Chinesisches Porzellan in Portugal und Spanien

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Kommentar: Michael Buddeberg, Juni 2016

Besprechung:

Denise Patry Leidy, Maria Antónia Pinto de Matos, Global by Design –Chinese Ceramics from the R. Albuquerque Collection, Jorge Welsh Research & Publishing, London 2016, 240 Seiten, Klappenbroschur, GBP 30,00, ISBN 978-0-9935068-1-9

Cinta Crahe, Chinese Porcelain in Habsburg Spain, Centro de Estudios Europa Hispánica (CEEH), Madrid 2016, 600 Seiten, Hardcover, € 64,00, ISBN 978-84-15245-51-3

Der Siegeszug des chinesischen Porzellans im 17. Jahrhundert ist nicht denkbar ohne die Gier jener Zeit nach exotischen Gewürzen. Denn schon immer war dem Menschen seine Nahrung wichtiger als die Gefäße, aus denen er sie zu sich nahm. Das hat sich bis heute nicht geändert; man vergleiche nur die unübersehbare Kochbuchliteratur mit der vergleichsweise bescheidenen Zahl der Publikationen über Porzellan, Keramik und anderes Essgeschirr. Jene Gier nach exotischen Gewürzen erhielt an der Wende vom 15.zum 16. Jahrhundert – man spricht hier heute vom Beginn der Neuzeit – entscheidende Impulse. Neue Technologien im Schiffsbau und entscheidende Fortschritte in der Navigation rückten die legendären Gewürzinseln in eine erreichbar scheinende Nähe. Damit hatte das Zeitalter der großen Entdeckungen begonnen. Der Portugiese Bartholomeo Diaz hatte 1487 als erster die Südspitze Afrikas umschifft und Columbus erreichte in spanischen Diensten nur wenige Jahre später, in entgegengesetzter Richtung segelnd, einen Kontinent, den er für Indien hielt. Ein Waffengang der beiden damals die Meere beherrschenden iberischen Mächte Portugal und Spanien über die Vorherrschaft in den neu entdeckten Welten schien unvermeidbar. Dem Borgia-Papst Alexander VI gelang es dann 1494 mit dem Vertrag von Tordisillas die Welt zwischen den beiden iberischen Seemächten aufzuteilen. Eine mit dem Lineal gezogene Trennlinie von Pol zu Pol, mitten durch den atlantischen Ozean – um deren genaue Lage freilich erbittert gerungen wurde -, sicherte Portugal den Weg um das Kap der Guten Hoffnung, während Spanien das Monopol für den Weg nach Westen erhielt. Die Wirkung und Dauerhaftigkeit dieses Vertrages zu Lasten Dritter – England, Frankreich oder die Niederlande waren nicht gefragt worden, geschweige denn Vertragsparteien – soll hier nicht weiter untersucht werden; die Präsenz von chinesischem Porzellan in Portugal und Spanien, damals und auch noch heute, sollte der Vertrag von Tordisillas jedoch entscheidend beeinflussen.

Zwei Bücher, wie sie unterschiedlicher nicht sein können, das eine handelt vom Überfluss und das andere vom Mangel, haben dennoch beide ihren Ausgangspunkt in der Aufteilung der Welt im Vertrag von Tordisillas. Der Katalog von 48 chinesischen Porzellanobjekten der Sammlung Albuquerque im New Yorker Metropolitan Museum hat einen Schwerpunkt bei den so genannten „first orders“, das waren die frühen Bestellungen von Porzellan in China durch den portugiesischen Hof, während die akribische Suche von Cinta Krahe nach frühem chinesischen Porzellan in Spanien deutlich macht, dass dort die aus Gold und Silber bestehende Beute der Konquistadoren im Vordergrund stand. Dass das habsburgische Spanien mit seinen Besitzungen in Mexico und den Philippinen einen Machtbereich inne hatte, in dem die Sonne nicht unterging, machte die Sache für das Porzellan nicht leichter, denn diese zerbrechliche Ware konnte Spanien nur über den Pazifik, den schwierigen Landweg über Mexico und einen erneuten Seeweg über den Atlantik erreichen. Portugal also hatte, jedenfalls was den Zugang zum chinesischen Porzellan anlangt, die Nase vorn. Und da besagte Trennlinie zwischen den beiden Welten letztendlich den westlichen Zipfel des südamerikanischen Kontinents dem portugiesischen Machtbereich zuschlug wurde Brasilien portugiesisches Territorium. Die in Brasilien beheimatete Sammlung Albuquerque ist damit ebenso wie der überraschende Mangel frühen chinesischen Porzellans in Spanien ein Spiegel der durch den Vertrag von Tordisillas geschaffenen Aufteilung der Welt.

Zwei Bücher also, wie sie unterschiedlicher kaum sein können, hier ein von etablierten Expertinnen der Materie geschriebener Katalog ausgewählter Exponate aus einer der weltweit bedeutendsten privaten Sammlung chinesischen Porzellans, ausgestellt in einem der großem Museen dieser Welt, und dort die ungemein sorgfältige Dissertation einer angehenden Kunsthistorikerin, die auf der Suche nach den Spuren von chinesischem Porzellan in Spanien eine schier unendliche Zahl von Inventaren des Hofes, des Adels und des gehobenen Bürgertums ausgewertet hat, um schließlich vor allem in den Scherben archäologischer Grabungen und in Gemälden spanischer Maler des 17. Jahrhunderts fündig zu werden. Das große gemeinsame Thema beider Bücher, die sich bei aller Verschiedenheit des Zugangs wundervoll ergänzen, ist die frühe europäische Rezeption ostasiatischen Porzellans vor dem Hintergrund der macht- und handelspolitischen Verhältnisse im 16. Jahrhundert. Mit Beginn des 17. Jahrhunderts, um genau zu sein 1602, änderten sich die Verhältnisse im Handel mit chinesischem Porzellan dramatisch. Zwei niederländische Handelsschiffe kaperten im Hafen von St. Helena die portugiesische Sao Tiago und begründeten mit diesem Piratenstück und dem erbeuteten Porzellan den Aufstieg der Niederlande zur führenden Seemacht. Der Vertrag von Tordisillas war damit faktisch außer Kraft gesetzt, obwohl er formal erst 1750 durch den Vertrag von Madrid aufgehoben wurde.

Der Katalog ausgesuchter Exemplare aus der Sammlung Albuquerque beschränkt sich natürlich nicht auf die „first orders“ aus Portugal, sondern zeigt Spitzenobjekte chinesischen Exportporzellans vom frühen 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in einer Konzentration und Qualität, wie sie wohl keine andere Sammlung aufzuweisen hat und ist damit ein Porzellanbuch par excellence. Cinta Krahe hingegen behandelt das Porzellan im politischen, ökonomischen und kulturellen Kontext der Herrschaft des Hauses Habsburg in Spanien (1517-1700). Ihr Buch überzeugt durch die Fülle an Information und vor allem durch das überaus reiche Bildmaterial, das weit über den Tellerrand von Porzellan hinausreicht.

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