Bergama Kilimleri – Traditionelle Flachgewebe der Yürüken Nordwestanatoliens

Bergama Kilimleri – Traditionelle Flachgewebe der Yürüken Nordwestanatoliens

 

Autor/en:        Elisabeth Steiner, Eberhard Ammermann, Doris Pinkwart

Verlag:           Zero Prod. Ltd., Istanbul

Erschienen:    Istanbul 2019

Seiten:            424

Buchart:         Hardcover

Preis:              € 59,00

ISBN:             987-605-7673-05-3

 

Kommentar:  Michael Buddeberg

 

„Das Pergamon-Museum auf der Museumsinsel in Berlin war (jedenfalls vor Beginn der Renovierungsarbeiten im Jahre 2013) mit jährlich weit über einer Million Besuchern das meistbesuchte aller Berliner Museen. Publikumsmagnet ist hier vor allem der wohl dem Zeus und der Athena gewidmete Altar, eine Teilrekonstruktion unter Verwendung der berühmten in Pergamon geborgenen Friese mit der Darstellung der hellenistischen Götterwelt. Die monumentale, zum eigentlichen Altar empor führende Freitreppe wurde zur Agora dieses großen Museums. Weniger bekannt als dieses berühmteste aller Bauwerke aus Pergamon ist, dass die 1878 durch das Deutsche Archäologische Institut (DAI) begonnenen Grabungen, unterbrochen nur durch die Kriegszeiten, bis heute fortgeführt werden. Wegen seiner herausragenden Rolle als hellenistische Residenzstadt und römische Metropole kommt Pergamon für die altertumswissenschaftliche Forschung eine besondere Bedeutung zu. Diesem Engagement des DAI sowie der Archäologin Doris Pinkwart und der Grabungsfotografin Elisabeth Steiner ist eine in ihrer Breite und Vollständigkeit einzigartige Dokumentation traditioneller Weberzeugnisse der yürükischen Stämme Nordwest-Anatoliens zu danken, die von den 60ern bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts quasi als Nebenprodukt der archäologischen Forschung entstanden ist. Nach dem im Jahre 1991 erschienenen Band „Bergama Ҫuvallari – Die Schmucksäcke der Yürüken Nordwestanatoliens“ liegt nun die noch weit umfangreichere Publikation über die „Heybe“ und „Torba“, die traditionellen Satteltaschen der yürükischen Stämme vor. Mit etwa 1500 Exemplaren auf 139 Tafeln, allesamt in den Dörfern und bei örtlichen Händlern fotografiert, ist dieses Buch ein Monument sorgfältiger Feldforschung, wie es besser nicht sein kann.“

Diese Einleitung zu dem 2014 erschienenen Band „Heybe und Torba“ über die Taschen der Yürüken in Nordwestanatolien, steht gleichermaßen für das soeben erschienene Buch über die Flachgewebe dieser Volksgruppe. Mit diesem Buch über Kelims im weitesten Sinne findet nach den Bänden über die Schmucksäcke und die Taschen eine einzigartige Trilogie ihren Abschluss, die – das muss einfach noch einmal gesagt werden – eine Sternstunde später Feldforschung ist. Sozusagen im letzten Moment – der staatlich geförderte Untergang der nomadischen Lebensweise und damit der Untergang von Herstellung und Gebrauch traditioneller Textilien ist inzwischen in Nordwestanatolien so gut wie abgeschlossen – haben sich die Autorinnen neben ihren archäologischen Aufgaben der bewundernswerten Mühe unterzogen, in der Großregion um die moderne Stadt Bergama bei Händlern, vor allem aber in den Dörfern, den Moscheen, soweit diese noch nicht leergeräumt waren, auf den Yaylas und nicht zuletzt in unzähligen Haushalten Flachgewebe aller Art ausfindig zu machen, zu dokumentieren und zu fotografieren. Geographisch deckt diese Arbeit ein Gebiet ab, das von Canakkale im Westen bis etwa Sivrihisar im Osten und von Izmir im Süden bis an das Marmarameer im Norden reicht. Gemessen an der Ausdehnung Anatoliens ist dies ein relativ kleines Gebiet; es ist jedoch dank dieser Forschungsarbeit für die Zuschreibung von Stücken zu bestimmten Stämmen und für die Bezeichnung von Mustern und Webtechniken die mit großem Abstand am besten erschlossene Region Anatoliens.

