Asian Ceramics in The Hallwyl Collection

Autor/en: Rose Kerr
Verlag: The Hallwyl Museum
Erschienen: Stockholm 2015
Seiten: 208
Ausgabe: Halbleinen-Hardcover
Preis: ca. € 49,50
ISBN: 978-91-637-8843-7
Kommentar: Michael Buddeberg, Juni 2016

Besprechung:
Stockholm, diese unvergleichliche Metropole des europäischen Nordens verfügt über einen solchen Reichtum an landschaftlichen, städtebaulichen und kulturellen Attraktionen, dass ein einzigartiges Kleinod europäischer Wohnkultur aus dem späten 19. Jahrhundert, das Hallwyl Museum, meist übersehen wird. Der zu seiner Zeit prominente schwedische Architekt Gustaf Clason errichtete in den Jahren 1893 bis 1898 in bester Innenstadtlage Stockholms eine der bemerkenswertesten privaten Residenzen Schwedens. Die besten Handwerker und die edelsten Materialen wurden für den mit Stilelementen venezianischer Gotik und spanischer Renaissance mediterran wirkenden Palazzo aufgeboten. Bauherrin war Wilhelmina von Hallwyl (1844-1930), Tochter des erfolgreichen und schwerreichen Holzhändlers und Holzindustriellen Wilhelm Kempe und Gattin des aus Schweizer Hochadel stammenden Walther von Hallwyl (1839-1921). Das Haus war geplant als Familienwohnsitz der Hallwyls, als geeigneter Ort für die umfangreichen Kunstsammlungen der Wilhelmina von Hallwyl und – man kann über diese Idee und diesen Weitblick nur staunen – als künftiges Museum für Wohnkultur, Lebensstil und Dekoration einer großbürgerlichen schwedischen Familie in spätviktorianischer Zeit. Dies, gepaart mit einem ausgezeichneten Auge für künstlerische und handwerkliche Qualität, einer kosmopolitischen Neigung und Reiselust, die ihr Quellen in ganz Europa und im Nahen Osten erschloss und einer unerbittlichen Ordnungsliebe und Systematik machte Wilhelmina von Hallwyl zu einer der bedeutendsten Sammlerpersönlichkeiten Schwedens, wenn nicht gar Europas. 1938, nur wenige Jahre nach ihrem Tod, wurde das Haus als Museum der Öffentlichkeit übergeben und ist seither unverändert ein herausragendes Zentrum für Kunst, Kunsthandwerk und Wohnkultur jener Zeit. Möbel, Tapisserien, Wohnaccessoires, Teppiche, Silber, Tafelgerät, Textilien, Glas und Keramik ausgesuchter Qualität und eine umfangreiche Gemäldegalerie lassen keine Wünsche offen. Bibliothek und Familienarchiv mit Auktionskatalogen, Korrespondenz, Rechnungen und Notizen, vor allem aber ein aus 78 Bänden bestehender Katalog, der erst 1955 abgeschlossen und in nur 110 Exemplaren gedruckt wurde, erschließen die Sammlung wie kaum eine andere. Gleichwohl ist kaum bekannt, dass die ostasiatische Kollektion von Wilhelmina von Hallwyl mit 694 Inventarnummern und ca. 900 Einzelobjekten der bei weitem größte Bestand des Museums ist. Sie steht zugleich für das außerordentliche Interesse westlicher Sammler an ostasiatischer Keramik im späten 19. Jahrhundert, dem sich auch Wilhelmina von Hallwyl nicht verschließen konnte.

Der zitierte Sammlungskatalog ist aufgrund seiner kleinen Auflage kaum zugänglich und er ist, nach mehr als einem halben Jahrhundert, natürlich durch den aktuellen Stand der Wissenschaft und Forschung überholt. So ist es ein Gewinn für den Freund ostasiatischer Keramik, dass das Hallwyl Museum mit einem von der ehemaligen Kuratorin des Victoria & Albert Museums und ausgewiesenen Kennerin ostasiatischen Porzellans, Rose Kerr, geschriebenen Katalog nunmehr 176 ausgesuchte Stücke der Sammlung in Bild und ausführlicher Beschreibung vorstellt. Aufgeteilt in fünf Gruppen, monochrome Ware, figürliches Porzellan, Blau-Weiß, polychrome Dekorationen sowie eine Handvoll dekorativer Teekannen aus Xixing, dominiert chinesisches Export-Porzellan der späten Ming-Zeit und der Qing-Dynastie unter den Kaisern Kangxi, Chongzheng und Qianlong. Frühes Steinzeug, feine Beispiele aus der Song-Zeit und der mongolischen Yuan-Dynastie, reinweißes Dehua-Porzellan und Keramik aus Korea und Japan runden die Darstellung zu einer repräsentativen Übersicht über mehr als tausend Jahre ostasiatischer Keramik. Einführende Essays von Ingalill Jansson, Kuratorin des Hallwyl-Museum, und von Rose Kerr berichten nicht nur über die Geschichte von Museum und Sammlung, sondern auch über die Rolle, die ostasiatische Keramik spätestens seit dem 18. Jahrhundert in Schweden gespielt hat. Die 1731 in Gothenburg gegründete Schwedische Ostindiengesellschaft (Svenska Ostindiska Companiet) hat zwar, niederländischen und britischen Vorbildern folgend, vorwiegend Tee nach Schweden importiert, daneben aber auch eine riesige Menge an Porzellan – Rose Kerr schreibt von der kaum vorstellbaren Menge von „einigen 50 Millionen Stück“. Diese Zahl mag stimmen oder auch nicht – ein Teil davon gehört zum dauerhaften Bestand der wunderbaren Sammlung von Wilhelmina von Hallwyl.

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