Alchi – Ladakh´sHidden Buddhist Sanctuary – 2 Bände: The Choskhor, The Sumtsek

Alchi – Ladakh´sHidden Buddhist Sanctuary – 2 Bände: The Choskhor, The Sumtsek

Autor/en:         Roger Goepper, Christian Luczanits, Jaroslav Poncar (Fotografie)

Verlag:            Serindia Publications

Erschienen:     Chicago 2023

Seiten:             839 (Band 1 und 2)

Buchart:          Hardcover im Schuber

Preis:               USD 850,00 (serindia.com; info@serindia.com)

ISBN:             978-1-932476-97-2

Kommentar:    Michael Buddeberg

 

Die 2005 beim Verlag Peter Lang unter dem Titel „Long Life“ erschienene Festschrift zum 80sten Geburtstag von Roger Goepper (1925-2011) listet fast 200 Titel auf – Bücher und Aufsätze –, die der Kunsthistoriker, Museumsdirektor und Lehrer geschrieben und herausgegeben hat. Mit dem wohl schönsten Buch aus dieser stattlichen Anzahl hat Roger Goepper sein eigentliches Fachgebiet – die Kunst Chinas und Japans – verlassen und mit dem Kölner Fotografen Jaroslav Poncar ein hinreißendes Buch über ein Juwel des Buddhismus im Himalaya komponiert. „Alchi. Ladakh´s Hidden Buddhist Sanctuary. The Sumtsek“, verlegt 1996 beim Londoner Verlag Serindia von Anthony Aris war und ist noch heute ein Meilenstein in der Bearbeitung, Interpretation und Darstellung buddhistischer Wandmalerei, von der noblen Gestaltung über die Bildqualität bis zu den kompetenten Texten – und es war seinerzeit natürlich rasch vergriffen.

Seit wenigen Wochen ist der Band über den Sumtsek wieder zu haben, in kleinerem Format und nunmehr als Band 2 einer in kleiner Auflage (250) gedruckten Gesamtdarstellung des Choskhor, des Tempelkomplexes von Alchi. Dazu muss man wissen, dass der Publikation aus dem Jahre 1996 15 Jahre wissenschaftliche Feld- und Forschungsarbeit vorausgingen, zahlreiche Reisen und Aufenthalte vor Ort und, last not least, die Entstehung eines umfangreichen, den gesamten Choskhor umfassenden Archivs analoger Diapositive auf Kodachrome und Ektachrome von J. Poncar. Der Wiener Tibetologe Christian Luczanits, seit 1990 mit dem Thema Alchi befasst, hat mit „Alchi II“, mit dieser Gesamtdarstellung des Alchi-Tempelkomplexes, ein Vermächtnis von Roger Goepper erfüllt und es versteht sich, dass diese Arbeit dem Andenken dieses großen Gelehrten gewidmet ist.

Mit der aus der 1996er Publikation gewohnten wissenschaftlichen Tiefe werden im Band I die weiteren Sakralbauten des Choskhor, die zentrale Versammlungshalle (Dukhang), zwei Chörten und zwei kleinere Tempel beschrieben. Dabei orientiert sich der Autor an der fundamentalen Methodologie von Goepper und greift ausschließlich auf Quellen zurück, die vor der Entstehung Alchis liegen. Dieser Entstehungszeitpunkt allerdings war und ist bis heute nicht wirklich geklärt. Goepper hat ihn aufgrund einer mit Inschriften versehenen Darstellung von mit ihren Naman bezeichneten Mönchen, deren Lebensdaten bekannt sind, mit ca. 1200 angenommen, während andere Autoren, hier wohl mehr einem Wunschdenken als belegbaren Fakten folgend, gerne 100 bis 150 Jahre früher datieren und, wie jüngst geschehen, die von Goepper entdeckten und übersetzten Inschriften schlicht als ein Produkt des 16. Jahrhunderts deklarieren. Ein Aufsatz von Rob Linrothe zu diesem brisanten Thema fasst zusammen und hält die genannten Mönchsdarstellungen im Vergleich mit der übrigen Wandmalerei für authentisch und das späte Datum damit als die Wahrscheinlichste aller Möglichkeiten.

