Scent upon a Southern Breeze – The Synaestetic Arts of the Deccan

Scent upon a Southern Breeze – The Synaestetic Arts of the Deccan

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 Autor/en:       Kavita Singh (Hrsg)

Verlag:           The Marg Foundation

Erschienen:    Mumbai 2018

Seiten:            156

Buchart:         Hardcover mit Schutzumschlag

Preis:              USD 69.95

ISBN:             978-93-83243-25-9

 

Kommentar:  Michael Buddeberg

 

Besprechung:

 Deccan – das unbekannte Indien? Zugegeben, das ist sehr provokant formuliert. Aber an der Feststellung, dass das nordindische Reich der Mogulkaiser und die südlich angrenzenden Fürstenhöfe Rajasthans und deren außerordentliche Leistungen im Bereich von Kunst und Kunsthandwerk der südlichen Hälfte des Subkontinents „die Schau stehlen“ führt kein Weg vorbei. Ob es sich um Miniaturen handelt, allen voran die reich illustrierten Shaname, die Bücher der Könige, um Kalligraphie und Literatur, um die Baukunst, um Teppiche und Stickereien, um Schmuck, Juwelen oder Waffen, es ist der Norden Indiens, der für indische Kunst und indisches Kunsthandwerk und damit in der internationalen Beachtung und Wertschätzung im Fokus steht. Daran mag die sehr präsente Geschichte vom Aufstieg zu Macht und unvorstellbarem Reichtum der Mogulkaiser, die Prachtentfaltung ihres Hofes und der Niedergang bis zum Aufgehen im British Empire ebenso eine Rolle spielen wie die äußerst komplexe geographische und vor allem ethnische Situation im Süden Indiens. Als Deccan wird der vom arabischen und indischen Ozean umschlossene, südliche Teil des Subkontinents bezeichnet, eine von Randgebirgen, den westlichen und östlichen Ghats, umschlossene Hochebene mit äußerst differenzierten klimatischen Bedingungen und schwer überschaubarer ethnischer Vielfalt. Doch was den Reichtum und die künstlerische Kreativität anlangt brauchte sich Deccan zu keiner Zeit vor dem Mogulreich zu verstecken. Baumwolle und Gewürze fanden dort stets ideale Bedingungen und die Region war auch reich an Bodenschätzen. Bedeutende Vorkommen von Kupfer, Zink, Silber und Gold wurden noch übertroffen durch die damals weltweit einzigen Diamanten aus den Minen von Golkonda.  An den Küsten und in den Häfen florierten Handel, Handwerk und Kunst. Textilien, Metallarbeiten, Miniaturen waren im „goldenen Zeitalter“ Deccans, im 16. und 17. Jahrhundert ein Exportschlager; sie werden oft fälschlich dem Mogulreich oder den rajputischen Fürstentümern zugeschrieben.

Ein im Nationalmuseum von Delhi im Jahre 2015 veranstaltetes Symposium zur Kunst des Deccan und der nun vorliegende Symposiumsband mit neun Essays sollen die Rolle Deccans in der Kunst Indiens in ein neues Licht stellen. Malerei und Miniatur sind hier zentrale Themen ebenso wie Musik und Buchkunst, Hochzeit und Jagd.  Bemerkenswert ist, dass einer so flüchtigen Kunst, wie sie der Gebrauch und Genuss orientalischer Wohlgerüche darstellt, gleich zwei Beiträge gewidmet sind. In der Geschichte des Parfüms spielt der Süden Indiens eine wichtige Rolle, denn dort wächst fast alles, was für Räucherwerk und wohlriechende Salben und Öle nutzbar ist. Kein Wunder also, dass olfaktorisches Erleben zum Thema von Literatur und Kunst wurde und dass Herstellung und Gebrauch dieser betörenden Essenzen handwerklichen Ausdruck etwa in kunstvollen Weihrauchbrennern gefunden und sogar Einfluss auf die Gestaltung von Pavillons und Gärten genommen hat.

Hier soll aber besonders auf zwei Beiträge hingewiesen werden, die sich mit den wichtigsten Zweigen deccanischen Kunsthandwerks des 17. Jahrhunderts befassen, mit Kalamkaris, bedruckten und bemalten Baumwollstoffen und mit der sogenannten Bidri-Ware, einem faszinierenden und einzigartigen Typ deccanischer Metallarbeiten.

Die beliebtesten und schönsten Kalamkaris, die seit der Mitte des 17. Jahrhunderts im Auftrage der britischen East India Company Europa wohl in tausenden Exemplaren erreichten, waren mit dem sogenannten Lebensbaummotiv bemalt. Ein formatfüllend, meist auf weißem oder cremefarbigen Grund dargestellter Baum voller verschiedenster exotischer Blätter, Blüten und Früchte, zwischen denen sich oft noch phantasievolle Vögel und andere Tiere tummeln, entsprach so ganz dem damaligen Trend nach orientalischer Exotik. Das hochfeine und leichte Baumwollgewebe, die klaren und oft durch glänzende Firnis zum Leuchten gebrachten Farben, machten die als „Chintze“ bezeichneten Wandbehänge und Bettüberwürfe zum begehrten Luxusobjekt vor allem britischer Klientel. Die in Europa bis dato unbekannte Baumwollqualität war letzten Endes mitursächlich für die von der Textilproduktion ausgehende industrielle Revolution späterer Zeit. Der Beitrag über diese Kalamkaris erklärt vor allem, dass dieses „tree-of-life“- Design zunächst durchaus nicht als Exportware gedacht war, sondern dass diese Muster in zahlreichen Variationen damals Bestandteil der kosmopolitischen visuellen Sprache des Sultanats Deccan im 17. Jahrhundert waren.

Auch die Bidri-Ware ist ein ureigener Zweig deccanischer Handwerkskunst. Der besondere ästhetische Reiz dieser Gefäße, Teller, Platten und dergleichen, besteht im Kontrast zwischen der dunklen, fast schwarz wirkenden, besonderen Legierung und den silberhell und golden glänzenden Metalleinlagen aus Silber und Messing. Die meist floralen, seltener rein geometrischen und sehr selten auch figürlichen Motive folgen in der Regel dem Kanon islamischer Metallarbeiten. Das Zentrum dieser außergewöhnlichen Metallkunst lag in der Stadt Bidar, die dieser Objektgattung auch den Namen gegeben hat. Bis heute wird diese Technik in Bidar aber auch in Lucknow und Hyderabad gepflegt, dies allerdings mit Produkten, die die Schönheit und Perfektion der Bidri-Arbeiten aus dem 17. und 18. Jahrhundert bei weitem nicht erreichen. Ebenso wie der Essay über die Kalamkaris ist auch der Bidri-Beitrag mit prachtvollen Exemplaren reich illustriert.

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