Das Alte Tibet – Geheimnisse und Mysterien

Autor/en: Gerhardt W. Schuster
Verlag: NP-Buchverlag
Erschienen: St.Pölten-Wien-Linz 2000
Seiten: 304
Ausgabe: broschiert
Preis: DM 42.–
ISBN: 3-85326-137-X
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Wie die Tibeter auf diese Welt kamen ist weithin bekannt. Die Geschichte von der Bergdämonin, die mit einem göttlichen Affen die Urahnen der Tibeter zeugte ist lebendiger Mythos und wird immer wieder berichtet. Unsicher sind sich die Tibeter nur darüber, ob diese ersten Tibeter, die zwar schon aufrecht gingen, aber mit Körperhaar bedeckt waren, noch Schwänze trugen oder schon schwanzlos waren. Weit weniger bekannt ist der tibetische Weltschöpfungsmythos, daß die Erde selbst aus einem kosmischen Ei entstanden sei, das schon alle Grundelemente des Lebens enthielt. Als es zerbarst, bildeten sich aus der Schale die Berge, aus dem Eiweiß das Urmeer, und aus dem mittleren, gelben Teil gingen das Land und die verschiedenen Lebewesen hervor. Dem innersten Zentrum des kosmischen Eis entstieg ein göttlicher Knabe: Ye smon. Seine Gattin war die später von den Tibetern hochverehrte Schutzgöttin Palden Lhamo. Einer ihrer Söhne, Bod smon, ist der Ahnherr aller Tibeter. Die spannende und verdienstvolle Sammlung der Geheimnisse und Mysterien des alten Tibet beginnt mit diesen Mythen über die Entstehung der Welt, des Menschen, der Tibeter und des tibetischen Königtums. Sie endet mit dem Mysterium des Todes, des Bardo, jenes Zwischenreiches, in dem das Bewußtsein, nachdem es den Körper verlassen hat, machtvollen Bildern des Unbewußten begegnet, friedvollen Gottheiten und schrecklichen, Furcht einflößenden Dämonen und schließlich dem Mysterium der Wiedergeburt. Dazwischen breitet sich ein Kaleidoskop von Zauber und Magie vor uns aus, das einen faszinierenden und tiefen Einblick in eine von jahrtausendealten schamanistischen Trance- und Orakelmethoden, von esoterischen tantrischen Lehrsystemen, von bewußtseinsverändernden Meditations- und Yogatechniken geprägte und von tiefer Religiosität erfüllte Kultur gewährt. Keine andere Gesellschaft hat so konsequent und erfolgreich versucht, mit Hilfe der Magie ihre durch extreme Umweltbedingungen erschwertes, mühevolles Leben zu erleichtern und zufriedenstellend zu gestalten. So vermochten die Tibeter in viele der geheimnisvollen Mysterien menschlicher Existenz einzudringen und wahrhaft erstaunliche und allgemein gültige Erkenntnisse zu gewinnen. Ihren Ursprung haben diese Geheimnisse und Mythen fast immer in der Natur. Wohl nirgendwo auf der Erde waren sich die Menschen so klar ihrer Abhängigkeit von einer übermächtigen Natur bewußt wie in Tibet. Ausgeliefert einem unbarmherzigen Klima und den Naturgewalten, wurde für die Bewohner des tibetischen Hochlandes die genaue Naturbeobachtung zu einer Frage des Überlebens und zum Zentrum ihrer religiösen Vorstellungen. Für die Tibeter war nicht nur der Himmel selbst, sondern auch die gesamte, sie umgebende Natur, die Berge, Schluchten, Täler, die Seen, Flüsse und Quellen von lebendigen Wesenheiten bewohnt. Sie alle galten als Wohnsitze zahlloser Naturgeister und Dämonen. Viele von diesen waren äußerst mißliebige Gesellen, die es zu besänftigen oder zu benutzen, zu überlisten oder zu beeinflussen galt. Amulette und Opfergaben, Fadenkreuze und Geisterfallen, aber auch Gift-, Liebes- und Wetterzauber zeugen von dieser Einflußnahme. Die genaue Naturbeobachtung ist schließlich auch der Ausgangspunkt für den Blick in die Zukunft. Das Beobachten von Wolkenformationen, des Wechsels von Wind- und Lichtverhältnissen, aber auch der Reaktion von Tieren auf atmosphärische Veränderungen war den Hochlandbewohnern immer schon geläufig. Hieraus entstanden die vielfältigen Orakelmethoden, von denen das Rabenorakel, das Rauchorakel, das Schafschulterblattorakel oder das Vogelflugorakel hier nur beispielhaft genannt werden können. Das tibetische Staatsorakel, sein Einfluß auf die tibetische Politik, seine Funktion in der für Tibet so kritischen Zeit von 1949 bis 1959, und seine bis heute fortbestehende Ratgeberfunktion werden eingehend dargestellt. Die Fülle an Information und die lebendige und flüssige Darstellung machen dieses Buch zu einer wertvollen und unverzichtbaren Lektüre für jeden, der sich tiefer mit tibetischer Kultur und Religion befassen möchte. Es zeugt von der Qualität und Objektivität des Autors, daß er nüchtern auch von den paranormalen Phänomenen auf dem Dach der Welt berichtet, von der Kunst, sich unsichtbar zu machen, vom Leben ohne Nahrung, von Telepathie und Levitation. Die Offenheit für übersinnliche Wahrnehmungen und paranormale Fähigkeiten sind bis heute Bestandteil tibetischer Kultur und gehören zu den großen Geheimnissen und Myterien Tibets. (- mb -)

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