Art of the Samurai – Japanese Arms and Armor, 1156-1868

Autor/en: Morihiro Ogawa (Hrsg)
Verlag: The Metropolitan Museum of Art – Yale University Press
Erschienen: New York – New Haven – London 2009
Seiten: XII 344
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 45.– englische Pfund
ISBN: 978-0-300-14205-1 (Yale University Press)
Kommentar: Michael Buddeberg, Januar 2010

Besprechung:
Mit dem kaiserlichen Edikt des Tenno im Jahre 1876, das das Tragen von Schwertern in der Öffentlichkeit verbot, endete das traditionelle Leben der Samurai und ihre privilegierte Stellung in der japanischen Gesellschaft. Die bewusste und rasche Übernahme westlicher Technologie, Mode und Lebensart, vor allem aber auch westlicher Waffentechnik beendete ein feudales, ganz auf kriegerischen Qualitäten gegründetes Gesellschaftssystem, das Japan seit dem Mittelalter geprägt hatte. Im 12. Jahrhundert riss eine machtvolle Kriegerfamilie die Macht an sich, degradierte Kaiser und Hof auf rein repräsentative Funktionen und begründete eine Abfolge von Shogunaten, ein auf militärischer Organisiation und Kriegsführung aufbauendes politisches System mit strenger Hierarchie, an dessen Spitze die Samurai, der Kriegeradel, standen. Mit der erfolgreichen Abwehr der von Kublai Khan geführten Mongoleninvasion im Jahre 1274/81 bewährte sich dieses System, doch in den nachfolgenden Jahrhunderten bescherte es Japan eine nicht enden wollende Dauerfehde unter dem Militäradel und damit einen permanenten inneren Kriegszustand. Erst unter dem Shogunat der Tokugawa in der Edo-Zeit (1603-1867) kehrte dauerhafter Frieden ein, der dem Land einen ungeahnten ökonomischen und sozialen Aufschwung brachte. Noch immer aber standen die Samurai, der Hof- und Kriegeradel, an der Spitze der sozialen Rangordnung Japans, stellten Regierungs- und Verwaltungsbeamte aber auch Gelehrte, Ärzte, Künstler und Wissenschaftler. Doch das Fehlen kriegerischer Auseinandersetzungen, der vor allem Handwerker und Kaufleute begünstigende soziale Wandel und wirtschaftliche Aufschwung Japans, die sich dadurch ständig verschlechternde wirtschaftliche Lage der Samurai und schließlich die politisch-militärische Intervention der westlichen Mächte führten seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem tief greifenden Wandel, dem das Herrschaftssystem der Samurai zum Opfer fiel. Aber dem Verbot von 1876 zum Trotz ist das Schwert als Symbol für den Geist der Samurai, ist der Mythos der Samurai bis heute nicht verblasst. So ist es auch kaum verwunderlich, dass eine der „Kunst der Samurai“ gewidmete Ausstellung des Metropolitan Museum in New York (bis 10.01.2010) und das dazu erschienene Buch fast ausschließlich den kriegerischen Artefakten dieser Kaste, vornehmlich ihren Schwertern und Rüstungen gewidmet ist. Die über 200 Exponate, fast ein Drittel davon Schwerter, ein weiteres Viertel Rüstungen und Rüstungsteile, vor allem Helme und der Rest militärische Ausrüstung wie Schwertscheiden, Schwertzierrate, Tsuba, Sättel, Steigbügel sowie Textilien, Bildrollen und Stellschirme stammen aus über 60 japanischen Museen, Tempeln, Schreinen und privaten Sammlungen und sind weltweit das Beste, das dieses Genre zu bieten hat. Die schiere Anzahl offizieller japanische Zertifizierungen, nicht weniger als 34 „Nationale Schätze“ und 64 „Wichtige Kulturelle Objekte“ belegen die außerordentliche Bedeutung dieser nie zuvor, auch nicht in Japan zur Schau gestellten Sammlung. Zusammen mit den Beiträgen führender japanischer Wissenschaftler ist das Katalogbuch das sorgfältigste und detaillierteste Werk auf diesem Gebiet in einer westlichen Sprache und gewiss auf Jahrzehnte das Standardwerk für Wissenschaftler, Sammler und Liebhaber dieser spezifisch japanischen Kunstform. Symbolisch, funktional, ästhetisch und technologisch ist das Schwert des Samurai gewiss der Höhepunkt dieser wehrhaften Kunst. Wie fast alle japanischen Errungenschaften wurden die Technologien der Metallbearbeitung über Korea und China vom Festland übernommen und in Japan vor