The Persian Carpet – The Forgotten Years 1722-1872

The Persian Carpet – The Forgotten Years 1722-1872

Autor/en:        Hadi Maktabi

Verlag:           HALI Publication Limited

Erschienen:    London 2019

Seiten:            304

Buchart:         Hardcover

Preis:              GBP 66,00

ISBN:             978-1-898113-86-7

 

Kommentar:  Michael Buddeberg

 

Mit dem Aufstieg der Safawiden-Dynastie begann in Persien ein Zeitalter, das bis heute die Tradition und Identität Persiens – seit 1935 Iran – bestimmt. Zu verdanken ist das vor allem Schah Abbas (1571-1629), posthum mit dem Beinamen „der Große“ geehrt, der 1587 als Sechzehnjähriger die Macht übernahm und bis zu seinem Tod im Jahre 1629 die Königswürde als „Schah von Persien“ inne hatte. Er konsolidierte durch militärische Erfolge sein Reich, das er durch weitsichtige Reformen zu Wohlstand, politischer Stabilität und wirtschaftlicher Blüte führte. Er verlegte die Hauptstadt Persiens nach Isfahan, schuf mit dem von Moscheen, Palästen und dem Basar gesäumten „Maidan“ einen der schönsten Plätze dieses Planeten und machte Isfahan zu einer kosmopolitischen Stadt. Handelsbeziehungen mit China und Indien, vor allem aber mit den seefahrenden Nationen Europas florierten und Gesandtschaften ferner Länder kamen, sahen, staunten und orderten, was das Land zu bieten hatte: Juwelen, Schmuck,  Seide und – last not least – Teppiche. Es war die Zeit, als in königlichen und städtischen Werkstätten die schönsten und handwerklich aufwändigsten Teppiche aller Zeiten hergestellt wurden.

Unter den weniger begnadeten Nachfolgern von Schah Abbas und gegen Ende des 17. Jahrhunderts schwanden Macht und Bedeutung der Safawiden und mit der Eroberung Isfahans im Jahre 1722 durch den afghanischen Stamm der Paschtunen begann in der Region ein schwer durchschaubares Wechselspiel stammespolitischer Szenarien unter denen auch die Herrschaften des afscharidischen Eroberers Nadir Schah oder der kurzlebigen kurdischen Zand-Dynastie bis zum Beginn der turkstämmigen Qadjaren-Dynastie nicht wirklich Schwerpunkte setzen konnten.

Dieses undurchsichtige Chaos nach der grandiosen und weltoffenen Safawiden-Dynastie ist gewiss ein wesentlicher Grund, warum in der Teppichwissenschaft fast unisono – von Erdmann bis Ellis – die Meinung vertreten wurde, dass mit dem Ende der Safawiden auch die Teppichproduktion in Persien vielleicht nicht verschwand aber doch in die Bedeutungslosigkeit zurückfiel. Das änderte sich erst wieder, als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter der in Europa grassierenden Orientmode, angefacht vor allem durch die Weltausstellungen in London (1851), Paris (1867) und Wien (1873) die europäische Nachfrage nach Teppichen in ungeahnteHöhen trieb und der persischen Teppichproduktion mit Hilfe westlicher Händler und Unternehmer eine neue Blüte bescherte. Die 150 Jahre zwischen der Eroberung Isfahans im Jahre 1722 bis zum Beginn des neuen Teppichbooms um das Jahr 1872 bezeichnet der libanesische Teppichhändler Hadi Maktabi als die „vergessenen Jahre“ des persischen Teppichs.

„The Forgotten Years“ ist ein von Hali Publications aufwändig gestaltetes Buch, dem die von Jon Thompson und James Allan an der Universität von Oxford betreute Dissertation von Hadi Maktabi zugrunde liegt. Es ist die erste wissenschaftliche Untersuchung der persischen Teppichproduktion in diesem Zeitraum und sie kommt zu dem überzeugenden Ergebnis, dass Teppiche auch nach dem Untergang des Safawidenreiches ihre kulturelle und soziale Funktion behielten, dass sie weiterhin Gebrauchsgegenstand blieben ebenso wie Statussymbol, Geschenk und religiöse Gabe und auch nach Wegfall höfischer Manufakturen im städtischen, dörflichen oder nomadischen Kontext geknüpft wurden. Quellen für diese Rehabilitation einer vermeintlich teppichlosen Zeit sind mit großer Mühe und Zeitaufwand von Hadi Maktabi aus der Literatur und aus Archiven zusammengetragene Berichte von Reisenden und Händlern, vor allem aber ein Korpus von etwa eintausend überlebenden Exemplaren aus diesen „forgotten years“, die der Autor weltweit in privaten Sammlungen und Museen aufgestöbert sowie über viele Jahre hinweg im Handel und auf Auktionen beobachtet, ausgewertet und dokumentiert hat. Häufig erlauben Inschriften, Widmungen und Datierungen eine eindeutige Zuschreibung in die Zeit. Überraschend und zugleich kennzeichnend für die Teppiche jener Zeit sind die typischen Kelly-Formate vieler Teppiche und vor allem überwiegend kleinteilige und im unendlichen Rapport dargestellte Muster, die sie damit sowohl von ihren safawidischen Vorläufern aber auch von den, vom europäischen Bedarf diktierten Nachfahren des ausgehenden 19. Jahrhunderts unterscheiden. Die „forgotten years“ sind eine Zeit ohne starken Einfluss von außen, in der sich dennoch in Knüpfzentren wie Khorasan oder Kirman ebenso wie in Stammesgebieten wie Kurdistan, Aserbaidschan oder Ferrahan eigenständige, kraftvolle Teppichmuster entwickelt haben, für die Bezeichnungen wie „Lattice“, „Mina-Khani“, „Herati“ oder „Harshang“  gebräuchlich geworden sind. Es ist die ganz besondere Qualität dieses Buches und Maktabis großes Verdienst, diese bemerkenswerten und überwiegend ästhetisch und handwerklich großartigen Teppiche in den geographischen und stammespolitischen Rahmen einer bislang wenig beachteten Zeit eingeordnet zu haben. Seine These, dass die Teppichproduktion nach dem Fall der Safawiden bis zum europäisch dominierten „revival“ des persischen Teppichs ungebrochen fortlebte, wird durch knapp 200 Exemplare in hervorragenden Abbildungen belegt.

 

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