Westhimalaya – Am Rande der bewohnbaren Welt

Autor/en: Hans Weihreter
Verlag: Akademische Druck- und Verlagsanstalt
Erschienen: Graz 2001
Seiten: 272
Ausgabe: gebunden mit Schutzumschlag
Preis: DM 135.–
ISBN: 3-201-01756-6
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
In den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zog Hans Weihreter mit Nomadenstämmen und Handelskarawanen auf abenteuerlichen Wegen durch eine der unzugänglichsten und am wenigsten erforschte Region dieser Erde. Er besuchte Orte, die nur nur nach tagelanger Wanderung, oft auf schmalen, in senkrechte Felswände geschlagenen Steigen erreichbar sind, oder über schwankende Hängebrücken, geflochten aus den Zweigen des Killa-Strauches, die reißende Bergströme überspannen. Wir müssen Hans Weihreter dankbar sein, daß er seine Erlebnisse und Kenntnisse nun in einem großartigen Buch publik macht, denn vieles was er gesehen, erlebt, gehört und fotografiert hat, Tempel und Malereien, uralte Rituale und Gebräuche, Mythen und Sagen, Schmuck und Trachten, Kunst aus Frühzeit und Mittelalter, ist inzwischen unwiederbringlich verloren und verschwunden. Ehrgeizige Straßenbauprojekte, Telefon und Fernsehen, Elektrizität und Satellitenantennen, haben auch in dieser fernen Welt soziale und gesellschaftspolitische Umwälzungen bewirkt und jahrhundertealte Traditionen und Lebensformen zum Verschwinden gebracht – ein Verlust, dem für die betroffenen Menschen auch deutliche Erleichterungen gegenüberstehen. Westhimalaya, das sind die entlegenen Gebirgsregionen und Flußtäler der indischen Bundesstaaten Jammu/Kaschmir und Himachal Pradesh, das sind Lahaul, Pangi und Pader, Kinnaur und Spiti, die Schlucht des Chenab und die Nomadenweiden von Jonam und Lingti. Der ganze Westhimalaya ist Grenzland zwischen indischer und tibetischer Kultur, zwischen Hinduismus und Buddhismus. Die Beschreibung des Spannungsfeldes zwischen diesen beiden Religionen und die vielfältigen Einflüsse uralter Volksreligionen, früher Muttergöttinenkulte und schmananistischer Rituale ist wichtiger Bestandteil des Buches. Dieser Vielfalt an Religionen und archaischen Kulten – jenen ist ein ganzes Kapitel gewidmet – an Tanzriten und Festen steht die ethnische Vielfalt nicht nach. Wir erfahren vom Herkommen und ihren Gebräuchen, von der Tracht und dem Schmuck der Bothia, der Gaddi und der Kinnauri, der Lahauli oder „“Mon““, der Kirata und der Gujer. Breiten Raum schließlich nehmen Architektur und Kunst in Anspruch und wir sehen bedeutende Heiligtümer des Mittelalters, die frühen Tempel von Chhatradi, Brahmaur und Udaipur und die einzigartigen buddhistischen Klöster von Lhalung, Nako und Tabo. Beeindruckend vor allem ist die archaische Holzarchitektur, etwa der Tempel der Göttin Mindel-Devi in der Region Pangi mit ausdrucksvollen Ornamenten und naiven Darstellungen aus dem buddhistischen Pantheon in Kerbschnittechnik. Zum Ausklang verlassen wir den Himalaya, folgen dem Lauf des Sutlej, erreichen das alte Königreich Guge mit seinen Hauptstädten Tholing und Tsaparang und schließlich den Heiligen Berg Kailash im Transhimalaya, für Bönpos, Hindus, Jainas und Buddhisten das heiligste Symbol auf Erden, das Zentrum der Welt, der Sitz mächtiger Gottheiten und die Achse durch die drei Welten. „Die Reise ins Herz des Mandala“ ist dieses Kapitel überschrieben und es ist eine Reise nicht nur auf abenteuerlichen Wegen sondern auch eine Reise durch zahllosen Mythen und Legenden, die sich um diese Stätte ranken. Der Mythos vom Quirlen des Milchozeans oder der Mythos von der Herabkunft der Heiligen Ganga sind nur zwei von den vielen, die Hans Weihreter erzählt. Dieser Hinweis soll den Leser neugierig machen auf ein bemerkenswertes und außergewöhnliches Buch. Es ist die Mischung erlebter Abenteuer mit Gedanken zur Kunst – hier sei der Vergleich der Tempelgrundrisse des westlichen Himalaya mit dem klassischen Griechenland erwähnt -, die Mischung von Wegbeschreibung und Feldforschung, von der Begegnung mit Menschen und der Darstellung ihrer spirituellen Welt, von spannender Realität und wissenschafticher Akribie, die dieses Buch so bemerkens- und empfehlenswert macht. Danke, Hans Weihreter. (- mb -)

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