The Dragon´s Gift – The Sacred Art of Bhutan

Autor/en: Terese Tse Bartholomew, John Johnston (Hrsg)
Verlag: Serindia Publications – Honolulu Academy of Arts
Erschienen: Chicago Honolulu 2008
Seiten: 390
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: US-$ 65.–
ISBN: 978-1-932476-35-4
Kommentar: Michael Buddeberg, Juli 2010

Besprechung:
Die einzigartige Ausstellung buddhistischer Kunst aus Bhutan hat nun nach den Stationen Honolulu, San Franzisko, Paris und Köln das Museum Rietberg in Zürich erreicht und ist dort noch bis zum 17. Oktober zu sehen. Danach werden die einhundert Statuen, Thangkas und Ritualgegenstände ihre Rückreise in die Tempel und Klöster des kleinen Königreichs im Himalaya antreten, um dort nicht als Kunstwerke, sondern wieder als geweihte und heilige Objekte einer bis heute gelebten buddhistischen Tradition verehrt und für Ritual und Meditation genutzt zu werden. Die dreijährige Reise dieser heiligen Gegenstände, immer begleitet von zwei Mönchen, die in täglichen Ritualen und Gebeten dafür sorgen, dass die spirituelle Kraft der Objekte auch im Ausstellungstrubel erhalten bleibt, ist ein Geschenk Bhutans an die westliche Welt. Anlass hierfür war das einhundertjährige Jubiläum der Monarchie in Bhutan und die Krönung seiner Majestät Jigme Khesar Namgyam Wangchuk als fünfter König von Bhutan. Durch ein Expertenteam der Honolulu Academy of Art, der königlichen Regierung von Bhutan und dem Zentralamt der Klöster Bhutans wurden in einem jahrelangen Auswahlverfahren die schönsten und wichtigsten Zeugnisse der buddhistischen Kultur aus teilweise weitab gelegenen und selten besuchten Klöstern und Tempeln gesucht und erkoren, um die wenig bekannte, über ein Jahrtausend alte und bis heute fast unverändert gelebte Kultur des Vajrayana-Buddhismus von Bhutan zu präsentieren. Nutzen Sie daher die einzigartige Gelegenheit, das buddhistische Erbe Bhutans und seine Kunst kennen zu lernen. Wesentlichen Anteil an dieser Präsentation einer lebendigen Kultur im Museum haben Filme und Video-Installationen, die den rituellen Tanz als eine neben Skulptur und Malerei gleichberechtigte Ausdrucksform buddhistischer Praxis zeigen. Diese Cham-Tänze, in Ladakh und vor allem in Tibet leider oft zur reinen Folklore verkommen, haben sich in Bhutan in ihrer ursprünglichen Form und Bedeutung seit hunderten von Jahren erhalten und sind als getanztes Yoga des tantrischen Buddhismus Bestandteil jedes Tschechu, des mehrtägigen jährlichen Klosterfestes, des Höhepunkts im buddhistischen Jahr. Im großen abgedunkelten Saal im Museum, bewegen sich auf mehreren Leinwänden Tänzer mit zornigen Masken, in bunten Gewändern aus Brokat und Seide zum getragenen Rhythmus der Musik von Trommeln, Gongs und Posaunen und schaffen eine mythische Aura, in der die Anwesenheit der Gottheiten und Dämonen unmittelbar spürbar wird — bis zum 17.Oktober. Danach bleibt nur das zur Ausstellung herausgegebene, hervorragende Buch, dem – das sei hier gleich gesagt – eine CD beigefügt ist, auf der viele dieser bei kleinen und großen Klosterfesten aufgenommenen Cham-Tänze zu sehen sind. Diese Dokumentation ist das Ergebnis einer beispiellosen Zusammenarbeit zwischen den Kunstwissenschaftlern der Honolulu Academy of Arts und den Tanzhistorikern des Core of Culture Dance Preservation in Chicago und beinhaltet Tänze aller in Bhutan heute noch aktiven Schulen des Vajrayana-Buddhismus. Selbstverständlich sind alle in der Ausstellung gezeigten 100 