Silk, Porcelain and Lacquer – China and Japan and their Trade with Western Europe and the New World, 1500-1644

Autor/en: Teresa Canepa
Verlag: Paul Holberton Publishers
Erschienen: London 2016
Seiten: 480
Ausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
Preis: GBP 75,00
ISBN: 978-1-911300-01-4
Kommentar: Michael Buddeberg, Februar 2017

Besprechung:
Der Vertrag von Tordisillas, den der Borgia-Papst Alexander VI im Jahre 1494 zwischen Portugal und Spanien vermittelte, war völkerrechtlich eine Kuriosität, da er die soeben entdeckten und dazu auch die noch unentdeckten Teile der Welt zwischen diesen beiden kleinen Nationen aufteilte. Tatsächlich jedoch befriedete er einen aufkeimenden Streit der beiden damals führenden Seefahrernationen um den vermeintlichen Weg zu den Gewinn verheißenden Gewürzinseln. Eine von Pol zu Pol wie mit dem Lineal gezogene Trennlinie mitten durch den atlantischen Ozean sicherte Portugal den Weg um das Kap der Guten Hoffnung, während Spanien das Monopol für den Weg nach Westen erhielt. Die Wirklichkeit sah bekanntlich anders aus: Während die Portugiesen ihr Ziel auf dem Seeweg um Afrika und Indien herum erreichten, hatten die Spanier zunächst die Neue Welt, die den Namen Amerika erhalten sollte, zu erobern, bevor sie über den Pazifik ebenfalls in Asien ankamen. Dennoch hatte der Vertrag von Tordisillas beinahe ein Jahrhundert Bestand und prägte die Anfänge und den Aufbau des internationalen Seehandels durch die Portugiesen und die Spanier, bevor die Niederländer und dann auch die Briten mit neuen Technologien in Schiffsbau und Nautik, vor allem aber mit der Gründung mächtiger Handelsgesellschaften, der Vereenigde Oostindische Compagnie (VOC) und der East India Company (EIR) das Heft in die Hand nahmen. Weniger die Entdeckungen jenes Zeitalters sondern die Entstehung funktionierender weltumspannender Handelsnetze und der damit mögliche Austausch von Waren, Ideen und Kenntnissen waren es, die den Übergang vom Mittelalter in die Neuzeit markieren. Teresa Canepa, Kunsthistorikerin und anerkannte Expertin für chinesische und japanische Exportkunst, untersucht den Zeitraum von der Rückkehr Vasco da Gamas nach Europa (1500) bis zum Zusammenbruch der Ming-Dynastie (1644), von den ersten Anfängen des Handels bis zu jener Zeit, als der Handel zwischen China, Japan, Europa und der Neuen Welt zum etablierten Massengeschäft geworden war. Gewürze und Tee spielten dabei natürlich eine dominierende Rolle, hinterließen aber als Verbrauchswaren nur wenig Spuren. Ganz anders war es mit Seide und Porzellan aus China und mit Lackarbeiten aus Japan, begehrten Luxuswaren, anhand derer die Autorin die Geschichte des frühen Handels zwischen Ost und West beschreibt.

