Damascus Tiles – Mamluk and Ottoman Architectural Ceramics from Syria

Autor/en: Arthur Millner
Verlag: Prestel Verlag
Erschienen: München, London und New York 2015
Seiten: 320
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: € 75,00
ISBN: 978-3-7913-8147-3
Kommentar: Michael Buddeberg, Januar 2016

Besprechung:
Leider muss man die Besprechung eines Buches über ein großartiges Erbe islamischer Kunst in Syrien, die Fliesen von Damaskus, mit der Klage beginnen, welche unwiederbringlichen kulturellen Werte heute, am Anfang des 21. Jahrhunderts durch einen seit Jahren schwelenden Bürgerkrieg und – schlimmer noch – durch eine Bande krimineller, mordender und brandschatzender religiöser Fanatiker mutwillig zerstört werden. Fassungslos und ohnmächtig musste man zur Kenntnis nehmen, dass ein Welterbe der Menschheit wie der Baal-Tempel in Palmyra gesprengt oder die Altstadt von Aleppo fast zur Gänze in Schutt und Asche gelegt wurde. Und es sind nur die dramatischsten dieser Verbrechen an der Menschheit, die es in die Schlagzeilen der Weltpresse und in die Nachrichten im Fernsehen schaffen; die Plünderung von Museen, die Verbrennung von uralten Manuskripten und die Vernichtung von Statuen, Reliefs und Wandmalereien ist längst tägliche Routine in den vom IS besetzten Regionen und kaum noch einer Meldung mehr wert. Und so muss man leider befürchten, dass durch die sich immer mehr nach Damaskus verlagernden Kämpfe und Zerstörungen auch so mancher an Fassaden oder im Inneren von Gebäuden vorhandener Fliesendekor aus mamlukischer oder osmanischer Zeit in höchstem Maße gefährdet ist. Umso mehr ist zu begrüßen, dass nun im Prestel Verlag eine Dokumentation dieser Fliesen-Kunst von Damaskus publiziert wurde, ein Kompendium mamlukischer und osmanischer Architekturkeramik aus Syrien, das an Kenntnis, Sorgfalt und Vollständigkeit nicht zu überbieten ist. Es ist das erste Buch, das sich ausschließlich diesem Thema widmet, das zu Unrecht im Schatten der berühmten und durch zahlreiche Veröffentlichungen bestens erschlossenen Keramik aus Iznik steht. Damaskus kann immerhin auf eine mehr als 5000jährige Geschichte zurückblicken, hat als Hauptstadt des Kalifats der Umayyaden von 661 bis 750 eine bedeutende Rolle in der Entwicklung der islamischen Architektur und der Herausbildung des islamischen Dekors gespielt – man denke hier nur an die berühmte, 715 aus einer christlichen Basilika entwickelte Umayyaden-Moschee – und war spätestens seit dem Ende des fatimidischen Kalifats im späten 12. Jahrhundert Sitz eines florierenden keramischen Handwerks. Unter mamlukischer Herrschaft im 15. Jahrhundert entwickelte sich für die Damaszener Fliesen ein eigener, unverkennbarer Stil. Vorbild war das damals hochgeschätzte und über die Seidenstrasse in den Westen gelangte chinesische Blau-Weiß-Porzellan der Yuan und der frühen Ming-Dynastie. Vorwiegend hexagonale Fliesen mit meist floralen Mustern und symbolhaften Zeichen in Unterglasur-Blau-Weiß prägen daher die mamlukische Periode. Leider ist nur wenig aus dieser frühen Zeit geblieben, allerdings mit einer Ausnahme: In dem Ghars al-Din Tawrizi-Komplex aus dem frühen 15. Jahrhundert haben sich in Moschee, Bad, Schrein und Mausoleum eine recht bedeutende Anzahl ganz verschieden gemusterter Fliesen in situ erhalten, die zusammen mit Objekten aus Sammlungen und Museen einen guten Eindruck von der Baukeramik in mamlukischer Zeit vermitteln. Deren schönstes Beispiel sind 16 Fliesen eines ehemals aus 25 Teilen bestehenden Paneels im Metropolitan Museum of Art in New York mit einer faszinierenden Kombination eines geometrischen Flechtbandmusters mit deutlich chinesisch beeinflussten Lotosranken und Blüten. Die Herkunft dieses Paneels ebenfalls aus dem Tawrizi-Komplex wird vermutet. Es zeigt neben dem üblichen Blau-Weiß ein wunderschönes, leuchtendes Apfelgrün, das für die Damaszener Baukeramik auch in osmanischer Zeit kennzeichnend bleiben sollte. Diese beginnt 1516 mit der Eroberung von Damaskus durch die Osmanen, und für die nun folgenden 300 Jahre bleibt die keramische Dekoration sowohl im Innen- wie im Außenbereich ein wichtiger Bestandteil der Architektur, der sich in Damaskus und auch an anderen Orten der Region vielfach und prachtvoll erhalten hat. Dabei sind großflächige Fliesenverkleidungen, wie man sie aus den Metropolen Zentralasiens aber auch von den großen Moscheen in Edirne oder Konstantinopel kennt, eher selten. Fliesen dienen hier vor allem der Hervorhebung architektonischer Details und sind ein meist sparsam und gezielt für optische Effekte eingesetztes Schmuckelement. Der Einfluss von Iznik ist natürlich nicht zu verkennen, führt aber nie zu bloßer Imitation; lokale Traditionen und die Dekore aus mamlukischer Zeit prägen den Stil Damaszener Fliesen.

