Meiji Ceramics – The Art of Japanese Export Porcelain and Satsuma Ware 1868 – 1912

Autor/en: Gisela Jahn
Verlag: Arnoldsche Publishers
Erschienen: Stuttgart 2004
Seiten: 360
Ausgabe: Harcover mit Schutzumschlag und Schmuckschuber
Preis: EUR 99.80
ISBN: 3-89790-197-8
Kommentar: Michael Buddeberg, August 2004

Besprechung:
Als im Jahre 1853 ein Geschwader amerikanischer Kriegsschiffe unter dem Kommando des Commodore Matthew C. Perry in den japanischen Hafen Uraga einlief, bedeutete dies das Ende der jahrhundertelangen Abschottung Japans. Es war zugleich der Beginn einer dunklen Zeit Japans, aus der es sich aber wie ein Phönix aus der Asche in eine neue, moderne Zukunft erheben sollte. Perry überbrachte ein Ultimatum: Japanische Häfen hatten sich binnen eines Jahres dem internationalen Handel zu öffnen. Eine gewaltsame Invasion westlicher Mächte in Japan war die Alternative und sie war ernst zu nehmen. Zu groß war die militärische Übermacht und das westliche Verlangen, sich einen neuen, großen Markt zu erschließen. Eine schwere Krise von Staat und Gesellschaft war die Folge. Die konservativen, feudalen Shogun waren für die Beibehaltung der Isolation, während der neue, selbstbewußte Stand der Kaufleute eine Öffnung Japans für den internationalen Handel und für westliche Technologie anstrebte. Immerhin waren beide Lager so national gesonnen, daß sie eine militärisch unterstützte Kolonialisierung durch die Westmächte unbedingt zu vermeiden suchten. So war die sukzessive Freigabe wichtiger Häfen für den internationalen Handel zwingend, ebenso wie der Abschluß von Handelsabkommen mit den USA und den europäischen Mächten, allerdings zu recht demütigenden Bedingungen für Japan. Das Ende überkommener Gesellschafts- und Herrschaftsstrukturen war dann nur noch eine Frage der Zeit. Ende 1867 erklärte sich schließlich der letzte Shogun bereit, die politische Gewalt wieder in die Hände eines japanischen Kaisers zurückzugeben. Der 15-jährige Tenno nahm die Abdankung an und übernahm am 03.01.1868 selbst die Regierung. Die Meiji-Zeit hatte begonnen, die bis zum Tod des Tenno im Jahre 1912 Japan die gewaltigsten politischen, sozialen und wirtschaftlichen Umwälzungen seiner Geschichte bringen sollten. Ein wichtiges Ereignis in dieser Kausalkette war die Weltausstellung 1862 in London. Private Sammler hatten dort einen japanischen Akzent gesetzt und unter anderem erstmals die im Westen bis dato vollkommen unbekannten japanischen Farbholzschnitte ausgestellt. Ihre Schönheit, die ungewohnte Eleganz der Linienführung und die Freiheit von Mustern und Motiven war eine echte Sensation. Der Japonismus, die Japanmode war geboren. Das junge Japan verstand die Zeichen der Zeit und die in dieser Japanbegeisterung des Westens liegende Chance. Japan war alles andere als eine Industrienation und das einzige Pfund, mit dem sich wuchern ließ, war das traditionelle Kunsthandwerk. Nur durch den Export japanischer Handwerkserzeugnisse konnten die Devisen für den Aufbau und Anschluß japanischer Industie und Gesellschaft an den Westen erwirtschaftet werden. Japanisches Porzellan hat dabei eine dominierende Rolle gespielt. Das Buch der Keramikspezialisten Gisela Jahn beschreibt erstmalig die Entwicklung, die Geschichte und die fundamentale Bedeutung des japanischen Export-Porzellans in der Meiji-Ärea und es zeigt die schönsten Exemplare dieser Gattung aus den wichtigsten Museen und Sammlungen weltweit. Die Autorin untersucht die Gründe, warum dieses in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unglaublich erfolgreiche Produkt heute sowohl bei japanischen wie bei westlichen Experten eher ungeliebt und unverstanden ist. Aus rein ökonomischen Gründen hat es sich der junge japanische Staat