Bergklöster in Ladakh

Autor/en: Werner Prokschi
Verlag: Magenta 4 Verlag
Erschienen: Eichstätt 2010
Seiten: 132
Ausgabe: Broschur
Preis: € 24,90
ISBN: 978-3-9807585-9-8
Kommentar: Michael Buddeberg, Oktober 2011

Besprechung:
Die zweite und, wie sich zeigen sollte, dauerhafte Einführung des Buddhismus in Tibet nahm ihren Ausgang ganz im Westen des Himalaya. Yeshe Ö, Herrscher über das Königreich Guge, holte im 11. Jahrhundert den Religionsstifter und Übersetzer Rinchen Zangpo an seinen Hof. Die Legende besagt, dass Rinchen Zangpo alsbald nicht weniger als 108 – eine im Buddhismus heilige Zahl – Klöster und Tempel gründete und so der zweiten buddhistischen Bekehrung Tibets eine starke Ausgangsposition geschaffen hat. So liegt es nahe, die ältesten und schönsten Klöster und Tempelbauten in Ladakh als solche Gründungen Rinchen Zangpos anzusehen und ihre Entstehung in der Mitte des elften Jahrhunderts zu vermuten. Zumindest die eindrucksvolle Klosteranlage von Lamayuru und das ob seiner Wandmalereien berühmte Juwel unter dem Tempeln von Ladakh, der Sumtsek in Alchi, werden von den Autoren des jüngsten Ladakh-Buches der legendären Tätigkeit Rinchen Zangpos zugerechnet. Wissenschaftlich haltbar ist das nicht, wie neuere Untersuchungen von Inschriften ergeben haben. Doch für die außerordentliche religionsgeschichtliche und kunsthistorische Bedeutung der Klöster und Tempel in Ladakh spielt diese Datierungsfrage nur eine untergeordnete Rolle. Wesentlich ist vielmehr, dass Ladakh trotz der im Laufe der Geschichte wechselnden Dynastien, vieler kriegerischen Auseinandersetzungen und gelungener oder vereitelter Eroberungsversuche niemals einer derart brutalen und nahezu kompletten Zerstörung ausgesetzt war, wie sie die Rote Armee Chinas und vor allem die Roten Garden vor, während und nach der chinesischen Kulturrevolution im benachbarten Tibet angerichtet haben. So haben sich in Ladakh profane, vor allem aber sakrale Bauten aus allen Jahrhunderten weitgehend im Originalzustand erhalten. Die wichtigsten dieser Bauten – ganze 15 an der Zahl – werden von den Architekten Werner Prokschi (Fotos) und Reinhard Herdick (Texte) in dem vorliegenden Band über die „Bergklöster in Ladakh“ dokumentiert. Die topographische Lage dieser Klöster, Tempel und Burgen auf markanten Hügeln oder Felsrippen, ihr wehrhafter Charakter durch die sich nach oben verjüngenden Mauern und die grandiose Einbettung in eine schier überdimensionale, lebensfeindlich erscheinende und vegetationslose Bergwüste wird durch die perfekten Fotos ebenso wiedergegeben wie die Fruchtbarkeit und Lieblichkeit der im Tal des Indus und in seinen Seitentälern gelegenen Oasen, die von gletschergespeisten Bächen und Flüssen und seit alter Zeit perfekt angelegten Bewässerungssystemen leben. Innenaufnahmen von Tempeln, kleine und große Gebetstrommeln, Portraits von Mönchen und Pilgern und spielende Novizen vermitteln das Bild eines bis heute aktiven und lebendigen Buddhismus. Der einführende Text gibt einen Überblick über die Lage und Geographie von Ladakh, seine Bevölkerungsstruktur und seine geschichtliche Entwicklung. Entscheidend für das heutige Ladakh war hier das 19. Jahrhundert, als das Land zunächst unter indische Verwaltung geriet und dann nur wenige Jahrzehnte später Bestandteil von Britisch-Indien wurde, das Ladakh so dem chinesischen Einflussbereich dauerhaft entzog. Schwerpunkt des einführenden Textes sind die architektonischen Besonderheiten der Tempel und Klöster, etwa der breite, dunklel-oxydrote Streifen an der Dachkrone aller Sakralbauten, der aus den gefärbten Kopfenden von dicht gebündelten Weiden- oder Pappelästen besteht, sowie die Lage, Anordnung und Bauweise dieser Komplexe, die sie weniger als religiöse Bauten denn als Burgen oder Festungen erscheinen lässt, was sie in zweiter Linie ja auch waren. Machtkämpfe unter den ladakhischen Fürsten aber auch fremde Stämme aus angrenzenden Regionen oder räuberische Horden, die ein Auge auf den aus dem blühenden Handel erworbenen Reichtum geworfen hatten, zwangen die Bewohner der umliegenden Dörfer und Oasen immer wieder, die schützenden Mauern der Klöster aufzusuchen. Die Parallele etwa zu den Kirchenburgen Siebenbürgens ist bezeichnend. Bilder und Texte vermitteln einen kompakten Einblick in die entlegene Region im Himalaya und machen Appetit auf einen Besuch, der heute angesichts der in den vergangenen Jahrzehnten aufgebauten, touristischen Infrastruktur unschwer möglich ist.

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