Arthur Millner, ein durch zahlreiche Veröffentlichungen ausgewiesener Kenner indischer und islamischer Kunst, Londoner Galerist und Auktionator, hat mit „Damascus Titel“ sein Opus Magnum geschaffen. Fast 400 Illustrationen zeigen die Entwicklung Damaszener Fliesen-Kunst über den Zeitraum von mehr als sechs Jahrhunderten. Die großen ehrwürdigen Moscheen von Damaskus und Aleppo, der Felsendom in Jerusalem, bekannte und weniger bekannte Grabmäler, Medresen, Bäder, Brunnen und Privathäuser, außen wie innen, dazu aber auch die über Sammlungen und Museen in der ganzen Welt verstreuten Beispiele dieser Handwerkskunst bilden die Vorlagen für ein Kaleidoskop islamischer Fliesenkunst. Auffällig ist immer wieder das mit dem Kobaltblau und Weiß wunderbar harmonierende Apfelgrün bei fast völliger Abwesenheit des reliefartig aufgetragenen Rot oder Purpur, das für Iznik-Waren so kennzeichnend wurde; man blieb in Damaskus bei der traditionellen, vom chinesischen Vorbild abgeleiteten Farbskala. Auch der vorzügliche, begleitende Text lässt keine Wünsche offen. Der historische Rahmen, technische Details zu Material und Farben und die Entwicklung von Form, Farbe und Dekor in der frühen, mamlukischen Zeit, in der als „klassisch“ bezeichneten osmanischen Periode der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und dann bis ins beginnende 19. Jahrhundert, werden ausführlich erörtert. Benachbarte keramische Traditionen von Raqqa, Aleppo und Diyarbakir bis ins südliche Anatolien erweitern das Thema ebenso wie ein Exkurs über Gefäßkeramik, bevor die Rezeption dieser Kunst in Europa in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts, eine Hommage an frühe Sammler und der Einzug islamischer Fliesenkunst in orientalische Interieurs des Westens das Thema abrunden. Eine abschließende illustrierte Anthologie Damaszener Fliesen versammelt Beispiele aus Sammlungen und Museen, aus dem Handel und von Auktionen, ermöglicht Vergleiche mit der Produktion aus Iznik und vervollständigt so den umfassenden Überblick. Ein grandioses Buch, doch so wie sie begonnen hat, muss diese Rezension leider auch mit einer Klage enden: Die mit osmanischen Fliesen verzierten Moscheen al-Adiliyya und al- Khosrowiyya in Aleppo sowie die private Residenz Bayt Jumblatt, die alle von Millner in Wort und Bild zitiert werden, sind inzwischen ganz oder teilweise von Bomben zerstört.

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