Rituels tibétains – Visions secrètes du V. Dalai Lama

Autor/en: Nathalie Bazin (Hrsg)
Verlag: Editions de la Réunion des mesées nationaux
Erschienen: Paris 2002
Seiten: 208
Ausgabe: broschiert
Preis: EUR –.–
ISBN: 7-7118-4469-2
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Das Musée national des Arts asiatiques-Guimet, das berühmte Museum asiatischer Kunst in Paris besitzt mit der Schenkung Lionel Fournier seit 1989 einen einzigartigen tibetischen Schatz. Es ist ein beachtlicher Teil der erhaltenen Original-Manuskripte des fünften Dalai Lama (1617-1682), ein Teil, der besonders wegen seiner Illustrationen bemerkenswert ist. Das Musée Guimet und seine Kuratorin für Nepal und Tibet, Nathalie Bazin, haben die erste öffentliche Präsentation dieses Illustrationszyklus zu einer Ausstellung gestaltet, die sich mit dem fünften Dalai Lama und seinem geistigen Erbe befasst. Der fünfte Dalai Lama, der „Große Fünfte“ war die herausragende politische und religiöse Persönlichkeit in der Geschichte Tibets. Unter seinen Vorgängern war die Nation zerrissen durch die Machtkämpfe zwischen den großen Orden des tibetischen Buddhismus. Ngawang Losang Gyatso einte die Nation, bekam 1642 die unumschränkte spirituelle und politische Herrschaft über die tibetischen Territorien übertragen und wurde zum ersten Souverän eines vereinten Tibet. Unter ihm kam es zu einer Renaissance tibetischer Kunst und Wissenschaft. Der Große Fünfte förderte nicht nur das Studium der Philosophie, sondern auch das der Astrologie, Medizin, Malerei, Lyrik und des Sanskrit und setzte sich für Handel und diplomatische Beziehungen mit Indien, China, Kaschmir und der Mongolei ein. Doch seine größte Passion waren die mystischen Praktiken der inneren tantrischen Traditionen. Gegen die Ermahnungen seiner Lehrmeister, sich allein den Traditionen seines Gelugpa-Ordens, verpflichtet zu fühlen, befasste er sich zeitlebens mit der esoterischen Dzogchen-Tradition, der Lehre der Großen Vollendung. Seine „Geheimen Visionen“ sind Kommentare zu den mysthischen Dzogchen-Praktiken. Dieses schriftliche Vermächtnis zeigt den fünften Dalai Lama neben seiner Person als herausragender Staatsmann und Verwaltungsgenie auch als einen begnadeten Schriftsteller und spirituellen Lehrer. Der Katalog zur Ausstellung, die im Februar 2003 endete, enthält Essays maßgebender Historiker, Tibetologen und Kunsthistoriker zur Situation Tibets im 17. Jahrhundert, zu Leben und Wirken der Großen Fünften, zu den geistigen Einflüssen, die auf ihn wirkten, hier insbesondere Padmasambhava und der Orden der Nyingmapa und zu den esoterischen buddhistischen Ritualen, die Gegenstand des Manuskripts sind. Und es sind natürlich alle der 172 in der Ausstellung gezeigten Exponate in Farbe abgebildet und sorgfältig beschrieben. In einem ersten Abschnitt finden wir Skulpturen und Thangkas, die den V. Dalai Lama und die für ihn wichtigen Gottheiten, Bodhisattvas und Lehrer zeigen. Der zentrale mittlere Teil des Kataloge ist dem Manuskript gewidmet und zeigt hier vor allem die bedeutenden Illustrationen, die Ritualobjekte darstellen, gezeichnet in Farbe, Gold und Silber auf schwarzem Papier. Es sind dies frühe Beispiele einer Technik, die in Thangkas des 18. und 19. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreichte. Diese Schwarzgrundmalerei ist ein exzellentes Medium für die Darstellung der tibetischen Schutzgottheiten in ihren zornigen Emanationen. Der Katalog enthält davon prachtvolle Beispiele. Der letzte und umfangreichste Abschnitt gibt einen vollständigen Überblick der Ritualgegenstände für die Praxis tantrischer Lehren, vom Vajra bis zur Knochenschürze, von der Schädelschale bis zum Ritualschwert, Szepter und Phurpu, Gantha und Damaru bis hin zu seltenen Möbeln, Teppichen und Textilien, wie sie zur Ausstattung des Dukhang gehören. Viele dieser teils sehr alten, bis ins 14. Jahrhundert zurückreichenden Objekte aus europäischen Museen und Privatsammlungen sind hier erstmals veröffentlicht und bilden den Schwerpunkt dieser Publikation über ein wenig behandeltes Thema tibetischer Geistesgeschichte, tibetischer Kunst und tibetischen Kunsthandwerks. (- mb -)

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