Das ist nun gewiss kein neues Thema, doch nie zuvor wurde es mit solcher Akribie und Sorgfalt und vor allem unter Auswertung aller erreichbaren Quellen erschlossen und behandelt. Eine atemberaubende Fülle von Informationen aus Archiven, Schiffsregistern, Korrespondenzen, Ladelisten, Auktionsberichten, Inventaren, Logbüchern, Reiseberichten, Testamenten, Gerichtsakten, Verträgen und Tagebüchern fügen sich zu einem gigantischen Puzzle, bei dem kaum noch Teile zu fehlen scheinen. So können angesichts dieser beeindruckenden Materialfülle hier nur einige wenige Themenschwerpunkte und Highlights hervorgehoben werden. Natürlich widmet sich ein einführendes Kapitel, liebevoll illustriert mit Karten und Städteansichten vom Mercator, Münster oder Braun und Hogenberg und anderen, dem historischen Hintergrund, den dynastischen Gegebenheiten jener Zeit und den Ursachen, weshalb die Vorherrschaft auf See von Portugal und Spanien zu den Niederlanden und England wechselte. Im nächsten Kapitel über Seide aus China untersucht die Autorin vor allem die bisher von der Forschung vernachlässigte Rolle der Neuen Welt. Die mächtigen Vizekönige in Mexico und in Peru betrieben nicht nur eine glanzvolle Hofhaltung sondern sie verfügten auch über die richtige Währung für den Handel mit China, der ab etwa der Mitte des 16. Jahrhunderts von Manila nach Acapulco über den Pazifik florierte. China brauchte Silber und das hatten sie in der Neuen Welt im Überfluss. Silber war die Tauschwährung für chinesische Seide – und natürlich auch für Porzellan – die beide zunächst den Bedarf nach Luxus, Pracht und Repräsentation der neu etablierten Reiche zu befriedigen hatten, bevor sie in deutlich reduzierten Mengen auf dem Landweg und dann über die Karibik und den Atlantik Sevilla erreichten. Der in Spanien gegenüber Portugal deutlich geringere Bestand früher chinesischer Seiden und Porzellane in Inventaren, Museen und Sammlungen findet hier seine Erklärung. Das umfangreichste Kapitel des Buches ist dem Porzellan gewidmet. Die Unverwüstlichkeit dieses Materials, das auch in Bruchstücken den widrigsten Bedingungen trotzt, hat hier eine unvergleichliche Quellenlage geschaffen. Neben all den bereits genannten Informationsträgern sind hier die archäologischen Funde zu Lande und vor allem zu Wasser von besonderer Bedeutung. Historische Abfallgruben und Zufallsfunde bei Bauarbeiten in Portugal, Spanien, den Niederlanden und England, Scherbenfunde, die sich zu tausenden und Abertausenden summieren, belegen, dass chinesisches Porzellan weit früher als bisher angenommen in weiten Kreisen als Tafelgeschirr in Gebrauch war. In erster Linie aber sind es die Funde von Schiffswracks, die konkrete Auskunft über Alter, Stil und Herkunft des für den Westen und die Neue Welt bestimmten Porzellans geben. Mehr als drei Dutzend aus dieser frühen Zeit entdeckte Wracks, darunter auch bisher unpublizierte Funde vor Mozambique, bei den Bermudas und in den Gewässern der Dominikanischen Republik erlauben eine präzise Vorstellung, ab wann und in welchem Umfang nicht mehr für den chinesischen Markt, sondern speziell für den Export gefertigte Ware verschifft wurde. Ganz anders funktionierte der Handel mit japanischen Lackarbeiten. Hier waren es die Jesuiten und später die Missionare der Augustiner und Dominikaner, die Buchstützen für den liturgischen Gebrauch, Hostienbüchsen, Altarschränkchen und später auch Möbel wie Kabinette, Truhen und Stühle für den Export nach Europa in Auftrag gaben. Die Nachfrage war groß da die unvergleichliche Urushi-Lacktechnik, so wie vormals das Porzellan, edel war, exotisch und geheimnisvoll. Neben den großen, durch den Handel mit Seide, Porzellan und Lack bestimmten Themen überzeugt das Buch auch durch die vielen und oft überraschenden Informationen, sei es die Gegenüberstellung von Originalen mit der Darstellung von Porzellan auf niederländischen Stillleben oder die aufwändige Fassung früher chinesischer Porzellane in Gold und Silber. Das gilt auch für den Hinweis, dass die fürstlichen Porzellankabinette nicht eine Erfindung des niederländischen Adels sind, sondern schon im 16. Jahrhundert in Portugal und in England nachgewiesen werden können und dass das so genannte Kraak-Porzellan als die typische Exportware wohl schon lange vor der Zeit des Ming-Kaisers Wanli (1572-1620) in Jingdezhen für den Export ihn den Westen hergestellt worden ist. Wer immer sich für das Entstehen und Funktionieren des ersten globalen Handelssystems zwischen Asien, Europa und der neuen Welt interessiert, darf sich diese spannende Lektüre nicht entgehen lassen.

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