Heavenly Himalayas – The Murals of Mangyu and Other Discoveries in Ladakh

Autor/en: Peter van Ham
Verlag: Prestel Verlag
Erschienen: München Berlin London New York 2010
Seiten: 176
Ausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
Preis: € 59.–
ISBN: 978-3-7913-4543-7
Kommentar: Michael Buddeberg, Dezember 2010

Besprechung:
Die Besprechung des schon im Herbst 2009 von Peter von Ham herausgegebenen Begleitbuchs „Indiens Tibet – Tibets Indien“ zu der jetzt im Stuttgarter Lindenmuseum (bis zum 1. Mai 2011) gezeigten Ausstellung über Kunst und Kultur des Westhimalaya schloss mit folgenden Sätzen: „.. die Bewahrung kultureller Denkmäler durch die lang währende Unzugänglichkeit der Region darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Werte heute extrem gefährdet sind. Der stark zunehmende Tourismus, die Migration aus dem übervölkerten indischen Tiefland, klimatische Veränderungen und indische Entwicklungsprogramme für Aufforstung, Gartenbau, Elektrizitätsgewinnung und andere mögliche Errungenschaften gefährden zunehmend das über Jahrhunderte aufrecht erhaltene Gleichgewicht eines fragilen Ökosystems ebenso wie die für die Erhaltung von Tradition und Kultur so wichtige Identität der lokalen Bevölkerung. Gerade wegen dieser Gefährdung ist die umfassende Bestandsaufnahme von Kunst und Kultur des Westhimalaya durch Peter van Ham so wichtig“. Monate später geschah das Unfassbare: In der Nacht zum 6. August 2010 verursachte ein dort nie für möglich gehaltener Starkregen im Hochtal von Leh, der Hauptstadt von Ladakh, eine Flutkatastrophe. Reißende Wassermassen zerstörten Straßen, Brücken und Hunderte von Häusern, Bergrutsche schnitten ganze Täler von der Außenwelt ab, Tausende wurden obdachlos und weit über einhundert Menschen kamen ums Leben. Seit Jahren ist zu beobachten, dass das Klima dieser ariden, extrem regenarmen Hochgebirgswüste sich wandelt, dass der Monsun auch in höheren Lagen an Einfluss und Kraft zunimmt, dass Nebel, Regen und Luftfeuchtigkeit zunehmen. Die Folgen für die aus Lehm und Holz errichteten Klöster und Tempel, für Skulpturen und vor allem für Wandmalereien, die sich nur wegen des extrem trockenen Klimas über hunderte von Jahren erhalten haben, sind unabsehbar. Auch der Umstand, dass diese frühen Bauten meist auf Hügeln, Klippen und Bergrücken erbaut wurden, kann kaum beruhigen, denn wer weiß, was starker Regen in diesem relativ jungen und labil geschichteten Fels bewirken kann.

Mit der großartigen Dokumentation der Wandmalerei der kaum bekannten Tempelanlage des schwer zugänglichen, 3450 hoch gelegenen Dorfes Mangyu im westlichen Ladakh setzt Peter von Ham seine Bestandsaufnahme ladakhischer Kunstdenkmäler fort und setzt zugleich Maßstäbe für die von ihm bereits angekündigten weiteren Bände über die Malereien in der Stupa von Nyoma und über die wohl ältesten Zeugnisse buddhistischer Kunst in Ladakh im Felsentempel von Trakhung Kowoche. Dabei ist besonders anzuerkennen und hervorzuheben, dass mit der Hinzuziehung so gewichtiger Kenner himalayischer Kultur wie der Kunsthistoriker und Tibetologen Amy Heller und Rob Linrothe sowie des Architekten Gerald Kozikz als Mitautoren ein Werk entstanden ist, das sowohl historisch wie ikonographisch und kunstgeschichtlich dem aktuellen Stand der Wissenschaft entspricht und kaum Fragen offen lässt.