damals zum Anliegen gemacht, japanische Exportprodukte in Qualität und Quantität massiv zu verbessern. Das hatte nicht nur die Vergrößerung und Neugründung zahlreicher Manufakturen zur Folge, sondern vor allem das Bestreben, in Form und Dekor genau den westlichen Geschmack zu treffen. Eine Gratwanderung zwischen Tradition und Adaption fremder Formen und fremden Dekors hatte begonnen. Am deutlichsten zeigt sich das in der Malerei. Die Übernahme neuer Technologien bei Pigmenten, Glasuren und Brenntechnik, vor allem aber die Akzeptanz der westlichen Auffassung, daß erst der Dekor oder die Bemalung ein Porzellanobjekt zum Kunstwerk macht, ließ ein Porzellan entstehen, für das es in der japanischen Tradition kein Vorbild gab. Satsuma, eine der ganz großen Manufakturen, mag hier als Beispiel stehen, zeitweise fast als ein Synonym für überreich und prachtvoll bemaltes japanisches Porzellan gebraucht. Verständlich, daß manche Japaner, für die traditionelle Teekeramik aus Steinzeug oder Porzellan den Höhepunkt der Ästhetik bedeutete, darin den Todesstoß für die schönste dekorative Kunst des Landes sahen. Doch heute, über ein Jahrhundert später, überzeugen die Meisterwerke begnadeter Porzellanmaler wie Yabu Meizan, Kinkozan Sobei oder Shoko Takebe, die mit feinem Pinsel und verhaltener Farbigkeit zauberhafte und detailreiche Szenen und Landschaften auf Teller, Dosen und große Vasen malten. Für Japan war die Nachfrage nach hochwertigem Porzellan und anderen kunsthandwerklichen Objekten ein Segen, denn die Verwestlichung hatte ihren Preis. Das Verbot, Schwerter zu tragen (1871), machte nicht nur die Schwertschmiede arbeitslos, sondern auch die zahllosen Handwerker, die den Dekor und Zierrat in Lack, Gold und Silber hergestellt hatten. Durch die Übernahme westlicher Kleidung wurden die beliebtesten modischen Accessoires, Inró und Netsuke, entbehrlich, die am Gürtel einer Anzughose nach westlichem Vorbild einfach keinen Platz mehr hatten. Eine gezielte staatliche Förderung des Kunsthandwerks, die generalstabsmäßig vorbereiteten Auftritte Japans auf den großen Weltausstellungen – 1867 in Paris hatte der letzte Shogun die erste Selbstdarstellung Japans im Westen inszeniert -, und die Einrichtungen von Schulen und Akademien für Kunsthandwerk, oft mit Lehrern aus dem Westen, fingen diese Krise auf und brachten japanisches Kunsthandwerk zu einer neuen handwerklichen Blüte. Eine Rückbesinnung auf die japanischen Wurzeln in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts hatte Einfluß auch auf den Stil des Exportporzellans, das in seinen besten Stücken eine gelungene Symbiose sparsamer japanischer Dekorkunst und westlichem Geschmack darstellt. Es ist neben der Fülle an Informationen über Japans Aufbruch in eine neue Zeit das vorrangige Interesse der Autorin, die Wechselwirkung zwischen japanischem Stil und westlichem Geschmack am Beispiel des Export-Porzellans der Meiji-Zeit aufzuzeigen, den unübersehbaren Einfluß japanischer Dekortechnik auf Europas Art Nouveau und deren Readaption in japanischer Keramik. Das ist mit diesem prächtigen und bestens ausgestatteten Band überzeugend gelungen und die über 250 vorzüglichen Abbildungen der weltweit besten Exemplare dieses Porzellans zeigen, daß seine mangelnde Beachtung in der Kunstgeschichte ganz und gar unverdient ist. Ein umfangreicher Anhang mit einem Signaturenverzeichnis und einem technischen Glossar rundet die Darstellung eines bisher wenig beachteten Bereichs des japanischen Kunsthandwerks ab. Die Feststellung, daß es nicht zuletzt das Export-Porzellan der Meiji-Zeit war, das am Anfang der Industrialisierung Japans stand, zeigt die Bedeutung des Buches von Gisela Jahn.

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