Das Blau des Königs – Meissener Zwiebelmuster in seiner ganzen Vielfalt (1730 bis 1888)

Das Blau des Königs – Meissener Zwiebelmuster in seiner ganzen Vielfalt (1730 bis 1888)

 

Autor/en:       Hartmut Lubcke

Verlag:           Hetjens – Deutsches Keramikmuseum

Erschienen:    Düsseldorf 2018

Seiten:            372

Buchart:         Paperback

Preis:              € 39,00

ISBN:              978-3-945349-04-5.

Kommentar:  Michael Buddeberg

 

Besprechung:

Die Chinesen haben den Buchdruck erfunden, das Schießpulver und den Kompass. Auch das Porzellan war in China schon viele Jahrhunderte in Gebrauch, bevor in Meissen im Jahre 1708 das erste Stück europäischen Porzellans aus dem Brennofen genommen wurde. Es dauerte dann aber noch einmal zwei Jahrzehnte, bis man in Meissen in Anlehnung an das begehrte chinesische Blau-Weiß den vor der Glasur aufgetragenen Dekor in Kobaltblau beherrschte. Das war so um 1730, und das war zeitgleich auch der Anfang vom unglaublichen Siegeszug eines Dekors, der etwa einhundert Jahre später den etwas irreführenden Namen „Zwiebelmuster“ erhalten sollte. Dieses Zwiebelmuster ist der mit Abstand und weltweit beliebteste und – kurz vor seinem 300sten Geburtstag – auch älteste und fraglos zeitlose Dekor für Gebrauchsporzellan. Wo das Zwiebelmuster erfunden wurde, in China oder in Meissen, wer also von wem abgekupfert hat, ist eine in Fachkreisen immer wieder diskutierte Frage. Die Antwort ist vor allem deshalb nicht leicht, weil chinesisches Porzellan mit diesem Dekor äußert selten und vor allem etwa in die gleiche Zeit zu datieren ist, in der auch auf Meissener Porzellan erstmals dieses Muster erschien. Kein Wunder also, dass auch die Meinung vertreten wird, es handele sich bei chinesischen Tellern mit diesem Muster um Exportware, die nach einem Meissener Vorbild in China hergestellt wurde.

Hartmut Lubcke, der in Jahrzehnten die wohl weltweit umfangreichste Sammlung von Meissener Zwiebelmuster Porzellan des 18. und 19. Jahrhunderts zusammengetragen hat – sie ist derzeit in einer Ausstellung im Hetjens-Museum in Düsseldorf zu sehen (bis zum 17. März 2019) – dürfte die Streitfrage in dem von ihm geschriebenen Katalog ein für alle Mal gelöst haben. Lubcke  untersucht – gründlich und kenntnisreich wie keiner vor ihm – die Symbolik der einzelnen Musterdetails und diese ist ganz klar und eindeutig chinesisch. Das „Zwiebelmuster“ besteht, sowohl im Spiegel, wie auch auf der Fahne aus einer Kombination botanischer Elemente, die in China allesamt für positive menschliche Eigenschaften und Wunschvorstellungen stehen. Ob Bambus, Päonie, Granatapfel, Orchidee oder Lotos, sie alle haben in China eine oft aus der Sprache oder den Bildzeichen abgeleitete Bedeutung wie etwa langes Leben, Wohlstand, Liebe, Gesundheit, Bescheidenheit, zahlreiche Nachkommenschaft und was auch immer man einem geschätzten Freund oder auch einem jungen Paar auf den gemeinsamen Lebensweg wünschen möchte. Ein chinesischer Hochzeitsteller mit Wünschen für mannigfaches Glück und reichen Segen wird also wohl das Vorbild für den ersten Meissener Teller mit diesem Dekor gewesen sein – auch wenn sich erstaunlicherweise in der tausende chinesischer Porzellane umfassenden Sammlung August des Starken nicht ein Teller mit diesem Muster  nachweisen lässt.

Also waren, wie bei Schießpulver und Kompass, auch beim Zwiebelmuster die Chinesen wieder mal die Ersten? Nicht ganz, denn den Meissener Blaumalern – und vielleicht war es sogar der berühmteste aller Meissener Porzellanmaler, Johann Gregorios Höroldt, der hier den Anstoß gab – gebührt der Verdienst, diesem chinesischen Dekor durch Modifizierung und Vereinfachung erst die Eignung verschafft zu haben, die den zitierten Siegeszug durch drei Jahrhunderte möglich machte. Sie schufen einen Dekor, der problemlos den unterschiedlichsten Formteilen angepasst werden kann. Das gilt für die Fahne, auf der die drei randständigen Früchte des chinesischen Vorbilds, Granatapfel, Pfirsich und Päonienknospe, zu einem gegenständigen Paar von „Zwiebel“ und Pfirsich wurden, vor allem aber für den Spiegel, dessen inhärente Rankeneigenschaft sich mit der größten Selbstverständlichkeit jeder noch so komplizierten Form anpassen lässt – wofür sich im Bildteil des Kataloges Beispiele in Hülle und Fülle finden lassen.

Die überzeugende Darstellung von Ursprung, Deutung und Funktionalität des Zwiebelmusters ist aber nur der Anfang. Es folgen ein gutes Dutzend weitere Kapitel, die die Entwicklung dieses Musters und alle hier in Betracht kommenden technischen, kaufmännischen und ästhetischen Belange erschöpfend behandeln, Die Geschichte des Zwiebelmusters ist zugleich eine Geschichte der Meissener Manufaktur und ihrer Höhepunkte und Krisen. Wir erfahren über die Varianten dieses Musters, über Verfeinerungen durch so genannte Überdekorationen in Gold und weiteren Farben durch die Manufaktur selbst oder durch externe Hausmaler, über andere Blaudekore, die allesamt an den Erfolg des Zwiebelmusters nicht herankamen, und über die Entwicklung und Bedeutung der Meissener Schwerter-Marke. Hier ist vor allem das Jahr 1888 von Bedeutung, als die Manufaktur damit begann, das Zeichen der gekreuzten Chur-Schwerter nicht nur auf der Unter- oder Rückseite, sondern auch auf der Schauseite der Porzellane, im Stamm des Bambus abzubilden, um sich so von den zahlreichen Nachahmungen abzusetzen – sicher eines der frühesten Beispiele des heute weltweit praktizierten „branding“

Ein reicher Bildteil für die vier Zeitabschnitte der Sammlung, Rokoko, Klassizismus, Biedermeier und Historismus, der Abdruck früher Kataloge und Preislisten der Manufaktur, Glossare für Keramik, Geschirrformen und Geschirrdetails und viele weitere, wissenswerte Informationen über die Blaumalerei der Meissener Manufaktur des 18. und 19. Jahrhunderts und ihre Protagonisten und Produkte machen den Katalog der Düsseldorfer Ausstellung zum unentbehrlichen Handbuch für jeden Liebhaber und Sammler von Meissener Zwiebelmuster.

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