Peter van Ham beginnt mit der Entdeckungsgeschichte von Mangyu, die mit August Hermann Francke im Jahre 1914 ihren Anfang nahm und in der so bekannte Namen wie Snellgrove, Klimburg-Salter und Luczanits eine Rolle spielten, die aber mit Ausnahme eines illustrierten Beitrages von Linrothe in Orientations im Jahre 1994 die Schönheit und den Reichtum der Wandmalereien der Öffentlichkeit stets vorenthalten hat. Im weiteren geht der Autor dann der Frage nach, wann der Buddhismus Ladakh erreicht haben könnte. Gewiss beschworen schon früh durchreisende Händler den Erfolg ihrer Reise durch das unwegsame Bergland mit buddhistischen Petroglyphen, und auch während der machtvollen tibetischen Yarlung-Dynastie wird eine gewisse Tibetisierung stattgefunden haben. Da indessen bis heute aus dieser Zeit keine Spuren einer lokalen buddhistischen Kultur gefunden wurden, wird der Buddhismus Ladakh erst mit der so genannten zweiten buddhistischen Bekehrung, ausgehend von den westtibetischen Königreichen Purang und Guge und ihren berühmten Protagonisten Yeshe Ö und Rinchen Zangpo etwa um die Mitte des 11. Jahrhunderts erreicht haben. Die sich hieraus aufdrängende Vermutung, dass die ältesten Monumente von Ladakh – eines davon ist zweifellos Mangyu – zu den legendären 108 noch persönlich von Rinchen Zangpo gegründeten Tempeln und Klöstern gehören, ist wissenschaftlich nicht zu bestätigen. Ausgehend von der Deutung von Inschriften durch Roger Goepper weist Rob Linrothe nach, dass Mangyu und seine skulpturale und malerische Ausstattung ähnlich wie die weitgehend zeitgleich entstandenen ältesten Teile von Alchi und Sumda nicht vor dem späten 12. oder dem frühen 13. Jahrhundert entstanden sein können. In den so immerhin achthundert Jahre alten Gebäuden der Anlage von Mangyu, den zwei begehbaren Stupas, den zwei kleinen Tempeln und zwei turmartigen Kapellen, ist ein malerisches Erbe erhalten, das demjenigen des Sumtsek von Alchi kaum nachsteht. Von Kaschmir beeinflusste, vielleicht sogar kaschmirische Künstler haben hier in einem professionell lockeren Stil mit wunderbar leuchtenden Farben und in sicherer Kenntnis der buddhistischen Lehre ihrer Zeit ein einzigartiges Pantheon von Gottheiten dargestellt. Dies ist umso bedeutsamer, als sich in Kaschmir selbst wegen der in jener Zeit einsetzenden Islamisierung keine buddhistischen Tempel erhalten haben.

In Einzeldarstellungen, vor allem aber in großen und immer wieder anders gestalteten Mandalas entfaltet sich ein ungemein reiches ikonographisches Programm an der Wende des späten indischen Mahayana – zum frühen tibetischen Vajrayana-Buddhismus, das nicht nur fotografisch, oft auch in Detailansichten perfekt wiedergegeben, sondern von den Autoren anhand der Attribute und Mudras auch souverän erläutert wird. Friedvolle und zornige Gottheiten und Bodhisattvas, dekorative Ornamentik, gekonnte Tierdarstellungen, schwebende Apsaras und Szenen aus dem Leben des Buddha überziehen sämtliche Wände und selbst die in den turmartigen Kapellen errichteten überlebensgroßen Lehmfiguren. Ähnlich wie in Alchi finden sich an den Decken rapportartig wiederkehrende Muster, als deren Vorbilder eindeutig Luxustextilien aus dem Nordiran oder aus Zentralasien zu erkennen sind. Tiere und Fabelwesen, Greifen, Einhorn und geflügelte Pferde, Tänzer und Tänzerinnen, oft in perlengesäumten Medaillons belegen die hohe technische und gestalterische Qualität der Textilkunst jener Zeit. Einzigartig in Mangyu ist, dass man identische und weitere ähnliche Textilmuster in zahlreichen Gewändern der Gottheiten wieder finden kann. Da die Deckenpaneele ebenso wie die Wandmalereien neben der Verschmutzung durch Ruß und Rauch und neben Abplatzungen und Rissen auch immer wieder Feuchtigkeitsschäden erkennen lassen, zeigt, dass es über die nun vorliegende Dokumentation hinaus höchste Zeit für eine sorgfältige Konservierung ist. Es ist zu wünschen, dass das schöne Buch von Peter van Ham hier den Anstoß gibt.

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