Burma / Myanmar – Reisefotografien von 1985 bis heute

Autor/en: Jaroslav Poncar
Verlag: Edition Panorama
Erschienen: Mannheim 2013
Seiten: 320
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: € 78,00
ISBN: 978-3-89823-463-4
Kommentar: Michael Buddeberg, März 2014

Besprechung:
2011 erreichte ein großformatiges Panoramafoto des Düsseldorfer Fotografen Andreas Gursky mit dem Titel „Rhein II“ bei Christie´s in New York die Rekordsumme von 4,3 Millionen Dollar. Ein grauer Himmel, vom Wind bewegtes, silbrig glänzendes Wasser, Grünland, ein schmaler asphaltierter Weg, all das in streng horizontaler Schichtung, ein Gegeneinander in sich unterschiedlich strukturierter und unterschiedlich breiter Farbflächen, aufs äußerste reduzierte Ästhetik, fotografische „minimal art“ – ein Spaziergänger am Rheinuferweg hätte wohl kaum zu seiner Pocket-Kamera gegriffen, um dieses Motiv nach Hause zu tragen. Das Foto von Andreas Gursky und sein horrender Preis sind jenseits der entstandenen Diskussion, des vielfachen Unverständnisses und der zweifellos vorliegenden Spekulation eine Bestätigung, dass die Fotografie als Kunstform seit Jahrzehnten anerkannt ist und gesammelt wird. Und wie in der Kunst überhaupt verwischen sich auch hier die Grenzen zwischen reiner und angewandter Kunst, also zwischen künstlerischer und angewandter Fotografie, zwischen abstrakter Bildgestaltung und kunstvoller Wiedergabe des Gegenständlichen in der Architektur-, Industrie- oder Werbefotografie. Und so wie das Panorama einer Rheinlandschaft von Andreas Gursky ein Werk fotografischer Kunst ist, so sind es auch die Fotografien des Kölner Fotografen Jaroslav Poncar von seinen Reisen in Burma und Myanmar. Der Hinweis „Reisefotografie“ im Untertitel des in der Edition Panorama erschienenen Bandes in Großfolio-Querformat und die sich einstellende Assoziation zu den Milliarden Urlaubsfotos von Millionen Reisender ist schieres Understatement, denn ein professioneller, mit der Kunstform Fotografie vertrauter Fotograf wie Jaroslav Poncar bleibt dies auch, wenn er auf Reisen ist. Ja, gerade wenn er auf Reisen ist, denn die aufregendsten Fotos von Poncar sind seine Panoramabilder ferner Länder, sei es aus Tibet, aus Ladakh, aus Afghanistan oder nun aus Burma. Es sind vor allem diese, sich über die ganze Breite von fast 80 Zentimetern des aufgeschlagenen Buches erstreckenden Panoramen, etwa des Lebens auf der Terrasse der Shwedagon-Pagode in Rangun, der Flusslandschaften des Salween und des Irrawady, der fast unwirklichen Tempelstadt Pagan mit ihren in der Savanne verstreuten zweitausend Pagoden oder der schwimmenden Gärten und Pfahlbauten im Inle-See, die den Eindruck von der Schönheit und Vielfalt dieses erst seit kurzer Zeit vom Tourismus entdeckten Landes vermitteln. Die nur von wenigen und professionellen Fotografen beherrschte und praktizierte Fototechnik der Panoramafotografie hat den Effekt, dass sich der Betrachter der Fotos als Bestandteil der Szene oder der Landschaft empfindet, als sei er wirklich dabei und mittendrin. Man muss diese Bilder durchwandern, muss Kopf und Augen bewegen, genau so, wie es eben ist, wenn man Teil eines Geschehens ist oder inmitten einer Landschaft steht. Der andere, nachhaltige Eindruck, den das Buch von Jaroslav Poncars Reisen in Burma von 1985 bis heute vermittelt, ist der eines Landes und von Menschen von liebenswerter Schlichtheit und beneidenswerter Kultiviertheit, getragen und sanktioniert durch das einzigartige Gepräge buddhistischer Religiosität. Unzählige Tempel, Klöster, Stupas und Pagoden, reinweiß oder über und über vergoldet, prägen das Stadt- und Landschaftsbild von ganz Burma ebenso wie die Allgegenwart von Mönchen, Nonnen oder in religiöser und ritueller Verrichtung beschäftigter Pilger und Laien. Die Abbilder des Buddha, der Bodhisattvas und anderer Helfer sind überall anzutreffen, stehend, sitzend oder liegend und in nicht enden wollender Vielfalt von Größe, Formen und Stilen. Den größten, liegend und 180 Meter lang, findet man in einer Pagode in Bago und die kleinsten in den vielen Höhlenheiligtümern, die ebenso wie der berühmte vergoldete Granit-Block der Golden-Rock-Pagode, der der Legende nach nur durch ein Haar Buddhas in seiner labilen Lage gehalten wird, von Strömen andächtiger Pilger besucht werden. Portraits und lebendige Bilder von Märkten, Festen und Handwerkern bei ihrer traditionellen Arbeit runden das Bild eines Landes mit einer Religiosität und Lebensart, die von der Globalisierung dieser Welt noch nicht erreicht ist. Die knappen Texte des Asien-Spezialisten John Keay und von Jaroslav Poncar vermitteln Informationen über die wichtigen Kulturdenkmäler, über die beachtlichen, aber wegen der langjährigen, besonderen politischen Verhältnisse heute meist noch brach liegenden wirtschaftlichen Reserven und Ressourcen des Landes und über die ethnische und geographische Vielfalt des sich in Nord-Süd-Richtung über 2000 Kilometer von des Ausläufern des Himalaya bis weit in die malaiische Halbinsel erstreckenden Landes. Doch zurück zu den Panoramafotos, die mit ca. drei Dutzend zwar nicht der Anzahl nach, wohl aber in ihrer phänomenalen Wirkung das Buch dominieren. Hier sind es neben den Stadt-, Fluß- und Seelandschaften vor allem die Panoramen der seit 800 Jahren verlassenen Tempelstadt Pagan, die den Betrachter mitten in eine Wunderwelt versetzen: Am Ostufer des Irrawady, zwischen den grünen Flecken, des wie hingetupft wirkenden Buschlandes, streben die gestuften oben spitz zulaufenden Pagoden auf einer Fläche von mehr als 30 qkm in märchenhafter Fülle gen Himmel. Etwa zweitausend dieser großartigen Bauten sind noch immer erkennbar; einst, vom 11. bis zum 13. Jahrhundert, mögen es zehn mal so viele gewesen sein. Vom Nebel des frühen Morgens bis zur theatralischen Beleuchtung durch die tief stehende Sonne am Abend wird hier eines der großartigsten und geheimnisvollsten Kultur- und Architekturdenkmäler unseres Globus beispielhaft fotografisch präsentiert – und das zum Preis eines kaum errechenbar kleinen Bruchteils des Rheinpanoramas von Andreas Gursky.

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