Buddha – Sammler öffnen ihre Schatzkammern – 232 Meisterwerke buddhistischer Kunst aus 2000 Jahren

Autor/en: Meinrad Maria Grewenig, Eberhard Rist (Hrsg)
Verlag: Edition Völklinger Hütte im Wienand Verlag
Erschienen: Völklingen und Köln 2016
Seiten: 528
Ausgabe: Hardcover
Preis: € 39,80
ISBN: 978-3-86832-340-5
Kommentar: Michael Buddeberg, November 2016

Besprechung:
Einen größeren Gegensatz kann man sich kaum vorstellen! Hier ein monumentales Denkmal einer durch technischen Fortschritt innerhalb kurzer Zeit überflüssig gewordenen großindustriellen Eisenproduktion und dort die bis zu zweitausend Jahre alten und dennoch zeitlosen Zeugnisse einer spirituellen Glaubenswelt. Während das Industriedenkmal mit der Aufnahme in das Weltkulturerbe der Menschheit durch die UNESCO 1994 vor Verfall und Abriss gerettet wurde, werden die Skulpturen und Bilder von Buddha und Bodhisattvas mit Liebe und Sorgfalt rund um den Globus in privaten Sammlungen verwahrt. Es war eine großartige Idee, die zu musealer Präsentation umgewidmeten, fast monströs wirkenden Maschinentempel des ausgehenden 19. und beginnenden 20 Jahrhunderts für eine Ausstellung von Meisterwerken buddhistischer Kunst zu nutzen. Die Völklinger Hütte setzt damit nach den kulturvermittelnden Ausstellungen „Inkagold“, „Kelten“ und „Ägypten“ einen Höhepunkt, der schwerlich übertroffen werden kann. Zu danken ist das vor allem dem neben dem Chef der Völklinger Hütte für Ausstellung und Katalog mitverantwortlichen Eberhard Rist, dem es als Kenner und Experten buddhistischer Skulptur und Malerei, vor allem aber als Berater von Sammlern asiatischer Kunst gelungen ist, für Ausstellung und Katalog diese privaten und in der Regel nicht zugänglichen Schatzkammern zu öffnen.

Zehn Jahre zuvor waren schon einmal buddhistische Schatzkammern geöffnet worden. Der Blick auf kostbare Skulpturen und Thangkas aus tibetischen Klöstern in der Essener Villa Hügel und der dazu erschienene opulente Katalog sind unvergessen, doch Buddha in Völklingen bietet weit mehr. Ausstellung und Katalog erfassen mit 232 Meisterwerken, weit überwiegend Skulpturen, ergänzt durch einige wenige Thangkas, nicht nur den gesamten geographischen Wirkungsbereich des Buddhismus von Indien über den Himalaya und Südostasien bis nach China und Japan sondern auch einen Zeitraum von 2000 Jahren, von den ersten Darstellungen des Buddha bis heute. Und im Gegensatz zu den Schatzkammern Tibets, die zwar schwer zugänglich, aber doch im Wesentlichen bereits bekannt waren, sind die in Völklingen und in dem ebenfalls opulenten Katalog zu bewundernden Abbilder Buddhas zum größten Teil hier erstmals ausgestellt und publiziert.

