Discovery of Tibetan Rugs – The Claudio Mariani Collection

Discovery of Tibetan Rugs – The Claudio Mariani Collection

Autor/en:        Claudio Mariani, Diana K. Myers

Verlag:           C A Design (cadesign@cagroup.com.hk)

Erschienen:    Hong Kong 2017

Seiten:            296

Buchart:         Leinen mit Schutzumschlag

Preis:              HK$ 780,00 (ca. € 90,00)

ISBN:             978-988-8272-14-3

Kommentar:  Michael Buddeberg

 

„You know that you can discover something new,

definitely unknown, so Tibetan carpets are perfect

for collectors. Each time is an accident, a happy

accident, let´s say … It´s been a continous discovery,

the more you think you understand, the more you find

the difference. And the differnce is the interest!“

(Claudio Mariani)

Die Geschichte der Rezeption des tibetischen Teppichs im Westen ist jung und sie ist spannend. Noch 1965 schrieb Reinhard Hubel, der eine bedeutende Sammlung von Bauern- und Nomadenteppichen zusammengetragen hatte, in seinem Ullstein-Teppichbuch, dass es für eine Knüpfteppichherstellung in Tibet keine Beispiele gibt. Die vereinzelten, damals schon seit Jahrzehnten in Museen in den USA und Schottland schlummernden tibetischen Teppiche, die infolge des „Great Game“ zwischen Russland, Großbritannien und China in den Westen gelangt waren, konnte Hubel nicht kennen, denn sie waren niemals publiziert worden. Dass allerdings seit dem im März 1959 von der Roten Armee in Lhasa blutig niedergeschlagenen Aufstand der Tibeter gegen die chinesische Besetzung ihres Landes und dem nachfolgenden Exodus hunderttausender Tibeter auch tibetische Teppiche in die südlich von Tibet gelegenen Fluchtländer, vor allem nach Nepal, gelangten, hätte Hubel eigentlich wissen können. Doch die von den Refugees, viele von ihnen dem tibetischen Adel und Klerus angehörend, bei ihrer Flucht über die verschneiten Pässe des Himalaya als Überlebenshilfe mitgenommenen Teppiche waren neu, fremdartig in ihren Mustern und durch die damals übliche Verwendung kräftiger synthetischer Farben für Sammler unattraktiv. Das änderte sich erst als sich China seit Beginn der 80er Jahre vorsichtig dem Westen und damit auch die Grenzen des zuvor hermetisch verschlossenen Tibet öffnete. Reisende brachten nun aus Tibet Teppiche mit, wie man sie nie zuvor gesehen hatte, Teppiche mit harmonischen Naturfarben, geknüpft aus der sich wie Seide anfühlenden, glänzenden Hochlandwolle Tibets und mit einer vielfältigen, oft geheimnisvollen Musterpalette, Teppiche, deren offensichtliches Alter auf eine lange Knüpftradition schließen ließ. Ein neues Sammelgebiet und die Tibeter als Teppichnation waren entdeckt.

Bereits 1984 veranstaltete das Textile Museum in Washington eine Ausstellung tibetischer Teppiche, eine allererste Übersicht dieses Genres aus dem Besitz einer kleinen Gruppe früher, enthusiastischer, meist US-amerikanischer Sammler dieser damals noch höchst exotischen Objekte. Den bemerkenswerten und heute immer noch wichtigen und lesenswerten Katalog „Temple, Household, Horseback: Rugs of the Tibetan Plateau“ schrieb damals Diana K. Myers, die 1981 die „Tibetan Rug Association“ mitbegründet und in Jahren intensiver Feldforschung viele wichtige Informationen aus Interviews mit tibetischen Flüchtlingen gewonnen hatte. In dem vor kurzem erschienenen Buch des seit Jahrzehnten in Singapur lebenden Geschäftsmannes und leidenschaftlichen Sammlers Claudio Mariani über seine ca. 300 Exemplare umfassende Sammlung tibetischer Teppiche begegnen wir Diana K. Myers erneut als Autorin. Und so gerät dieses Buch mit umfassenden Ausführungen über die Geschichte, den Gebrauch, das Alter, das Design und die Struktur tibetischer Teppiche zu einem aktuellen Leitfaden für dieses spannende aber auch anspruchsvolle Sammelgebiet.