Skulpturen, Thangkas und Ritualobjekte, die vom 7. bis ins 19. Jahrhundert reichen, nicht nur durch professionelle Fotos perfekt abgebildet, sondern detailliert und ikonographisch sorgfältig beschrieben. Es ist ein Blick in einen bisher weitgehend unbekannten Bereich der Kunst des Himalaya, denn anders als entsprechende Werke aus Tibet, die durch dessen politisches Schicksal in großer Zahl ihren Weg in Museen und Sammlungen fanden, blieb die Kunst Bhutans in den Klöstern und Tempeln des kleinen Landes, und nur wenige Objekte haben das Land je verlassen. Angesichts dieses Wenigen, das bisher bekannt war, ist die hohe ästhetische und künstlerische Qualität vieler der Skulpturen, die Sorgfalt mit der die meist aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammenden Thangkas gemalt sind und die Geschicklichkeit, mit der aus chinesischen Brokatstoffen und feinster Stickerei hochdekorative textile Applikationsthangkas hergestellt wurden, fast eine Überraschung, jedenfalls aber eine wichtige Bereicherung unseres Wissens um buddhistische Kunst. Bereichernd im besten Sinne sind auch die 12 dem Katalogteil vorangestellten Essays westlicher und bhutanischer Autoren, die nicht nur die interessante Geschichte von Ausstellung und Buch, die Entdeckung, Auswahl, ikonographische Bestimmung und Konservierung der Objekte beschreiben, sondern darüber hinaus einen Zugang zu einem Land erschließen, dessen Kultur und dessen Umgang mit seiner Vergangenheit mit der dahinter stehenden Idee, das Glück höher zu bewerten als das Bruttosozialprodukt, für unsere heutige Welt von großer Bedeutung sein könnte. Wir lesen über die Geschichte Bhutans, den Beginn des Buddhismus im 7. und 8. Jahrhundert und über die Einigung des in kleine Fürstentümer zerfallenen Landes unter dem großen Shabdrung Ngawang Namgyal (1594-1651). Dieser war es auch, der den Grundstein für die Dzongs, die gewaltigen Klosterburgen legte, die noch heute das Bild Bhutans bestimmen und prägend sind für die gesamte Architektur des Landes. Schließlich erfahren wir über die Dynastie der Wangschuk, die nach hundertjähriger absoluter Monarchie die Größe besaß, dem Staatsvolk eine demokratische Verfassung und damit das Recht zu geben, seinen König abzuwählen, woran die Bhutaner aber nicht im Traum denken. Weitere für Bhutan wichtige Persönlichkeiten werden behandelt, allen voran der indische Magier Padmasambhava, der um das Jahr 800 den Buddhismus tantrischer Prägung nach Bhutan brachte und der bis heute gottgleiche Verehrung genießt. Oder Pema Lingpa (1450-1521), der große Schatzfinder, dem nachgesagt wird, dass er die von Padmasambhava für spätere Zeiten versteckten spirituellen Schätze, darunter auch viele Cham-Tänze wieder entdeckte und dem Volk zugänglich machte, als die Zeit dafür reif war. Diesen und anderen in der Geschichte Bhutans wichtigen Gurus, Mahasiddhis und namhaften Wiedergeburten begegnen wir dann in den Thangkas und vor allem in den meisterlich portraithaften Skulpturen wieder. Im Vordergrund aber steht immer die nun erstmals mit dieser Publikation zugänglich gewordene Kunst Bhutans, der Versuch, ihre Entstehung und ihre Besonderheiten zu ergründen und Wege zu finden, sie von den Schöpfungen der Nachbarländer abzugrenzen und zu unterscheiden. Das Buch über Kunst und Tanz aus dem Land des Donnerdrachens ist das erste seiner Art und auf einem Niveau, dass es auf Jahre das Standardwerk zum Thema bleiben wird.

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