Zwei Bücher über persische Textilien der Qajaren-Zeit

Zwei Bücher über persische Textilien der Qajaren-Zeit

 

I.

Axel Langer, Elahe Helbig, Emil Alpiger – Teppich-Kaufmann und Sammler, Museum Rietberg, Zürich 2018, Broschur, CHF 15,00, ISBN 978-3-907077-60-3.

 II.

Marie-Louise Nabholz Kartaschoff, Persische Textilien – die Sammlung Ramezani, Verlag Anton Pustet, Salzburg 2019, Hardcover, € 34,00, Text in deutscher und englischer Sprache, ISBN 978-3-7025-8061-2.

Kommentar: Michael Buddeberg

 

Die Qajaren, ein Herrschergeschlecht mit turkmenischen Wurzeln waren eine recht glücklose Dynastie (1779-1925), die binnen eines Jahrhunderts das so lange Zeit glanzvolle Persien aufgrund militärischer und geopolitischer Fehleinschätzungen in die machtpolitische Bedeutungslosigkeit führten. Ob und wie die parallel zu diesem Niedergang vollzogene Öffnung des Landes für westliche Technologien, westliche Moden und westliche Besucher dabei eine Rolle gespielt hat, wird immer wieder diskutiert. Tatsache ist jedenfalls, dass die europäische Nachfrage nach persischen Teppichen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für die persische Wirtschaft Fluch und Segen zugleich waren. An vorderster Front war hier die in Manchester ansässige Textilhandelsfirma des Schweizers Philipp Ziegler tätig, die mit dem Export britischer Tuche die persische Textilproduktion so gut wie ruinierte aber andererseits mit dem Import persischer Teppiche dieses bis dato rein handwerklich betriebene Gewerk auf ein quasi industrielles Niveau hob. Hier nun tritt Emil Alpiger auf die Bühne, der als Geschäftsführer von Ziegler & Co. von 1875 bis 1895 in Persien lebte und in Sultanabad eine den Rahmen einer Manufaktur sprengende Produktionsstätte für Teppiche mit tausenden von Knüpfstühlen errichtete.

Emil Alpiger war auch Sammler und hat während seiner Zeit in Persien Keramik, Waffen und vor allem Textilien zusammengetragen. Diese über ein Jahrhundert sorgsam in Familienbesitz verwahrten Textilien gelangten in das Museum Rietberg in Zürich, das ihnen unter dem Titel „Farbe bekennen – Textile Eleganz in Teheran um 1900“ eine Ausstellung gewidmet hat (Bis April 2019). Ein Konvolut von prächtigen Obergewändern für Männer, modischen Jäckchen für Frauen, Schärpen, Gürtel, bestickten Mützen und anderen Accessoires zeigt neben bedruckten und bestickten Wandbehängen und einigen Teppichen die farbenfreudige Mode im Persien des ausgehenden 19. Jahrhunderts ebenso wie die zunehmende Verarbeitung billiger europäischer Importware, etwa für das Innenfutter der Oberkleider. Das zur Ausstellung erschienene Beiheft beschreibt das Leben von Emil Alpiger vom jugendlichen Hasardeur und Seidenraupenschmuggler zum gesetzten Kaufmann, dessen Neugierde groß genug war, eine Sammlung zeitgenössischer Textilien seines Gastlandes anzulegen. Ein zweiter Beitrag in diesem Heft widmet sich der fotografischen Sammlung von Emil Alpiger und bildet mit Aufnahmen vom Weben, Sticken und Knüpfen aber auch von Landschaften und vom städtischen und ländlichen Leben jener Zeit den illustrierten Hintergrund für Leben und Sammlung Emil Alpigers. Im dem Ausstellungbeiheft sind nur einige der 75 Textilien der Sammlung Alpiger abgebildet, die aber alle unter www.rietberg.ch/sammlung, Eingabe <Emil Alpiger> in der Volltextsuche, zu sehen sind.

