Yuegutang – Eine Berliner Sammlung chinesischer Keramik

Autor/en: Regina Krahl
Verlag: G+H Verlag
Erschienen: Berlin 2000
Seiten: 288
Ausgabe: hardbound mit Schutzumschlag
Preis: DM 89.–
ISBN: 3-931768-44-9
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Im 12. Jahrhundert v.Chr. gelang chinesischem Erfindungsreichtum und handwerklichem Geschick zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit die Konstruktion eines Brennofens für Keramik. Zweieinhalb Jahrtausende bevor man in Europa entsprechende Waren herzustellen vermochte, wurde im Südosten Chinas erstmals Steinzeug mit hoher Temperatur gebrannt. War das die Erfindung des Porzellans? Sicher nicht, denn das Ergebnis war zwar dicht, hart und dauerhaft aber der Scherben noch grau und grob. Die genaue Antwort auf die Frage nach dem ersten Porzellan ist ein Problem der Definition, denn zwischen Steinzeug und Porzellan gibt es keine scharfe Trennlinie. Die moderne lexikalische Begriffsbestimmung orientiert sich an der chemischen Zusammensetzung und ist für die historische Betrachtung wenig hilfreich. So bleiben optische und klangliche Kriterien: Porzellan muß weiß sein, durchscheinend und es muß beim Anschlagen glockenhell klingen. Da all diese Kriterien recht relativ sind, läßt sich kaum eindeutig festlegen, wann echtes Porzellan erstmals hergestellt wurde. Porzellan ist damit also kein unverwechselbares Material, das irgendwann einmal erfunden wurde, sondern es ist das Resultat einer graduellen Verfeinerung von Steinzeug, die in China viele Jahrhunderte gedauert hat. Trotz der Unschärfe der Definition wird man gewisse weiße Waren der Nördlichen Qi- und Suizeit (581 – 618), die aus feinem, weiß brennendem Ton bestehen und eine nahezu farblose, transparente und glasartige Glasur aufweisen, wohl als das erste Porzellan bezeichnen können. Damit hat China noch immer einen Vorsprung von mehr als tausend Jahren bevor Johann Friedrich Böttger Anfang des 18. Jahrhunderts am Hofe August des Starken in Meißen das Porzellan „erfand“. Die Entwicklung blieb in China natürlich nicht stehen. In der Tangzeit entwickelten sich Scherben und Glasur zu einer Feinheit und einem Schimmer, der die Kunstsinnigen an Jade und Silber erinnerte. Diese Aura des Wertvollen ließ Porzellan in den Rang einer begehrten Luxusware aufsteigen. Den Höhepunkt erreichte diese Entwicklung während der Song-Dynastie (960 – 1279), als man nicht nur die praktischen Vorzüge feiner Keramik zu würdigen wußte, sondern auch ihr Potential erkannte, ästhetische Ansprüche zu befriedigen. Die Song-Zeit wurde die reichste und fruchtbarste Periode in der chinesischen Keramik. Die Durchgestaltung und Harmonie der Formen, das Feingefühl im Umgang mit den Glasuren, die nuancierten, ungewöhnlichen Farbtöne, bewußt eingesetzte Craquelés und Glasureffekte, all dies erreichte ein Niveau, das später niemals wieder erreicht wurde. Es war der Höhepunkt und auch das Ende einer Entwicklung, denn mit der mongolischen Yuan-Dynastie begann ein neues Kapitel chinesischen Porzellans, in dem das Hauptinteresse nicht mehr der handwerklichen Ausführung galt, sondern der dekorativen Bemalung: Es begann die Ära des „Blauweiß“. Die in Yuegutang vorgestellte, private Berliner Sammlung chinesischer Keramik, zusammengetragen im letzten Quartal des 20. Jahrhunderts, demonstriert die Entwicklung chinesischer Keramik vom Neolithikum bis zum Höhepunkt chinesischer Töpferkunst in der Song-Zeit. 232 qualitätvolle Stücke, von irdenen, geometrisch mit schwarzen und roten Ornamenten bemalten Gefäßen aus neolithischer Zeit bis zu den feinen, mit raffinierten Glasuren versehenen Teeschalen der Song-Dynastie, zeigen die Qualität und Vielseitigkeit chinesischer Keramik, die auf der Welt einzigartig ist. Jedes einzelne Objekt ist nicht nur perfekt und farbig abgebildet, sondern von der Autorin, Regina Krahl, präzise und kenntnisreich beschrieben, zeitlich und örtlich bestimmt und, soweit möglich, sogar dem jeweiligen Brennofen zugeordnet. Die Einleitung gibt einen spannenden Überblick über die Entwicklungsgeschichte von Irdenware, Steinzeug und Porzellan von den Anfängen im 6. oder 7. Jahrtausend v.Chr. bis zum historischen Wendepunkt im 14. Jahrhundert n.Chr. 18 Kapitel, sind dann den einzelnen Gruppen gewidmet, etwa dem frühen Protoporzellan der Shang und Zhou, der Grabkeramik der Tang mit den typischen bleihaltigen Sancai-Glasuren in Grün-, Gelb- und Brauntönen oder der grünen Ware aus Longquan – das Seladon – mit ihrer wunderschönen, zart durchscheinenden Glasur in einem milden Blau- oder Graugrün. Yuegutang, „die Halle der Freude an alten Dingen“, erfreut Auge und Geist und erweist sich als ein modernes Standardwerk zu früher chinesischer Keramik. (- mb -)

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