Die Reise beginnt, wie könnte es auch anders sein, im Norden Indiens, wo Siddharta Gautama im 5. oder 4. Jahrhundert vor der Zeitenwende geboren wurde, sein Leben in Luxus und Überfluss aufgab, als Asket und Wanderprediger den Weg zur Erlösung aus dem Leid des Daseins fand, Schüler und Anhänger um sich scharte, um schließlich im hohen Alter und als Begründer seiner sich rasch ausbreitenden Lehre ins Nirwana einzugehen. Gleichwohl sollte es noch Jahrhunderte dauern, bis seine Anhänger anfingen, sich ein Bild des Buddha zu machen. Es war in Gandhara im nordwestlichen Pakistan, wo Buddha und Bodhisattvas erste Gestalt annahmen und das in einem indo-hellenistischen Mischstil, der auf die Eroberung der Region durch Alexander den Großen zurückgeht. Ein gutes Dutzend dieser frühen Bildwerke künden vom diesem Beginn buddhistischer Kunst. Ein meditierender Buddha aus dem 2. bis 3. Jh., gekennzeichnet durch die naturalistische Gestaltung des Körpers und den reichen Faltenwurf seines Gewands soll hier als herausragendes Beispiel für die Gandhara-Kunst stehen. Skulpturen aus Stein und Bronze aus der Gupta- und Pala-Periode im indischen Norden des 8. bis 12. Jahrhunderts schließen sich an. Eine extrem seltene, nur 12 cm große, reich vergoldete Bronze eines meditierenden Avalokiteshvara fasziniert durch die mit Hilfe eines Meditationsbandes eingenommene, entspannte Körperhaltung. Auch in dem sich anschließenden Kapitel über den Buddhismus in China und Japan, das einen Zeitraum von mehr als eintausend Jahren abdeckt, ist es wieder eine Statue des Avalokiteshvara, hier in nachdenklicher Pose aus der Zeit des Yuan-Dynastie, die die Geistesruhe, Gelassenheit und Achtsamkeit, um die es im Buddhismus geht, auf unnachahmlich eindrucksvolle Weise zum Ausdruck bringt. Im Kapitel Südostasien beeindruckt der Überblick über die buddhistische Kunst des Khmer-Reiches vom 10. bis zum frühen 13. Jahrhundert. Die große vergoldete Skulptur eines stehenden Buddha im Angkor-Wat-Stil ist nicht nur selten und von außerordentlicher Schönheit, sondern auch beispielhaft für Mode und Schmuckstil aus der Blütezeit Angkors. Aus Thailand schließlich stammt das kleinste Exponat der Ausstellung. Nur 4 cm in der Höhe misst der aus massivem Gold gefertigte, stehende Buddha mit der Geste des Lehrens. Dem anonymen Mon-Künstler des 7. bis 8. Jahrhunderts ist hier das fast Unvorstellbare gelungen: Das Gesicht strahlt trotz der winzigen Größe tiefe Versenkung und Vergeistigung aus und der Körper zugleich eine überaus komplexe und subtile Bewegung. Aus Nepal schließlich kommt mit einer 114 cm großen, fast perfekt erhaltenen polychrom bemalten Holzfigur des Avalokiteshvara aus dem 8 Jahrhundert das wohl sensationellste Objekt der Ausstellung und vielleicht eines der größten Meisterwerke der asiatischen Kunst überhaupt. Es zu beschreiben, fehlt hier der Platz – man muss diese Holzfigur, für die es in der buddhistischen Kunst, aber auch in Europa aus jener frühen Zeit, kein Pendant gibt, gesehen haben. Katalog und Ausstellung schließen mit Tibet, das mit über 80 Bildwerken die größte Gruppe bildet. Das kommt nicht von Ungefähr, denn das buddhistische Erbe Tibets ist von einzigartiger Vielgestaltigkeit und Komplexität. Aus der Übernahme fremder Elemente aus Indien, Nepal, China, Kaschmir und Zentralasien erwuchs eine immer wieder von Neuem begeisternde künstlerische Vielfalt und Qualität. Besonders hervorzuheben und nirgendwo sonst in vergleichbarer Form anzutreffen sind die realistischen Portraits bekannter und oft unbekannter Personen nach dem in Tibit geltenden Grundsatz „Wer sich religiös verdient gemacht hat, ist darstellungsfähig.“ Ergebnis sind keine unpersönlichen Idealbildnisse, sondern oft schonungslos realistische Portraits von Mönchen, Äbten und Mahasiddhas. Der Katalog ist nicht nur wegen der 232 in großem Format abgebildeten Meisterwerke buddhistischer Kunst zu empfehlen, sondern auch wegen der perfekten und inhaltsreichen Kapiteleinleitungen von Eberhard Rist und den ausführlichen Objektbeschreibungen ein absolutes Muss für jeden Liebhaber buddhistischer Kunst. Die Ausstellung ist noch bis zum 19. Februar 2017 zu sehen.

Print Friendly, PDF & Email