Japanese Buddhist Textiles – The Baur Collection

Japanese Buddhist Textiles – The Baur Collection

Autor/en:         Helen Loveday

Verlag:            5 Continents Editions – Fondation Baur

Erschienen:     Mailand Genf 2014

Seiten:             334

Buchart:          Leinen mit Schutzumschlag

Preis:               € 120,00

ISBN:             978-88-7439-645-0 (Verlagsausgabe)

Kommentar:    Michael Buddeberg

 

Über das Verhältnis von Künstlern zu ihren Galeristen ist schon viel geschrieben worden, über deren Bedeutung für den materiellen Erfolg ihrer Schützlinge oder deren positiven und manches Mal auch schlechten Einfluss auf die Kreativität und das Werk der von ihnen vertretenen Künstler. Der Pariser Händler Ambroise Vollard und Paul Cézanne oder Fernand Mourlot und Marc Chagall oder die Brüder Theo und Vincent van Gogh sind hier nur einige Beispiele für viele andere. Das Buch über das Verhältnis von Sammlern und ihren Händlern wartet indessen noch auf seinen Autor. Auch hier gibt es bekannte Beispiele dafür,  wie Geschick und Geschmack eines Kunsthändlers bestimmenden Einfluss auf Zusammenstellung und Qualität einer Sammlung genommen haben. Sollte sich  je ein Autor dieses interessanten Themas annehmen, so wird er am Verhältnis zwischen dem Schweizer Sammler Alfred Baur (1865-1951) und seinem japanischen Händler Tomita Kumasaki (1872-1953) nicht vorbeigehen können. Als Alfred Baur 1907 nach Gründung und Aufbau eines erfolgreichen und  heute noch existierenden Unternehmens in Ceylon in sein Heimatland Schweiz zurückkehrte und sich mit seiner Frau in Genf niederließ, begann seine Karriere als Kunstsammler. Sein Interesse galt zeitlebens dem ostasiatischen Kunsthandwerk und bei seinem Tode umfasste die in eine Stiftung eingebrachte und in einem nach ihm benannten Museum in Genf untergebrachte Sammlung ca. neuntausend Objekte. Ganz entscheidend für die Ausrichtung der Sammlung war eine vom Ehepaar Baur 1923/24 unternommene Weltreise. In Japan begegnete das Ehepaar Tomita Kumasaki, der bis zum Tode Alfred Baurs (1952) sein wichtigster Ratgeber und fast ausschließlicher Händler werden sollte. Die durchweg hohe ästhetische Qualität aller Objekte der Sammlung ist ein sichtbares Zeichen für die vertrauensvolle und fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Händler und Sammler. Dies gilt insbesondere auch für ein Konvolut von 121 japanischen Textilien, die Alfred Baur 1927 von Tomita erwarb und das im vorliegenden Band 13 der seit 1968 in lockerer Folge erschienenen Bestandskataloge wissenschaftlich dokumentiert wird. Das Besondere an dieser Sammlung ist ihre Homogenität. Es sind ausschließlich kleine quadratische Textilien, wie sie als Dekoration für die Altäre buddhistischer Tempel in der Edo- (1603-1868) und Meiji-Zeit (1868-1912) üblich waren. Und es sind, mit Ausnahme von zwei dieser Altardecken, die von der Technik der Schlitzwirkerei Gebrauch machen, durchweg Seidendamaste, meist in aufwändiger Lampastechnik (japanisch nishiki oder kinran) hergestellt. Bis heute ist dieser buddhistische Altarschmuck als eigenständige Gattung japanischer Textilkunst wenig bekannt; oft werden die um die 65 cm im Quadrat messenden Teile als Musterstücke oder Fragmente angesehen und sie sind in den großen Sammlungen wie etwa dem Victoria & Albert Museum gar nicht oder nur mit wenigen Exemplaren vertreten. Umso mehr sind Tomita Kumasaki, der diese Sammlung in einem Jahrzehnt zusammengetragen hat und Alfred Baur zu bewundern, der sich zu ihrem Kauf in einer Zeit entschloss, als sich Sammler allenfalls für Kostüme des No-Theaters, für Priesterumhänge (kesa) oder für Kimonos (kosode) interessierten. Und so ist es auch nicht erstaunlich, dass dies das erste je erschienene Buch zu diesem Thema japanischer Textilkunst ist.

Helen Loveday, Kuratorin des Musée des arts d`Extreme-Orient in Genf, behandelt in fünf interessanten Kapiteln, wie es dazu kam, das dieses außergewöhnliche Konvolut in die Sammlung Baur gelangte, den Gebrauch dieser uchishiki genannten Altardecken in buddhistischen Klöstern und Tempeln Japans, technische Details der komplizierten Gewebe, die Geschichte der Seidenweberei in Japan und schließlich den Kanon der in diesen Seidentextilien vorkommenden Muster. Ganz ähnlich wie in den Kirchen Europas handelt es sich auch in Japan bei den in Tempeln und Klöstern genutzten Textilien, seien es kesa oder uchishiki oder andere, häufig um eine Zweitverwertung. Kostbare Textilien, komplette Gewebebahnen, häufiger jedoch festliche kosode oder No-Theaterkostüme wurden von Gläubigen zum Erwerb spiritueller Verdienste dem Kloster geschenkt und dann zu buddhistischen Textilien, zu kesa oder uchishiki verarbeitet. Das erklärt auch, warum die Muster der hier publizierten Altardecken durchweg nicht spezifisch buddhistisch sind und warum es sich bei dem Buch um ein einzigartiges Kompendium der teuersten und luxuriösesten Stoffe handelt, die Japans Webstühle hergaben. Fast alle haben ein traditionelles Design, kombiniert aus einer relativ kleinen Anzahl von Musterelementen, angeordnet nach immer wieder gleichen Schemata  und oft nur mit minimalen Variationen von Stoff zu Stoff. Es dominieren – das chinesische Vorbild ist unverkennbar – glückverheißende Motive, Phönix, Kilin und Schildkröte, Lotus, Päonie und Chrysantheme, vor allem aber Drachen, oft im Spiel mit der flammenden Perle oder dem wunscherfüllenden Juwel. Es ist ein textilästhetisches Vergnügen, diese sich oft nur in Details oder in der Farbgebung voneinander unterscheidenden, häufig mit Gold- oder Silberfäden gehöhten Luxustextilien auf den seitengroßen Abbildungen zu studieren. Dasselbe gilt für das nicht nur in China oder in Tibet sondern auch in Japan beliebte, aus Oktogonen und Quadraten kombinierte und meist mit floralen Motiven gefüllte Muster (kati rimo, japanisch shokko), das nahezu unendlich variiert werden kann. Diese Beschränkung auf vorwiegend konservative Muster auf kostbaren Stoffen in perfekten, farbfrischen Exemplaren ist das Charakteristikum der Sammlung von Tomita Kumasaki, die schon Alfred Baur in ihren Bann gezogen hat. Es blieben übrigens die einzigen japanischen Textilien in seiner Sammlung.

 

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