Ganz anders nun das Buch „Persische Textilien“ von Marie-Louise Nabholz-Kartaschoff. Hier stehen Textilien aus der Zeit der Qajaren-Dynastie vom späten 18. bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts mit vorzüglichen, meist formatfüllenden Abbildungen, technischen Angaben und sorgfältigen Beschreibungen ganz im Mittelpunkt der Publikation. Wiederum ist Gegenstand eine private Sammlung, hier diejenige der heute in London ansässigen persischen Teppichhändlerdynastie Ramezani, dessen Familienoberhaupt Hossein Ramezani sich in seinem Vorwort als leidenschaftlicher Sammler vorstellt. Die Autorin, langjährige Kuratorin für asiatische Textilien am Museum der Kulturen in Basel, wählte für den komplexen Stoff nicht etwa eine chronologische Darstellung, sondern ordnet die persischen Textilien nach ihren unterschiedlichen Techniken in sechs Kapitel. Den Anfang machen die „zar-baft“ genannten, golden glänzenden Seidenstoffe, auf komplizierten Webstühlen gewobene Brokate mit erhabenen Mustern aus Metall- und Seidenfäden. Ihren Höhepunkt an handwerklicher Perfektion und Kostbarkeit erreichten diese Stoffe in der Safawidenzeit, doch trotz der im 19. Jahrhundert zunehmenden Stilisierung und Formalisierung verleihen diese Textilien den aus ihnen mit größter Sorgfalt geschneiderten, kostbaren Jacken, Mänteln, Röcken und Hosen für Männer und Frauen höfische Eleganz und Anmut. Der europäische Einfluss zeigt sich nicht nur an den als Futterstoffen verarbeiteten Baumwolldrucken aus England und Russland, sondern auch am modischen Schnitt sehr kurzer, europäischen Ballettkostümen nachempfundener Frauenröckchen. Fein gemusterte Gewebe aus Wolle, „termeh“, sind die persische Variante des Kaschmirschals. Bevorzugte Muster für diese gerne für Neujahrs- und Hochzeitsdekorationen gebrauchten Decken sind in sich gemusterte Streifen oder das beliebte Boteh. Gleich zwei Kapitel behandeln dann Stickarbeiten getrennt nach ihrer Herkunft. Während Wandbehänge, Decken oder Vorhänge,  sogenannte „pateh-duzi“, deren Design sich an der Gestaltung von Teppichen mit Mittelfeld und Bordüren orientiert, in der Region Kerman hergestellt wurden, stammen die „rasht-duzi“ aus Rasht am Kaspischen Meer. Typisch für diese oft überreich und flächendeckend mit bunten floralen Stickereien versehenen Arbeiten, ist der als Patchwork aus verschiedenfarbigen europäischen Flanellstoffen zusammengenähte Stickgrund. Diese für die vielfältigsten Verwendungszwecke von Wandbehängen bis Satteldecken meist äußerst sorgfältig gearbeiteten Stickereien können als die typischsten, wenn auch durchweg späten Textilien der Qajarenzeit angesehen werden und bilden wohl deshalb auch den Schwerpunkt der Sammlung Ramezani. Mit den „dara´i“ genannten Seidenstoffen in Kettikat-Technik und schließlich den mit floralen Mustern oder bildlichen Darstellungen bedruckten Baumwollstoffen, „qalamkar“, vergleichbar den indischen Kalamkari, schließt sich der Kreis persischer Textilien der Qajarenzeit. Das Schlusskapitel über Stammestextilien der Bachtiari, Belutschen, Khordi, Shasavan und der Tekke-Turkmenen – hier ist vor allem eine kleine Sammlung reich bestickter Frauenmäntel, „chyrpy“, besonders zu erwähnen – erweitert das Thema und rundet es gleichzeitig ab.

Die beiden hier vorgestellten Bücher vermitteln, so unterschiedlich ihr Konzept auch ist, ein Gesamtbild textiler Produktion im Persien des 19. Jahrhunderts, das aber durchaus für den gesamten Nahen und Mittleren Osten verallgemeinert werden kann. Es ist geprägt durch die Fortwirkung alter Traditionen und deren Änderung durch den stetig zunehmenden europäischen Einfluss. Eine Wertung dieser Faktoren sei dem Leser überlassen.

 

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