Indonesia – The Discovery of the Past

Autor/en: Endang Sri Hardiati, Peiter de Keurs (Hrsg)
Verlag: KIT Publishers
Erschienen: Amsterdam (2005/6)
Seiten: 208
Ausgabe: Hardcover
Preis: € 27.95
ISBN: 90-6832-494-2
Kommentar: Michael Buddeberg, Juli 2006

Besprechung:
Koloniales Kunstsammeln ist in Verruf geraten. Die Museen der westlichen Welt sind voller Kunstschätze, die in den Jahrhunderten des Kolonialismus von Eroberern, Abenteurern, Missionaren, Militärs, Verwaltungsbeamten und nur in den seltensten Fällen von Kunsthistorikern oder Ethnologen von ihren entlegenen Stand- und Fundorten mitgenommen wurden. Die Endzeit des Kolonialismus im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war hier besonders effektiv. Man war auf den Geschmack gekommen. Exotische Kunst und ethnologische Artefakte wurden Mode, das Interesse an fernen Kulturen wuchs, und die Expeditions-, Grabungs- und Transporttechnik hatte enorme Fortschritte gemacht. Ganze Gebäude wurden in Museen versetzt und Albert von Le Coq maß den Erfolg seiner Expeditionen nach Zentralasien nach der Anzahl der Kisten, die er zurückbrachte. Das war noch in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts. Heute gilt so etwas als Kunstraub und wird strafrechtlich verfolgt. Die Diskussion geht nun darum, ob dieses koloniale Kunstsammeln auch damals schon dieser strafrechtlichen Kategorie angehörte, ob man es als ein Kavaliersdelikt einzuordnen hat, oder ob vergangene Epochen nicht doch mit den Maßstäben ihrer Zeit gemessen werden müssen. Vom Ausgang dieser Diskussion wird es abhängen, ob die Nofretete von Berlin zurück nach Aegypten reisen wird und ob die Elgin Marbles irgendwann wieder den Fries des Parthenon in Athen zieren werden. Es ist hier nicht der Platz, dieser Auseinandersetzung ein weiteres „Für“ oder „Wider“ hinzuzufügen, sondern es soll ein Beispiel, eine rühmliche Ausnahme dafür gezeigt werden, dass es auch ganz anders ging. Die Rede ist von der Kolonialmacht Holland und ihren Besitzungen in Südostasien, heute das selbständige Indonesien. Auch hier waren es Militärs, Missionare, Verwaltungsbeamte und Kaufleute, die Expeditionen in Java, Sumatra, Bali, Borneo und Celebes unternahmen und, wie es nun mal in der menschlichen Natur begründet ist, sammelten. Diese Sammlungen wurden aber nicht in den Westen verschifft, sondern einer eigens gegründeten Kommission vorgelegt, die dann entschied, was im Lande bleibt und was nach Holland darf. So kam es, dass sich die bedeutendsten archäologischen und ethnologischen Artefakte des indonesischen Kunst- und Kulturerbes heute in zwei Museen befinden, im Indonesischen Nationalmuseum in Jakarta und im Nationalmuseum für Ethnologie in Leiden. Und so war es auch kein Problem, dass beide Museen ihre geteilten Schätze in einer gemeinsamen Ausstellung zunächst in Jakarta und dann in der Nieuwe Kerk in Amsterdam ausstellten. Von dieser rühmlichen Ausnahme des viel geschmähten Kolonialismus berichtet der Katalog. Natürlich war das kein ganz gerader Weg, den die Objekte von ihren Sammlern bis in die beiden Museen nahmen, die in ihrer jetzigen Form am Beginn der 19. Jahrhunderts noch gar nicht existierten. Und man darf sich wohl vorstellen, dass das mit dem Teilen auch nicht immer ganz einfach war. Von diesen komplexen Beziehungen zwischen einer Kolonialmacht und ihrem Dominion, von der Gründung und Funktion der Batavia Society of Arts and Science und vor allem von den Menschen, die hinter diesem außergewöhnlichen Projekt standen, berichtet der Katalog. Und dann sind es natürlich die hier erstmals wieder vereinten Schätze, einzigartige ethnografische Objekte, die berühmten archäologischen Schatzfunde von Combre, Puger Wetan und Muteran, Schattenspielfiguren, Masken, Schmuck, juwelenverzierte Waffen, bedeutende Textilien, der Palastschatz von Lombok, kurz ein großartiges Kaleidoskop südostasiatischer Kunst und Kultur, die das Katalogbuch so empfehlenswert machen. Wunderbar die kleinen massiven Goldstatuen des Buddha Wairocana aus dem 9./10. Jahrhundert (Muteran) oder die vielleicht ein paar hundert Jahre jüngeren, ebenfalls massiv goldenen Buddhas aus Puger Wetan. Sie sind Zeugen einer untergegangenen buddhistischen Kultur, über die wir wohl nie sehr viel mehr erfahren werden als das, was diese kleinen (?) Kunstwerke vermitteln. Höhepunkt der Schau aber ist zweifellos der Goldschatz von Wonoboyo, der erst 1990 unter einem Reisfeld gefunden – und dann natürlich nicht mehr geteilt wurde. 32 Kilo wiegt dieser Goldschatz aus dem 9./10. Jahrhundert und er besteht aus Münzen, atemberaubend schönem Schmuck, Tellern und allerlei Kult- und Hausgeräten und Gefäßen. Herausragend die spektakuläre große Goldschale, auf der in feinster Repousséetechnik der Raub der Prinzessin Sita durch den Dämonenkönig Ravana dargestellt ist. Dass all dies heute ohne jeden Missklang in einer Ausstellung und einem Katalogbuch bewundert werden kann, ist einem vorbildlichen kolonialen Handeln und Denken zu verdanken.

Print Friendly, PDF & Email