Aufbau und Inhalt von „Bergama Kilimleri“ folgt dem bewährten Muster der Vorläuferbände. Nach einer kurzen Darstellung der Entstehungsgeschichte des Buches und der Begriffsklärung zu den verschiedenen Arten von Kelims und Mustern folgt der textliche Hauptteil der Arbeit, der nach Stämmen geordnet ist und diese wiederum nach Regionen. Eine Übersicht über Musternamen (türkisch, deutsch und englisch), ein Literaturverzeichnis, tabellarische Übersichten über das Vorkommen von Mustern bei den verschiedenen Stämmen, Bildbeispiele für typische Musterentwicklungen, eine Karte, die Aufschluss über die Verteilung der Stämme gibt und schließlich eine englische und türkische Kurzfassung des Textteils runden das Buch ab und lassen keine Wünsche offen. Es folgen den im Text genannten Stämmen zugeordnete 176 Tafeln mit (geschätzt) an die zweitausend Abbildungen mit jeweils auf der gegenüberliegenden Seite stehenden, knappen Bildlegenden mit Stammesbezeichnung, Fundort und Zeitpunkt des Fotos. Manch interessanter Kelim ist zusätzlich mit Detailfotos vertreten und die Seite mit den Bildlegenden wird häufig durch Schnappschüsse aus der Feldarbeit wie Portraits, Frauen beim Weben, neugierigen Kindern,  Familienfotos und anderes mehr aufgelockert.

Anstelle erneuter und verdienter Bewunderung für diese außergewöhnliche, wichtige und jedem Sammer oder Liebhaber anatolischer nomadischer Webarbeiten zu empfehlende Arbeit soll diese Buchbesprechung mit einigen wichtigen Anmerkungen schließen.

Wie im Band „Heybe und Torba“ hat auch bei der vorliegenden Publikation über die Kelims Dr. Eberhard Ammermann (1946-2016) bei der technischen Gestaltung des Buches tatkräftig mitgewirkt. Sein früher Tod hat ihn das Erscheinen dieses Werkes leider nicht erleben lassen.

Im normalen Buchhandel ist das in Istanbul erschienene Buch nicht erhältlich. Bestellungen an www.zerobooksonline.com/en. Im Preis von € 59,00 sind Verpackung und Porto enthalten.

Ein Archiv von vielen tausend Dias – allein für den vorliegenden Band wurden über viertausend Farbdias gesichtet – sucht einen angemessenen und der Wissenschaft zugänglichen Aufbewahrungsort, ein Appell der Autorinnen, der hier gerne wiederholt wird.

Den Plan eines vierten Bandes über die Knüpfteppiche der Yürüken Nordwestanatoliens, „Bergama Halilari“ haben die Autorinnen schweren Herzens aus Altersgründen aufgegeben. Farbdias und Dokumentationsmaterial sind vorhanden und es wäre weit mehr als verdienstvoll, wenn sich ein Autor fände, der diese Trilogie mit einem Band über die Teppiche der Region zum krönenden Abschluss zu bringen. Ein dringender Appell des Rezensenten.

Den Autorinnen ist es gelungen, den Vertrieb des Restbestandes der beiden Vorläuferbände mit einem besonders günstigen Angebot neu zu organisieren: Das Versandhandel-Antiquariat Braun in Gengenbach (E-Mail: antiq.braun@t-online.de; Tel: +49 0151 6551 7525) bietet an: Bergama Cuvallari € 24,80; Bergama Heybe ve Torba € 32,80; beide Bände im Paket € 50,00.

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