Neu ist die Untersuchung, zeichnerische Darstellung und Bewertung der Architektur, sowohl der einzelnen Bauwerke je für sich als auch in ihrer Beziehung zueinander. Die dreidimensionalen Zeichnungen – von den exakten Plänen und Schnitten ganz abgesehen – vor allem aber eine eingehende Untersuchung der vermutlichen Baugeschichte Alchis, die Christian Luczanits und der Architekt Holger Neuwirth erarbeitet haben, versetzen den Leser in die Person eines buddhistischen Pilgers, der den Ort „um 1200“ wieder und wieder besucht und für den sich die rituelle Umwandlung des Areals mit dessen Erweiterungen immer wieder anders präsentiert.

Doch nun zu den Abbildungen, deren Qualität in unserer bildorientierten Zeit das wichtigste Kriterium für einen Kunstband darstellt. Um es gleich vorwegzunehmen – wer je Alchi besucht hat und unter welchen Lichtverhältnissen auch immer diese herrlichen Wandmalereien, die Mandalas im  Dukhang oder die weltlichen Darstellungen kaschmirischer Fürsten und Fürstinnen im Sumtsek, fliegende Apsaras und unendlich viele weitere Bilder aus dem buddhistischen Pantheon jener Zeit sehen durfte, wird all dies mit der in seiner Erinnerung gespeicherten Harmonie hier wiederfinden. Jaroslv Poncar hat es mit dem ihm als einem ausgewiesenen Foto-Professional zur Verfügung stehenden analogen Material verstanden, den ganzen Zauber und die ganze Farbharmonie dieser einzigartigen Wandmalerei einzufangen. Dies ist, zugegeben, ein durch und durch subjektives Urteil, für das es eine objektive und wissenschaftlich fundierte Begründung nicht gibt und wohl auch nicht geben kann. Ohne diese Problematik hier weiter vertiefen zu wollen oder zu können, stellt sich aber ganz zwanglos die Frage, ob es eine absolute Farbwahrheit bei der Wiedergabe jahrhundertealter Wandmalereien aus einem dunklen, in der Regel nur von spärlichem Tageslicht erleuchteten Tempel überhaupt gibt? Wie und mit welcher Beleuchtung haben wohl die Künstler vor 800 Jahren ihre Farben aufgetragen? Und haben und konnten sie Rücksicht darauf nehmen, wie, mit welcher Beleuchtung und zu welcher Tageszeit ihre adeligen Auftraggeber das Werk abnehmen und wie es Generationen von Pilgern oder gar Touristen des 21. Jahrhunderts wahrnehmen und verehren würden? Nein, wohl nicht – und damit bleibt ein Spielraum für eine subjektive Behandlung von Farbintensität, Farbtemperatur und für die Qualität des Lichts, gleichgültig ob natürlich oder künstlich, ohne die es Farbe sowieso nicht gibt. Die moderne, digitale Fotografie und deren unbegrenzten Möglichkeiten der Bildbearbeitung scheinen hier dem altmodischen analogen Material eher unterlegen, wie eine vor wenigen Jahren  erschienene Alchi-Dokumentation zu belegen scheint, bei der vor allem  die Farbe Blau so kräftig geraten ist, dass die „Grüne Tara“ aus dem Sumptsek, eine berühmte Ikone der buddhistischen Kunst, zur „Blauen Tara“ wurde. Der deutlich besseren Schärfe der digitalen Fotos steht bei den Innenraumaufnahmen der analogen Ausgabe die Tiefenwirkung der sich im Dunkel und Unbestimmten verlierenden Hintergründe gegenüber.

Für die vielfältigen Textildarstellungen auf den 48 hölzernen Decken-Paneelen des Sumtsek und deren herausragende Bedeutung für die Erforschung zentralasiatischer Textilkultur sei zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Besprechung von Alchi I vom Januar 1997 verwiesen, die mit dem Suchbegriff „Alchi“ einfach und rasch zu finden ist.

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