„Discovery of Tibetan Rugs“ ist auch die Geschichte einer Leidenschaft, die 1989 mit dem Erwerb eines Sattelteppichs mit der Darstellung eines Schneelöwen – des tibetischen Wappentieres – in Singapur begann, die eine nie versiegende Neugier bei dem Sammler Claudio Mariani weckte und die nun mit einer in 25 Jahren des Sammelns, Reisens und Forschens geschaffenen Kollektion einen repräsentativen Einblick in die Welt des tibetischen Teppichs ermöglicht. Einhundertdreiundfünfzig ausgewählte Stücke der Sammlung, farblich und drucktechnisch einwandfrei wiedergegeben, oft mit Detailabbildungen und seitengroßen Ausschnittvergrößerungen präsentiert, verblüffen vor allem durch die schier unglaubliche Vielfalt der Muster, deren keines dem anderen gleicht. Das Designspektrum reicht von streng geometrisch bis barock verspielt, von unifarben bis zu gewagten Farbkombinationen, von der Darstellung von Lotusblumen, Chrysanthemen und Pflaumenblüten oder von Tieren, wie Vögeln, Tigern und Drachen und andern mehr bis zu buddhistischen und daoistischen Symbolen. Mit oder ohne Bordürenrahmen, mit einem oder mehreren Medaillons, zentriert oder im unendlichen Rapport ergeben sich immer wieder neue und überraschende Einblicke in einen von keinen religiösen oder dogmatischen Überlieferungen oder Zwängen eingeengten Freiraum tibetischer materieller Kultur. Tibetische Teppiche sind, ganz im Gegensatz zu der reichen aber strengen darstellerischen Regeln unterworfenen religiösen Kultur des tibetischen Buddhismus, der Malerei, der Plastik und der Kultgegenstände, eine Spielwiese der Kreativität, Phantasie und einer in langer Tradition gewachsenen technischen Perfektion und Raffinesse.

Mit dem angesichts der Vielfalt von Mustern, Musterelementen und deren Kombinationen problematisch erscheinenden Versuch der Autoren, die Teppiche der Sammlung Mariani nach ihrem Design, ihrem Gebrauchszweck und schließlich ihrer Struktur einzuordnen, stellt sich die Frage, wie man es denn besser oder richtiger machen könnte. Nach Auffassung des Rezensenten dürfte dem Thema neben dem offensichtlichen Unterscheidungsmerkmal der Struktur (Knüpfteppiche, Wangden Drumze, Tsuktruks) eine Ordnung nach Alter des Teppichs und dem Stil des Designs am besten gerecht werden. Jedoch: Zu wenig ist bekannt, um das Alter tibetischer Teppiche, zumal dann, wenn sie nach ihrem Erscheinungsbild dem 19. Jahrhundert „oder früher“ zuzuordnen sind, einigermaßen zuverlässig zu bestimmen. So sind auch Claudio Mariani und Diana Myers äußerst vorsichtig und zurückhaltend, wenn es um Altersbestimmungen geht. Das Buch endet dann auch mit dem Hinweis, dass zum Thema noch großer Bedarf für seriöse Forschung besteht und mit der Hoffnung, dass die bis heute in Tibet kaum praktizierte Archäologie neue Erkenntnisse bringt. Was mögen wohl die noch nicht geöffneten Gräber der Yarlung Könige aus dem späten ersten Jahrtausend unserer Zeitrechnung im südlichen Zentraltibet für Geheimnisse bergen? Werden es auch Teppiche sein?

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