The Art of Orientation – An Exploration of the Mosque through Objects

The Art of Orientation – An Exploration of the Mosque through Objects

 

Autor/en:        Idries Trevathan, MonaAlJalhami, Murdo McLeod, Mona Mansour (Hrsg)

Verlag:           Hirmer Verlag

Erschienen:    München 2020

Seiten:            264

Buchart:         Hardcover

Preis:              € 50,00

ISBN:             978-3-7774-3593-0

Kommentar:  Michael Buddeberg

 

Bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts war Dhahran an der Ostküste der arabischen Halbinsel nicht viel mehr als ein verschlafener Fischereihafen. Einige Bedeutung hatte allein die Perlenfischerei, war doch die unweit der Küste beginnende Inselwelt von Bahrain im Golf von Persien berühmt für die schönsten und kostbarsten Naturperlen der Welt. Doch mit der Konkurrenz der billigen japanischen Zuchtperlen wurde das Tauchen nach Perlen unrentabel. Erst das 1931 bei Dhahran entdeckte und seit 1936 kommerziell geförderte Erdöl brachte die Wende. Heute ist die aus den kleinen ehemaligen Dörfern Dhahran, Damman und Khobar zusammengewachsene Monopolregion mit mittlerweile ca. 5 Millionen Einwohnern dank des schwarzen Goldes eines der modernsten und lukrativsten Wirtschaftszentren von Saudi-Arabien. Etwa ein Viertel der Erdölreserven dieser Welt liegen dort unter dem Sand und so ist es kein Wunder, das die mächtige Saudi-Arabian-Oil-Company, besser bekannt als „Aramco“, Dhahran zum Firmensitz erwählt hat. Und mit dem vom saudischen König Salman bin Abdulaziz Al Saud 2016 eingeweihten, nach ihm benannten und von der Aramco finanzierten Zentrum für Weltkultur wurde Dhahran schließlich auch noch ein Ort für Kunst und Kultur.

Die in diesen Tagen (Januar 2021) beginnende und bis Oktober 2022 geplante Ausstellung in dem „Ithra“ genannten Kulturzentrum von Dhahran verdient aus mindestens drei Gründen besondere Beachtung. Zunächst wird die historische und künstlerische Qualität der Ausstellung wesentlich durch 84 herausragende und wichtige Leihgaben aus dem bedeutenden Museum für Islamische Kunst in Cairo geprägt, Ergebnis einer bemerkenswerten Kooperation zwischen diesen saudi-arabischen und ägyptischen Kulturinstitutionen. Zweitens haben die Initiatoren und Gestalter der Ausstellung die islamische Moschee zum ambitionierten und ungewöhnlichen Gegenstand dieser Ausstellung gewählt. Da allerdings Moscheen als Leihgaben per se ausscheiden, untersucht und erklärt die Ausstellung Ursprung, Entwicklung, Bedeutung, Ästhetik und Funktion der Moschee anhand der in ihr anzutreffenden, verwahrten und benutzten Objekte. Durch diesen Kunstgriff wird ein historischer und kultureller Zusammenhang zwischen Objekt und Gebäude, zwischen dem Gegenstand und seiner Verwendung geschaffen, der den Zugang zur vielfältigen Natur der Moschee ermöglicht. Dass der Katalog zu dieser für viele doch etwas abgelegenen Ausstellung beim Münchner Hirmer-Verlag erschienen ist, soll für den Leser dieser Katalogbesprechung nicht unerwähnt bleiben.

Neben einleitenden Beiträgen über die beteiligten Institutionen, über die Idee und die Realisierung des Ausstellungsprojekts und einem Überblick über das einen Zeitraum von tausend Jahren und einen geographischen Bereich von Marokko bis nach Indien umfassende Thema folgen zehn Essays namhafter, überwiegend islamischer Autor*innen. Es beginnt mit dem für die Errichtung jeder Moschee aber auch für jedes Gebet eines Gläubigen gültigen Orientierungsgebotes, der Ausrichtung nach Mekka, zum geographischen Ursprung und Zentrum des Islam und dem dafür jahrhundertelang dienenden Gegenstand, dem Astrolabium. Mit seiner neben vielen anderen wichtigsten Funktion der Bestimmung von Zeit und Ort, wurde das Astrolabium zum Symbol für die islamisch-geographische Tradition, die Ausdruck fand unter anderem in erstaunlich genauen Karten oder wissenschaftlich-astronomischer Literatur. Ein zweiter Essay behandelt mit der Pilgerschaft zu den ersten islamischen Moscheen in Medina und Mekka ebenfalls einen Grundpfeiler des islamischen Glaubens. Interessant ist hier, dass schon in diesen ersten Bauten die vielfältigen Funktionen der Moschee angelegt waren. Der Beitrag über Nächstenliebe, Almosengebot und fromme Stiftungen (waqf) befasst sich mit dem materiellen Funktionieren der Einrichtungen des Islam. Das in diesen Ländern so wichtige Bereitstellen von Wasser und die dafür nötigen Brunnen, Gefäße und dergleichen mehr stehen hier für das Prinzip der Wohltätigkeit. Miniaturen mit der Darstellung der Heiligen Stätten in illuminierten Handschriften und in Handbüchern für die Pilgerreise aber auch auf Wandfliesen betonen die enge Verbindung zu den Ursprungsorten des Glaubens, bevor sich das wohl zentrale Kapitel des Kataloges mit der Vermittlung von Wissen befasst. Koran und Schrift dominieren den Beitrag mit frühen Manuskriptseiten, darunter aus dem „Blauen Koran“, mit Beispielen für die Kalligraphie und deren Wandel über die Zeitläufte, mit Schreibgeräten und deren Behältnissen, Koranständern und mit weiteren Möbeln zur Aufbewahrung all dieser Utensilien; sie alle machen bewusst, dass Moscheen stets auch Orte der Lehre und der Wissenschaft sind. Der nächste Beitrag ist einem allgegenwärtigen Detail fast jeder Moschee gewidmet, dem keramischen Schmuck in Form von Wandfliesen. Im Vordergrund steht hier der geometrische Dekor, dessen Vielfalt und Fantasie, vor allem in der Architektur des Maghreb unübertroffen sind. Für die Arabeske und den floralen Dekor stehen vor allem Iznik und Damaskus, während für Schrift und Kalligraphie Kashan und für frühe Marmorpaneele Ägypten bekannt sind. Ein wichtiges Ausstattungsobjekt sind schließlich die Lampen und Leuchter, die sich in großen Moscheen zu Hunderten fanden. Glasampeln mit kalligraphischer Emailmalerei aus Syrien und Ägypten des 13. und 14. Jahrhunderts sind hier die spektakulären Highlights neben den mit Silber eingelegten und reich ziselierten Leuchtern aus Mossul. Zum Thema Mihrab wird anhand eines tragbaren, über und über mit geometrischen Ornamenten und kufischer Schrift beschnitzten Exemplars aus dem Cairo des 12. Jh. Bedeutung und Funktion dieses Kernbestandteils einer Moschee erklärt, bevor Gebetsteppiche und Minbar den Ausklang bilden. Das Fragment eines wohl in Uashak geknüpften Reihengebetsteppichs aus der Mitte des 16. Jh. und ein kleiner rustikaler Minbar des 18. Jh. aus einer Berber-Moschee des Mittleren Atlas setzen den Schlusspunkt unter einen Reigen von Objekten, die verstehen lassen, wie die Moschee nicht nur dazu diente, Gott zu dienen und zu verehren, sondern wie sie das tägliche Leben der Gläubigen erleichterte und es auf vielfältige Art besser und leichter machte.

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