Taoism and the Arts of China

Autor/en: Stephen Little
Verlag: The Art Institute of Chicago in Association with the University of California Press
Erschienen: Chicago and Berkeley 2000
Seiten: 416
Ausgabe: broschiert
Preis: US-$ 34.95
ISBN: 0-520-22785-9
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Der chinesische Philosoph Lao-tse ist auch in der alten chinesischen Literatur mehr Mythos als historische Person, und über seine Lebenszeit ist sich die Wissenschaft uneins. Doch das ihm zugeschriebene Werke über den „Weg und seine Kraft“, mag es nun aus dem 6. Jahrhundert v.Chr. stammen oder späteren Ursprungs sein, hat immerhin eine philosophisches System begründet, aus dem sich Jahrhunderte später sogar eine Religion entwickelte, eine Religion, die neben dem Konfuzianismus und dem Buddhismus bis heute in Taiwan, in Hong Kong und – wieder und immer mehr – auch in China eine wichtige Rolle spielt – der Taosimus. Von diesen drei Lehren des alten China hat der Taoismus und seine Erscheinungsform in der Kunst Chinas im Westen bisher die geringste Beachtung und das wenigste Verständnis gefunden. Aberglaube und Volksreligion sind die Attribute, die dem Taoismus überwiegend anhaften und den Zugang erschweren. Die Ausstellung in Chicago (und in San Francisko bis Mai 2001) und das hier vorgestellte Katalogbuch haben sich daher die Aufgabe gestellt, diese genuin chinesische Philosphie und Religion erstmals umfassend einer westlichen Öffentlichkeit vorzuführen und zwar anhand von Kunstwerken, deren Funktion und Ikonographie von dieser Lehre geprägt wurden. Eine blendende Idee, muß man konstatieren, denn so wie etwa der Buddhismus großartige Werke chinesischer Kunst inspiriert hat, hat auch der Taoismus künstlerische Kreativität befruchtet und damit Spuren hinterlassen, die so etwas wie ein Schlüssel zu seinem Verständnis sind. Das beginnt schon mit den philosophischen Grundlagen: „Tao“, zumeist übersetzt als „Der Weg“, steht für die Leere schlechthin, die irgendwann aus sich heraus den Kosmos generierte, Tao ist Ursprung jeglicher Realität, im Tao sind alle Gegensätze vereint. Aus dieser Leere, aus diesem Chaos entstand die Energie „qi“, entstanden Himmel und Erde und die Vorstellung, daß Substanz und Energie austauschbar sind. Konsequenz ist, daß der Wandel die einzig zuverlässige Konstante im Universum ist. Die daraus abgeleitete menschliche Tugend vom Leben in Einfachheit, vom Leben in Harmonie mit der natürlichen Welt, sind altes chinesisches Lebensprinzip, Ursprung chinesischer Medizin wie auch Gegenstand der Kunst. Harmonie und Gegensatz von Yin und Yang, symbolisiert von Tiger und Drache, oder die Symbolik der acht Trigramme, finden sich beispielsweise auf Spiegeln der Tang-Zeit. Das philosophische Prinzip des Taoismus, daß es jenseits des Tao kein höheres Wesen gibt, macht das Verständnis, daß sich am Ende der Han-Zeit (ca. 200 n.Chr.) der Taoismus zu einer Religion mit einem ständig wachsenden Pantheon von Göttern entwickelt nicht gerade einfach. In dieser Entwicklung – und in der Kunst – ist indessen der Einfluß des Buddhismus, der in jener Zeit aus Indien über die Seidenstraße nach China gelangte, nicht zu übersehen. Das machtvolle Eindringen jenes fremden Glaubens wird es bewirkt haben, daß Lao-tse per kaiserliches Dekret den Rang eines Gottes erlangte und den Reigen taoistischer Gottheiten eröffnete. Steinskulpturen aus den Dynastien der Wei bis Tang zeigen diesen Trend. Mit der Wandlung von der Philosophie zur Religion etabliert sich im Taoismus auch das Ritual als ein Weg, wie der Mensch mit seinen Göttern kommunizieren kann. Musik und Tanz, geweihte Gegenstände und Gewänder, Gebete und Räucherwerk sind Ausdruck dieser Entwicklung. Prachtvolle taoistische Roben des 17. bis 19. Jahrhunderts, kostbare Ritualschwerter und prunkvolle Weihrauchgefäße sind die künstlerischen Zeugnisse dieses Weges. Die eher unkonventionelle Entwicklung vom philosophischen System zur Religion mag den lockeren Umgang mit den Göttern befördert haben. Populäre und regionale Gottheiten wurden ebenso leicht in das taoistische System integriert, wie auch der buddhistische Bodhisattva Guanyin. Prachtvolle Bildrollen bestätigen, daß die drei großen Lehren Chinas letztlich nur verschiedene Wege zum selben Ziel sind. Weitere, vor allem in der Kunst zum Ausdruck kommende Aspekte des Taoismus – wir finden sie wieder durch großartige Rollbilder präsentiert – sind die Betonung der Rolle der Weiblichen in der Welt und der Kult der Unsterblichen. Während das Weibliche und die große Anzahl von Göttinnen – „Kaiserin des Himmels“ oder „Königinmutter des Westens“ mögen hier nur beispielhaft genannt sein – aus dem Prinzip des Yin und Yang erklärbar sein mögen, sind die Unsterblichen und der um sie betriebene Kult nur schwer verständlich. Ihre auf Rollbildern oft sehr unkonventionelle Erscheinung als ausgeprägte Individuen macht deutlich, daß sie sich jeder Definition, jedem Dogma und jeder Tradition entziehen. Es sind normale Sterbliche, die durch physische und spirituelle Verwandlung Vorbildfunktion erlangt haben und Symbole wurden für Moral und Spiritualität. Mit seinen aus nicht weniger als 60 Museen und privaten Sammlungen zusammengetragenen Kunstwerken und den einführenden Essays namhafter Wissenschaftler ist das Katalogbuch ein grundlegendes Werk über den Taoismus und seinen Einfluß auf die Kunst Chinas.

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