India – UNESCO World Heritage Sites

India – UNESCO World Heritage Sites

Autor/en:         Shikha Jain, Vinay Sheel Oberoi (Hrsg.)

Verlag:            Maping Publishing, UNESCO, Hirmer Verlag

Erschienen:     Ahmedabad, Paris, München 2021

Seiten:             240

Buchart:          Hardcover

Preis:               € 49,90

ISBN:             9778-3-7774-3571-8 (Hirmer)

Kommentar:    Michael Buddeberg

 

Es sind nur selten positive, vielmehr fast immer negative Schlagzeilen, die ein Ereignis fest im Gedächtnis verankern. So etwa der Entzug des Welterbestatus für die Kulturlandschaft Dresdner Elbtal durch die UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation) im Juni 2009. Spätestens mit dieser bisher einzig dastehenden+ Aberkennung des Prädikats einer Welterbestätte wurde die Bedeutung dieser von der UNESCO verliehenen Auszeichnung für nationales Prestige aber auch für Politik, Ökonomie und Tourismus breiten Kreisen im In- und Ausland bewusst. Gegen den massiven Widerstand der Natur- und Denkmalschützer hatte die Dresdner Stadtverwaltung den Bau der zur Verkehrsentlastung beitragenden, aber die geschützten Elbauen durchschneidenden und das historische Stadtbild beeinträchtigenden Waldschlösschenbrücke durchgesetzt. Ob nun, ein Dutzend Jahre später, die Kreuzfahrtriesen, die sich mit ihrer Touristenfracht an Venedigs Markusplatz vorbeischieben und dieses Architekturjuwel wie eine Miniaturkulisse erscheinen lassen, auch Venedig das UNESCO-Prädikat kosten werden, bleibt abzuwarten.

Diesen Problemfällen eines Welterbestatus stehen, ein halbes Jahrhundert nach der Einführung dieses Prädikats für Kultur- und Naturdenkmäler 1.121 Eintragungen in die UNESCO-Liste in 167 Ländern gegenüber. Mit 38 Eintragungen in dieser Liste ist Indien kein Spitzenreiter – zum Vergleich: Italien hat 55 und Deutschland immerhin 48 Eintragungen –  und doch ist die Qualität und Vielfalt dieser Welterbestätten und deren Bedeutung für die Welt, in der wir leben, für deren Werden und für Kultur, Kunst, Geschichte und Religionen von besonderer Wichtigkeit. Das reicht von den „Western Ghats“, tropischen Landschaften im Süden Indiens mit einer intakten und reichen Flora und Fauna, die auf die Entstehung des indischen Subkontinentes aus dem einstigen Ur-Kontinent Gondwana hinweisen bis zum erdgeschichtlich bedeutend jüngeren Himalaya als höchste Gebirgsregion der Welt oder von den steinzeitlichen Felsmalereien von Bhimbetka bis zu den Schmalspureisenbahnen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die die gemäßigten Klimazonen der Vorberge des Himalaya für die British Upper Class erschlossen.

Das Buch über die indischen Welterbestätten ist keineswegs, wie man vermuten könnte, eines der vielen Bilderbücher aus der Sparte „Coffee Table“, sondern das Ergebnis einer sorgfältigen Koproduktion der UNESCO in Paris mit dem indischen Verlag Mapin Publishing und dem Münchner Hirmer Verlag. Mit eindrucksvollen und oft seitenübergreifenden Fotos werden die bisher in Indien gelisteten Welterbestätten, aufgeteilt in 30 Kulturdenkmäler, 7 Naturreservate und einem Mischdenkmal, bei dem Kultur und Natur in gleichem Maße zur Denkmaleigenschaft beitragen, nach ihrer Bedeutung für das Welterbe und unter Darlegung der jeweils erfüllten Voraussetzungen eines von der UNESO erarbeiteten Kriterienkataloges vorgestellt. 42 mit Abbildungen vorgestellte Bewerber für künftige Listungen vervollständigen das Thema.

Mit den Elefanten, Bisons, berittenen Jägern und hunderten weiterer Szenen und Darstellungen, die auf den Felsen von Bhimbetka vom Leben in der Steinzeit berichten bis zur monumentalen Railway Station in Mumbai, dem früheren Bombay, in der sich Victorianische Neogotik mit indischen Gestaltungselementen zu einem attraktiven Stilgemisch verbinden, ist es ein Gang durch Jahrtausende indischer Geschichte. Und es ist ein Weg durch fast alle 28 Bundesstaaten des indischen Subkontinents vom südlichen Tamil Nadu mit den Tempeln des Chola Imperiums aus dem 12. Jahrhundert bis zum Großen Himalaya National Park in Himachal Pradesh, wo die vergletscherten Gipfel des Himalaya auf ein so gut wie unberührtes Paradies aus Wäldern und Blumenwiesen herabblicken. Viele dieser Welterbestätten sind Zeugnis der großen Religionen, die Indiens Weg durch die Geschichte geprägt haben und die zumeist bis heute lebendige Plätze gläubiger Verehrung geblieben sind. Für Buddhisten sind dies vor allem die Monumente in Sanchi, Madhya Pradesh, aus dem dritten bis ersten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung mit dem Großen Stupa, Vorbild unzähliger Kultobjekte des Buddhismus bis heute. Tempel in Bodh Gaya (Bihar), wo Buddha die Erleuchtung erlangte, und die Höhlentempel von Ajanta unweit von Mumbai in Maharashtra mit eindruckvollen Wandmalereien aus der Gupta Zeit sind Glanzpunkte der Geschichte und der Kunst des Buddhismus, so wie die komplexen und mit Figurenschmuck fast überladenen Tempel der Hindu und Jain in Karnataka und Odisha oder die mit aus dem Fels gehauenen Skulpturen geschmückten Höhlen von Elephanta bei Mumbai vom Kult um Brahma und Shiva erzählen. Der Schwerpunkt der gelisteten Denkmäler stammt aus der Zeit der Sultanate, vor allem aber aus dem Reich der Mogul-Kaiser und ihrer Vasallen. Festungsbauten wie das Agra Fort oder Fatehpur Sikri, beide errichtet von Akbar, das Red Fort in Delhi von Schajahan und von Rajputenfürsten in Rajasthan auf Hügeln gebaute wehrhafte Burgkomplexe prägen das ausgehende Mittelalter und die beginnende Neuzeit. Dass hier das Taj Mahal gelistet ist, das von Shahjahan für seine geliebte Frau Mumtaz Mahal errichtete Mausoleum, von Vielen als das schönste Architekturensemble dieser Welt bezeichnet, kann nicht verwundern. Europa schließlich ist vertreten durch die Kirchen und Klöster des 16. bis 18.Jahrhunderts, die die Portugiesen in Goa an der indischen Westküste errichteten, vor allem aber durch die einzige indische Welterbestätte aus dem 20.Jahrhundtert, den Capitol Complex von Le Corbusier in Chandigarh im Punjab – Bruch mit Traditionen oder Aufbruch in eine spannende Zukunft und eine neue Definition für das Welterbe der Menschheit – das mag jeder Leser dieses inhaltsreichen und faszinierenden Buches für sich entscheiden.

Print Friendly, PDF & Email