Autor/en: Supawan Pui Lamsam, Kesang Choden Tashi Wangchuk (Hrsg.)
Verlag: Gatshel Publishing
Erschienen: Bangkok 2012
Seiten: 376
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: USD 115,00
ISBN: 978-616-91289-0-8
Kommentar: Michael Buddeberg, März 2016
Besprechung:
Es gibt wohl kaum eine historisch verbürgte Person, deren nachweisbare Spuren und Daten durch unzählige mit ihr verbundene Mythen und Legenden ähnlich überlagert sind, so dass am Ende ihre Historizität zweifelhaft wird. Die Rede ist von Padmasambhava, dem indischen Tantriker, der im gesamten tibetischen Kulturkreis als der Religionsstifter schlechthin verehrt wird. Zeitgenössische Quellen belegen seine Herkunft als Pflegesohn eines kaschmirischen Königs, seine Ordination als Mönch, seine Wanderschaft in Indien und seine Begegnung mit den verschiedenen Schulen des Buddhismus. In den tantrischen Lehren initiiert und renommiert war es dann im Jahre 786 nur konsequent, dass er einem Ruf des tibetischen Königs Trisong Detsen (742-798) folgte, um im Schneeland die Dämonen der Bön-Religion zu unterwerfen. Und spätestens hier setzen die Legenden ein. Durch überlegene Zauberkräfte gelang es ihm, in kurzer Zeit die Dämonen nicht nur zu besiegen sondern sie sogar als Schützer der Lehre in den buddhistischen Pantheon einzugliedern. Mit welchen überzeugenden Argumenten und auch Tricks ihm das gelang erzählen die Legenden; Tatsache ist, dass es in besonderem Maße seinem Wirken zu verdanken ist, dass der Buddhismus in Tibet Wurzeln schlug. Padmasambhava scharte zahlreiche Schüler um sich, gründete in Samye das erste Kloster in Tibet und er verbarg an geheimen Plätzen für die Zukunft schriftliche Schätze, die so genannten „termas“, die von Nachfolgern in späterer Zeit gefunden wurden und seine Lehren und Grundsätze offenbarten und vertieften – bis heute. Padmasambhava in allen Erscheinungsformen, in denen er in den tibetischen Pantheon Eingang gefunden hat, vor allem als Guru Rinpoche, als der „kostbare juwelengleiche Lehrer“, wird im gesamten tibetischen Kulturraum verehrt, ganz besonders jedoch in dem kleinen buddhistischen Königreich Bhutan. Dort, in den südlichen Gefilden des Himalaya, hat Padmasambhava – und hier sind wir wieder ganz im Bereich der Legenden – fast jeden wichtigen Ort, jede für Meditationen geeignete Höhle besucht und überall seine Spuren und seinen Segen hinterlassen. Am bekanntesten von all diesen Plätzen ist das unweit von Paro in einer steilen Felswand hängende Kloster Taktsang. Der Legende nach hat Padmasambhava diesen Platz und die dort noch heute vorhandene Meditationshöhle auf dem Rücken einer Tigerin erreicht, was dem Platz den Namen „Tigernest“ verlieh. Das kleine Kloster Taktsang ist so attraktiv, dass es jeden zweiten Cover von Bhutan-Büchern ziert. Was Bhutan-Touristen allerdings wegen der restriktiven und streng reglementierten Besichtigungsprogramme in Taktsang ebenso wie in allen anderen Klöstern und Tempeln von Bhutan nur in kleinen Portionen oder gar nicht zu sehen bekommen, ist das Innere dieser sakralen Bauten und deren kostbare Ausstattung mit Statuen und Wandmalerei und damit auch die allgegenwärtige Präsenz von Padmasambhava. Ein wunderbares, ein faszinierendes Buch schafft hier Abhilfe. Unter der Mitherausgeberschaft der königlichen Großmutter des derzeit regierenden Königs von Bhutan, des 36-jährigen Jigme Khesar Namgyal Wangchuk, des fünften Drachenkönigs der seit 1907 regierenden Wangchuk-Dynastie, sind in dem foliogroßen Band die Darstellungen des Zangdok Palri, des Paradieses des Padmasambhava – das ist eine der acht Erscheinungsformen dieses großen Guru – in den Klöstern Bhutans und in Thangkas aus dem Besitz Ihrer Königlichen Hoheit in toto und in allen Details zu sehen. Auf dem mächtigen Gipfel des kupferfarbenen Herrn der Berge erhebt sich der Palast des Padmasambhava auf dem Grundriss eines Mandala, eine mythische Architektur, die der Idee des Weltenberges als Zentrum der drei Reiche, der Unterwelt, der Menschen und der Götter, verpflichtet ist. Und immer ist Padmasambhava, ist Guru Rinpoche in seinem brokatenen Königsmantel und dem Lotoshut, den eine Adlerfeder als Zeichen für den Höhenflug seines Geistes krönt, mit Vajra und Schädelschale in seinen Händen und mit dem magischen Stab zur Seite, im Zentrum der Darstellung. Um ihn herum, in der Peripherie des sich aus dem Weltenmeer erhebenden Berges mit Padmasambhavas Palast und seinen goldenen Dächern sind die Geschichten und Legenden, die sich mit seinem Leben und Wirken verbinden, minutiös dargestellt. Friedvolle und zornige Gottheiten begleiten die Szenerie, man sieht allerlei Tiere, Landschaften, Blumen und Bäume, meditierende Eremiten in Berghöhlen und im Himmel über dem Palast neben Sonne und Mond Musikanten und fliegende Apsaras. Detailaufnahmen und genaue Beschreibungen erschließen die buddhistischen Inhalte. Mit diesem Buch erhalten wir Zugang zu den Heiligsten Plätzen des Landes in Paro, Thimpu, im Tal von Bumthang und in das Allerheiligste der Dzongs von Jakar und Wangdiphodrang, um hier nur die wichtigsten zu nennen. Das Kyichu-Kloster in Paro, der Kuje Lhakhang in Bumthang, die Changangkar-Gompa in Thimpu und natürlich das Tigernest öffnen ihre meist verschlossenen Pforten und gewähren einen detaillierten Blick auf den Kosmos des Guru Rinpoche. Wer allerdings kunsthistorische Informationen über das Alter, den Stil oder gar die Person der Künstler erwartet, Daten der Gründung von Klöstern oder die Errichtung von Tempeln, wird enttäuscht. Das Buch über Zangdok Palri, über die himmlischen Gefilde des jenseitigen Paradieses von Padmasambhava und seinen Palast im Lotoslicht auf dem kupferfarbenen Berg ist von hochrangigen bhutanischen Lamas zu Ehren Buddhas und Padmasambhavas und zu Ehren der Wohltaten der Königlichen Familie für die Heiligen Plätze in Bhutan geschrieben. Eine Vertrautheit mit Grundlagen des Buddhismus und mit buddhistischen Texten ist hilfreich aber auch für den Laien, für den Liebhaber tibetischer Kunst und für jeden Besucher Bhutans ist das opulent illustrierte, sorgfältig gestaltete und aufwändig hergestellte Buch ein Gewinn.
