Der vergoldete Buddha – Traditionelles Kunsthandwerk der Newar-Giesser in Nepal

Der vergoldete Buddha – Traditionelles Kunsthandwerk der Newar-Giesser in Nepal

Autor/en:        Alex R. Furger

Verlag:           Librum Publishers & Editors

Erschienen:    Basel 2017

Seiten:            328

Buchart:         Hardcover

Preis:              € 85,00

ISBN:            978-3-906897-05-9 (DE), 978-3-906897-6 (EN)

Kommentar:  Michael Buddeberg

 

Besprechung:

Seit mehr als eintausend Jahren sind die handwerkliche Perfektion und das künstlerische Genie des in Nepal ansässigen Stammes der Newari bei der Herstellung buddhistischer Figuren aus Metall unübertroffen. Im Westen ist es vor allem die Schönheit, die künstlerische und ästhetische Qualität, die die steigende Beliebtheit und Wertschätzung dieser Skulpturen ausmacht. Doch Schönheit war nie und ist nicht das Ziel der Handwerker und Künstler, die diese Figuren geschaffen haben. Sie sind als Meditationshilfen gedacht, sie sollen dem Praktizierenden die Visualisierung einer bestimmten Gottheit ermöglichen, die ein bestimmtes inneres Erleben symbolisiert und sie sollen das meditative Erlebnis wiederholbar machen. Unabdingbar hierfür sind bei jeder Gottheit die exakte Einhaltung der aus alter Zeit überlieferten ikonographischen Vorschriften, die die Körper- und Handhaltung, Bekleidung und Schmuck, die Zahl der Arme und Köpfe und die in den Händen gehaltenen oder die Figur umgebenden Attribute genau festlegen. Zur Aufgabe des Künstlers gehört es, die innere Bedeutung der Gottheit zum Ausdruck zu bringen. Bei den friedvollen Gottheiten ist es die innere Ruhe, der innere Frieden, eine unendliche Gelassenheit, das Sichtbarmachen von Weisheit und Nächstenliebe, während die zornigen Schutzgottheiten in ihrem äußeren Ausdruck ihre Kraft und die Mittel symbolisieren,  mit der sie das Böse zerstören und die wahre Lehre schützen. Es sei hier die These vertreten, dass eine solche Meditationsfigur auch nach unserem westlichen Kunstverständnis nur dann wirklich schön ist, wenn sie diese inneren Werte in ihrer äußeren Erscheinung verkörpert und zum sichtbaren Ausdruck bringt.

Eine solche These zu vertreten ist leicht; sie in die Tat umzusetzen erfordert einen komplexen handwerklich-künstlerischen Prozess, dessen Kenntnis für die Beurteilung der so verstandenen Schönheit zumindest hilfreich ist. Mit Alex Furgers Buch über das traditionelle Kunsthandwerk der Newari-Giesser in Nepal ist es nun nicht nur möglich, sich diese Kenntnis zu verschaffen, sondern es ist darüber hinaus ein spannendes und mit mehr als fünfhundert Fotos anschaulich gemachtes Erlebnis, an einem uralten und bis heute unverändert praktizierten Kunsthandwerk teilzuhaben. Der Autor, Archäologe mit dem Spezialgebiet der antiken Metallurgie und alter metallverarbeitender Techniken hat in der alten nepalischen Königsstadt Patan, heute ein Stadtteil von Kathmandu, die Werkstätten der Newari besucht und die einzelnen Schritte der Herstellung einer buddhistischen Figur umfassend dokumentiert. Für die komplexen Meditationsfiguren mit ihren Attributen und den vielen Hinterschneidungen gibt es bis heute keine andere Technik als das seit jeher praktizierte Wachsausschmelzverfahren.

Der vielschichtige Vorgang sei hier kurz erklärt: Der Wachsmodelleur fertigt aus Bienenwachs das Modell, das in Größe, Ausdruck und in allen ikonographischen Details der gewünschten Figur entsprechen muss. Dann umhüllt der Formenbauer das Wachsmodell mit zahlreichen, in ihrer Zusammensetzung unterschiedlichen Schichten von Lehm und baut so die Form. Diese wird dann in einem besonderen Ofen so weit erwärmt, dass das Wachs schmilzt und ausfließt. Das Modell ist damit verloren. Die jetzt hohle Form wird bei hoher Temperatur in einem weiteren Ofen gebrannt, um dem Guss standzuhalten. Das parallel in einem speziellen Ofen verflüssigte Metall wird nun vom Giesser vorsichtig in die Form gegossen und diese nach dem Abkühlen und Erkalten der Gussmasse zerschlagen. Auch die Form ist dann verloren. Ist der Guss gelungen, muss der Rohling in zahlreichen Arbeitsgängen behandelt werden, bevor der Ziseleur die Feinheiten von Ausdruck und Dekor nacharbeitet und Feuervergolder oder Maler der Figur ihr endgültiges Erscheinungsbild geben. Mit Ausnahme des Giessens, das in einem engen Zeitfenster mit genau abgestimmten Temperaturen von Form und geschmolzenem Metall erfolgen muss, sind alle anderen Arbeiten äußerst zeitaufwendig, so dass die Herstellung einer Figur im Wachsausschmelzverfahren Wochen oder Monate dauert. Das Ergebnis ist ein Unikat, das nicht nur handwerklich perfekt ist sondern auch die von ihren Schöpfern bei der Herstellung angewandte Kontemplation und Spiritualität zum Ausdruck bringt.

Die internationale Nachfrage nach buddhistischen Figuren, vor allem aber der Tourismus und nicht zuletzt neue Technologien und Materialien haben das traditionelle Verfahren stark verändert. Moderne Abformungsmaterialien wie etwa Silikon oder synthetischer Kautschuk ermöglichen den Serienmodellbau und damit eine Art Massenproduktion. Doch so, wie die Rationalisierungsskala durch technologische Neuerungen nach oben offen ist, so sinkt auch das Qualitätsniveau unter dem stetig wachsenden Zeit- und Wirtschaftsdruck. So werden heute drei Qualitätsstufen unterschieden, die authentische Kloster- oder Tempelqualität, deren Herstellung der alten Tradition entspricht, die etwas mindere Qualität für den buddhistischen Privatgebrauch und schließlich die Export- und Touristenware. Allen gemeinsam ist das Wachsausschmelzverfahren während sich Sorgfalt und Aufwand aller anderen Verfahrensschritte stark unterschieden. Der besondere Wert von Alex Furgers Buch liegt darin, dass sämtliche Details und Varianten aller Verfahrensschritte in Wort und Bild – diese jeweils mit ausführlichen Bildlegenden –  eingehend beschrieben werden und damit dem Liebhaber und Sammler ein Handbuch mit Kriterien für die Beurteilung von Figuren zur Verfügung steht.

Dass darüber hinaus auch der geschichtliche und gesellschaftliche Hintergrund des newarischen Metallgusses behandelt, vor allem aber auch die anderen metallverarbeitenden Gewerbe Nepals vorgestellt werden, wie etwa der Sandguss für kleine und einfache Figuren, die vor allem für Großfiguren angewandte Repoussé-Technik oder die Arbeit der Silberschmiede unterstreicht den Handbuchcharakter dieses außergewöhnlichen Buches.

Das Buch ist auch in englischer Sprache erschienen: The gilded Buddha – The traditional art of the Newar casters in Nepal, ISBN 978-3-906897-6

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