allem in der Kamakura-Zeit (1192-1338) zu einer beispiellosen Perfektion entwickelt. Das hochgeachtete Schmiedehandwerk war stets den Angehörigen des Krieger- und Hofadels, also den Samurai vorbehalten, und die Herstellung eines Schwertes gleichsam ein ritueller Akt. Aus besonderem Rohstahl wird auf speziellem Kiefernholzfeuer in zahlreichen Vorgängen aus Überlappen, Schweißen, Schmieden und Abkühlen ein Rohling geschaffen, der sich aus hunderten Lagen Stahl mit unterschiedlichem Kohlenstoffgehalt zusammensetzt und aus dem durch kontinuierliches Hämmern Klinge und Griff geschmiedet werden. Das Anlegen und Härten der Schnittkante schließlich ist eine geheimnisumwobene Prozedur, die jedem Schwert Individualität und Charakter verleiht. Anschließend beginnt das Polieren, durch das in zahlreichen, aufwändigen Arbeitsgängen der typische strahlende Glanz der Klinge entsteht. Die Mehrzahl der im Buch eingehend beschriebenen und im Ganzen aber auch im Detail abgebildeten Schwerter stammt aus dem 13. und dem 14. Jahrhundert (Kamakura-Zeit) und sie sind allesamt signiert. Im genauen Vergleich mit späteren Exemplaren aus der Muromachi- (1338-1573), der Momoyama- (1573-1603) und der Edo-Zeit lassen sich stilistische und technologische Entwicklungen ableiten, die dem Fachmann und Spezialisten Hinweise auf Alter und Provenienz geben und das Erkennen von Fälschungen ermöglichen. Für den Laien ist interessant, zu erfahren, dass jedes Detail dieser Schwerter, jeder Bereich, jede Krümmung, jede Länge und jede Form und jede durch Länge und Form bestimmte Proportion eigene Namen und Bezeichnungen besitzt. Das vielseitige Glossar ist daher ein überaus wichtiger Bestandteil des Buches und erschließt diese ganz eigene Terminologie von Schwertern und Rüstungen. Auch diese Rüstungen sind eine spezifisch japanische Entwicklung, bei der sich überlappende, kleine Metall- oder Lederplättchen in parallel übereinander liegenden Reihen dicht mit farbigen Textil- oder Lederschnüren verknüpft werden. Der ältere Rüstungstyp, im Katalog durch ein ehrwürdiges Exemplar aus dem 12. Jahrhundert vertreten, war ganz auf die Bedürfnisse des berittenen Bogenschützen zugeschnitten, gab ihm die nötige Bewegungsfreiheit und den spezifischen Schutz. Der asymmetrische Langbogen war zu jener Zeit eine äußerst wirkungsvolle Waffe, die erst dann gegen das scharfe Schwert eingetauscht wurde, wenn der Pfeilköcher leer und der Nahkampf unvermeidlich war. Die farbige Verbindung der Rüstungsplättchen, das Aufkommen harnischartiger, größerer Rüstungsteile, metallene Gesichtsmasken, die Verwendung von Seide, Gold und Silber, vor allem aber der phantasie- und kunstvolle Helmzierrat machen die japanischen Rüstungen zu den dekorativsten der Welt, die ihre besondere, oft martialische Ästhetik aus der Kombination hochspezialisierter Techniken und dem Zusammenspiel verschiedenster Materialien beziehen. Beeindruckend sind vor allem die oft pittoresken Helme mit stilisierten Hörnern von Hirsch und Büffel, feuerspeienden Drachen, riesenhaften Hummerscheren und anderen, der Tier- und Pflanzenwelt entlehnten Motiven. Die Phantasie der vor allem in der Edo-Zeit entstandenen Repräsentationsrüstungen kennt hier keine Grenzen. Es ist der behutsamen Umformung der japanischen Gesellschaft am Ende des 19. Jahrhunderts zu danken, dass in Japan ein solch bedeutendes Erbe der Kunst der Samurai erhalten ist, wie es der Katalog repräsentiert. Das Verbot des Schwerttragens im Jahre 1876 war als symbolischer Akt für die bis dahin privilegierten Familien einschneidend; doch im Übrigen wurden den alten Samurai-Familien die Chance gegeben, an der politischen, sozialen und kulturellen Neuordnung des modernen Japan maßgeblich mitzuwirken was sie auch taten. So haben sich viele der Kunstwerke über die Jahrhunderte bis heute im Familienbesitz erhalten. Und wenn man erfährt, dass auch im modernen Japan noch 200 Schwertschmiede tätig sind, gewinnt das Buch sogar eine überraschende Aktualität.

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