Das Porzellan Ostasiens und die Delfter Fayence

Autor/en: Detlev Fraigang
Verlag: Imhof Verlag
Erschienen: Petersberg 2015
Seiten: 352
Ausgabe: Hardcover
Preis: € 69,00
ISBN: 978-3-7319-0135-8
Kommentar: Michael Buddeberg, März 2016

Besprechung:
Der Leser möge dem Rezensenten nachsehen, dass er den in die Irre führenden Haupttitel des Buches einfach wiederholt und sich damit ebenfalls der Irreführung schuldig macht. Der vollständige Titel dieser als Dissertation vorgelegten und in der Reihe der Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte publizierten Forschungsarbeit ist für ein als Blickfang gestaltetes Cover wenig geeignet. Er schafft indessen Klarheit und sei daher hier in voller Länge zitiert: „Das Porzellan Ostasiens und die Delfter Fayence in Interieurs dynastischer Inszenierungen & politischer Selbstvergewisserungsstrategien im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts – Der keramische Besitz in damit gestalteten Interieurs in Residenzbauten des Hauses Oranien, seiner Nebenlinien und anverwandten Häuser zwischen 1619 und 1731.“ Im Klartext handelt es sich bei dieser Arbeit also um die frühe Geschichte „porzellandominierter Interieurs“, also der Porzellankabinette als einer Form des Sammelns und der Präsentation vorwiegend ostasiatischen Porzellans in europäischen Hofkulturen der Neuzeit. Literatur zum Thema Porzellankabinette ist kaum vorhanden, eine umfassende monographische Darstellung fehlt und dieser Mangel wird verständlich, wenn man weiß, dass im Original erhaltene Raumensembles entsprechender Schlossarchitekturen des 17. oder frühen 18. Jahrhunderts ebenso rar sind wie deren bildliche Darstellungen. Damit reduzieren sich die Quellen der Forschung im Wesentlichen auf Besitz- und Nachlassinventare, im vorliegenden Fall auf nicht weniger als 32, zu einem großen Teil bisher unbekannte Inventare des Hauses Oranien. Und diese Quellen sind in der Tat ein wichtiger Schlüssel zum Thema denn das Porzellankabinett ist unzweifelhaft eine niederländische Erfindung, die durch Prinzessinnen des Hauses Oranien und deren Erbauseinandersetzungen im Heiligen Römischen Reich und schließlich in ganz Europa verbreitet wurde. Es soll hier nun nicht der spezifische Gebrauch von Porzellanbesitz als ein Mittel der politisch-dynastischen Selbstdarstellung des Hauses Oranien und auch des Hauses Hohenzollern – zentrale Themen der Forschungsarbeit – vertieft werden. Von allgemeinem Interesse und äußerst lesenswert sind vielmehr die detaillierten Ausführungen über Porzellan als ein zunehmend wichtiger Wirtschaftsfaktor seit dem frühen 17. Jahrhundert. Vorher sehr selten, exotisch und meist dem Bereich Schatzkunst zugeordnet, wurde Porzellan seit Gründung der VOC (Vereenigte Oostindische Compagnie) und der Versteigerung einer ersten gekaperten Schiffsladung chinesischen Porzellans in Middelburg im Jahre 1602 vom kostbaren Luxusartikel zum erschwinglichen Gebrauchsgut der niederländischen bürgerlichen Mittelschicht. Das faktische Monopol der VOC im Ostasienhandel war mit eine der Ursachen, dass die Niederlande ein Goldenes Zeitalter erlebten, und man schätzt das Gesamtvolumen ostasiatischen Porzellans, das den europäischen Markt über die niederländischen Häfen bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts erreichte auf deutlich über 3 Millionen Stück. Dabei war der Handel mit Keramik nur ein Nebengeschäft des in immer größeren Mengen importierten Tees, das vornehmlich in den Händen der Kapitäne, Offiziere und Supercargos lag. Diese nahmen denn auch über Bestellungen europäischer Auftraggeber Einfluss auf Form und Dekor chinesischen und japanischen Porzellans, wovon wappenverzierte Service und nach europäischen Vorlagen bemalte Porzellane aus Ostasien zeugen.

Es liegt auf der Hand, dass die Kunst- und Wunderkammern der Renaissance als Medien fürstlicher Selbstdarstellung in den Porzellankabinetten ihre Fortsetzung fanden. Wie jene dienten auch diese der Visualisierung von Macht. Ganz ähnlich wie die Architektur der Schlösser und Paläste jener Zeit waren auch deren Porzellankabinette als die repräsentativsten Räume dieser Bauten, begehbare Raumkunstwerke und die Präsentation vom feinsten Kunsthandwerk, Deckengemälden, Verspiegelungen, kunstvollen Konsolen und Parkett und nicht zuletzt der überreiche Porzellanschmuck die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Den Anfang machte Amalia von Solms (1602-1675), die wohl um 1634 das erste chinoise Raumkonzept Europas verwirklichte. Als Prinzessin von Oranien und Gräfin Nassau – sie hatte 1625 Friedrich Heinrich von Oranien geheiratet – stattete sie den Hof in Den Haag mit quasi-königlichem Glanz aus und machte ihn zu einem europäischen Zentrum der Kunst. Wesentlichen Anteil daran hatte ostasiatisches Porzellan und die prestigeträchtigen Porzellankabinette verbreiteten sich, nicht zuletzt durch die engagiert betriebene Heiratspolitik zugunsten ihrer Töchter über ganz Europa. Herausragende Beispiele dieser Porzellankabinette mit politisch-dynastischer Ausrichtung sind etwa Schloss Oranienburg, Schloss Caputh und das Charlottenburger Schloss in Berlin, deren ursprünglicher Porzellan-Bestand sich, wenn überhaupt, nur noch aus den Inventaren rekonstruieren lässt. Ebenfalls nur aus den Inventaren kann in einigen Fällen entnommen werden, ob und inwieweit es sich bei den genannten Objekten um Porzellan aus China oder Japan oder um niederländische Fayence vorwiegend aus Delfter Manufakturen gehandelt hat. Auch insoweit hält der Titel nicht ganz, was er verspricht.

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