50 Song Ceramics from the Laiyantang Collection

Autor/en: Mason M. Wang
Verlag: Orientations
Erschienen: Hong Kong 2010
Seiten: 124
Ausgabe: Hardcover
Preis: HKD 600.–
ISBN: ohne Angabe
Kommentar: Michael Buddeberg, Mai 2011

Besprechung:
Es war im Jahre 1708/9 als der Alchemist Johann Friedrich Boettger in der von August dem Starken in Meißen eingerichteten Werkstatt erstmals weißes, durchscheinendes Steinzeug aus seinem Brennofen holen konnte. Während man die Erfindung des Porzellans in Europa also zeitlich exakt bestimmen kann, ist das in China, dem eigentlichen Ursprungsland des weißen Goldes nicht so einfach. Hochgradig gebranntes Steinzeug, so genanntes „Protoporzellan“ kannten die Chinesen schon in der Bronzezeit, schätzten es aber im Vergleich zu diesem vielseitigen Metall eher gering. Es dauerte dann auch noch fast zwei Jahrtausende, bis in einem allmählichen Prozess der Verfeinerung durch Auswahl der Grundbestandteile und Verbesserung der Brennverfahren aus Steinzeug Porzellan wurde. Gewisse weiße Waren der Nördlichen Qi- und Sui-Zeit (581-618) aus feinem, weiß brennenden Ton mit einer nahezu farblosen und transparenten Glasur kann man dann als das erste chinesische Porzellan bezeichnen. Dennoch dominierte Steinzeug und nicht Porzellan die chinesische Keramikproduktion noch für viele weitere Jahrhunderte. Sogar die Keramik der Song-Dynastie (960-1279), die vielen Experten und Sammlern als später nie wieder erreichter Höhepunkt gilt, war kein Porzellan sondern feines Steinzeug. Keramik war schon unter der Tang- Dynastie (618-907) von der bis dato vorwiegenden Verwendung als Grabbeigabe in den Rang begehrter Luxuswaren aufgestiegen, erreichte die technische und ästhetische Qualität erst unter den Song ihr einzigartiges Niveau. Zahlreiche Brennöfen im Süden und Norden das Landes – so viele wie nie zuvor – rivalisierten miteinander in Einfallsreichtum und Perfektion, und ihre Produkte wurden von Kennern und Sammlern mit Ehrfurcht und Andacht betrachtet. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Der international bekannte chinesische Sammler und Experte Mason M. Wang, dessen bedeutende Sammlung, die Laiyantang Collection, alle Spielarten chinesischer Kunst und chinesischen Kunstgewerbes umfasst, hat in 40 Jahren eine Sammlung von Keramik der Song-Dynastie zusammengetragen, die ihresgleichen sucht. Die 50 schönsten und seltensten Stücke wurden nun von Orientations, der international führenden Zeitschrift für ostasiatische Kunst, in einem großformatigen Band mit wundervollen Fotos, exakten Beschreibungen und unter Angabe von Vergleichsobjekten in führenden Sammlungen und in der Literatur publiziert. Natürlich sind die berühmtesten Manufakturen der Song-Dynastie – man spricht hier traditionell von Brennöfen oder einfach nur von „Öfen“ – mit herausragenden Stücken vertreten und man kann trefflich darüber nachdenken und diskutieren, was denn nun die schönsten Keramiken sind, die prachtvoll geformten Vasen aus Dingyao mit ihrer weißen, kühl und fast wie Silber glänzenden Glasur, die Yaozhou-Ware mit einer Seladon-Glasur, die den zart geschnittenem Blumendekor von Päonien und Chrysanthemen wunderbar betont oder die Teller, Schalen und Vasen aus dem Ofen von Junyao, wo die Keramiker Kupferoxyd in fantasievollen, asymmetrischen Wolkenformen auf die grüne Glasur auftrugen, das sich im Brand in tiefes Purpurrot verwandelte. Klassik-Liebhaber werden den Seladon-Waren aus Longquan den Vorzug geben, deren zart lichtgrüne Glasuren wie keine anderen den Eindruck edler Jade vermitteln. Aber wie auch immer diese Entscheidung über den bevorzugten Ofen ausfallen mag – klar wird, dass diese zweihundert Jahre der Song-Dynastie die reichste und fruchtbarste Periode der chinesischen Keramik war. Und das, obwohl sich Keramik aus dem berühmtesten aller Öfen der Song, die so genannte Geyao-Ware, nicht (mehr) in der Laiyantang Collection befindet. Warum das so ist erfahren wir aus dem von Masong Wang selbst verfassten Text. Tatsächlich gelang es dem Autor und Sammler 1983 auf einer Auktion in Hongkong eine Geyao-Vase und ein Jahr später in London eine gefußte Schale, beide mit der für Geyao-Waren typischen Craquelée-Glasur, zu erwerben. Diese Glasur, die den Gegenstand mit einem unregelmäßigen und doch harmonisch ausgewogenen Netz feiner Sprünge überzieht, im besten Fall sogar in zwei verschiedenen Farben, „gold-thread and iron-wire“ genannt, verleiht der Keramik eine unerhörte Lebendigkeit, ist aber extrem schwer herzustellen. Die schönsten und makellosen Geyao-Stücke stammen aus der Song-Zeit, während spätere Kopien aus der Ming- (Xuande 1426-1435 und Chenghua 1465-1487) und der Qing-Dynastie (Yongzheng 1723-1735) diese Qualität und Perfektion nie ganz erreichen. Wang war sich sicher, dass seine beiden Geyao-Keramiken in der besten, also der Song-Zeit gebrannt wurden; die Auktionatoren hatten sie indessen in die Ming-Zeit datiert, so dass das Interesse für diese Stücke mäßig und die Preise niedrig waren. Gut 20 Jahre später – der Sammler hatte seine Geyao-Stücke getreu einer chinesischen Devise, dass ein Sammler seine jahrtausende alten Schätze immer nur eine begrenzte Zeitspanne sein eigen nennen darf, wieder in Auktionen gegeben – war sich die Fachwelt einig, dass es Song-Stücke sind und honorierte dies mit einem heißen Bietgefecht und einem hohen sechsstelligen Zuschlag, das 250fache des von Wang bezahlten Betrages. Die von Wang aus diesem deal so gar nicht bescheidene Moral lautet schlicht: „Kaufen und verkaufen ist nicht Glücksache sondern Wissen und wer nicht das Auge hat, hat keine Chance.“ Ob man dem nun zustimmt oder nicht, – fast jeder Sammler hat die Erfahrung gemacht, dass auch Glück und Zufall wichtige Erwerbskomponenten sind – diese vom Sammler und Autor detailreich erzählte Geschichte seiner Geyao-Keramiken ist der Stoff, der aus einem Katalog exzellenter Song-Keramik ein spannend zu lesendes Buch macht.

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