teppich) lässt grüßen – erscheint, vorsichtig ausgedrückt, reichlich exotisch, bietet aber immerhin neuen Diskussionsstoff zu einem in der Teppichwelt bereits abgehakten Thema. Ob schließlich mit den im Katalog wiedergegebenen Objekten – 24 Teppiche mit und ohne armenische Inschriften und 12 Stickereien – das beabsichtigte Ziel erreicht wird, eine neue Klassifizierung westkaukasischer und ostanatolischer Teppiche zu etablieren, mag bezweifelt werden – wer aber in der Diskussion um den armenischen Teppich in Zukunft mitreden will, wird ihn zur Kenntnis nehmen müssen.

Und hier die Bezugsquellen der drei Bücher: Der Katalog der Klassischen Teppiche (€ 29,00) und das Buch über die Studiensammlung Batári (€ 25,00) können von Gert Walter über die Homepage der TKF, www.tkf-textilunst.at, bestellt werden. Das Buch über Armenische Teppiche (€ 35,00) können Sie bei Georg Aznif (info@georgaznif.com oder 0043-1-5453592) bestellen. Selbstverständlich werden zusätzlich Versandkosten berechnet.

Print Friendly, PDF & Email